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Zurück ins Mittelalter?

Heinz Dylong25. Februar 2003

Könnte es in Deutschland erlaubt sein, in einem Polizeiverhör Foltermethoden gegen einen Festgenommenen einzusetzen, wenn so das Leben eines Entführten gerettet werden könnte? Eine bizarre Debatte mit konkretem Anlass.

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Auslöser der Diskussion ist ein Entführungsfall in Frankfurt im Herbst 2002: Der elfjährige Bankierssohn Jakob von Metzler entführt worden. Nach wenigen Tagen konnte die Polizei einen Studenten als Tatverdächtigen festnehmen. Doch das Entführungsopfer blieb verschwunden. Auch in mehrstündigen Verhören war dem Festgenommenen nicht zu entlocken, wo Jakob zu finden wäre. In dieser Situation ordnete der Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, an, dem Festgenommenen mit Schmerzen zu drohen, "die er sein Leben lang nicht vergessen werde". Da gab der Mann nach und nannte den Ort, an dem der allerdings schon längst getötete Junge zu finden war.

Ein Polizist, der sich strafbar macht

Daschner selbst fertigte eine Aktennotiz an über sein Vorgehen, das nunmehr von der Staatsanwaltschaft geprüft wird. Daschner könnte danach ein Verfahren wegen Aussage-Erpressung drohen - eine mit mindestens einem Jahr Gefängnis bedrohte Straftat. Daschner führt demgegenüber den Notstandsparagrafen des Strafgesetzbuches ins Feld. Der erlaubt es, eine eigentlich strafbare Tat zu begehen, um eine Gefahr abzuwenden. Mit dieser Argumentation fand Daschner zunächst auch Rückhalt: Etwa bei Geert Mackenroth, dem Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes. Der sprach von "rechtfertigendem Notstand". Es könne Situationen geben, "in denen die Anwendung von Gewalt zur Rettung höherwertiger Rechtsgüter erlaubt sein kann."

Kritik von allen Seiten

Organisationen wie die Gewerkschaft der Polizei, der Deutsche Anwaltsverein oder amnesty international wandten sich gegen Mackenroth. Sie alle betonten die deutsche Gesetzeslage, in der das strikte Folterverbot - das aus Grundgesetz sowie Europäischen und UN-Konventionen hervorgeht - verankert ist. "Nach Auffassung von Völkerrechtsexperten ist das Folterverbot absolut gefasst und darf nicht relativiert werden", erklärt der Sprecher von amnesty international, Dawid Bartelt. "Wenn wir anfangen, Einzelfälle zu diskutieren, dann steht der Missbrauch als Nachbar neben dieser Diskussion. Und keiner von uns wird wissen, wo diese Diskussion endet, aber sie wird sicherlich an keinem guten Ende stehen." Dem dürften auch Politiker wie Dieter Wiefelspütz zustimmen.

Folter zur Rettung des Lebens Dritter?

Der SPD-Innenexperte nannte Mackenroths Vorstoß einen "Tabubruch", und aus dem Bundesjustizministerium war zu hören, die Bundesregierung verschwende keinen Gedanken daran, an dem grundsätzlichen Folterverbot etwas zu ändern. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte lediglich erklärt, dass ein Beamter, der einem Verdächtigen Gewalt androht, im Einzelfall freigesprochen werden könne, wenn er dadurch etwa das Leben eines Dritten retten wollte. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte indessen Daschners Verhalten "menschlich sehr verständlich" genannt.

Und während der Richterbundsvorsitzende Mackenroth inzwischen von seiner Äußerung abrückte, erklärte seine Organisation zum Folterverbot unmissverständlich: "Dieses Verbot hat einen überragenden Rang unter den Menschenrechten und gilt absolut. Jede Relativierung oder Einschränkung auch im Einzelfall muss ausgeschlossen bleiben."