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Zurück zum Monopol auf Deutschlands Kabelmarkt

Detlev Karg6. April 2004

Das ist Wirtschaftswahnsinn: Einst musste die Deutsche Telekom ihr Fernsehkabelnetz verkaufen. Mehr Wettbewerb sollte her. Nun kauft Kabel Deutschland alles - und schafft ein neues Monopol.

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Vergrabene Milliarden: Neustart für das deutsche KabelnetzBild: AP

Die Kabel Deutschland GmbH (KDG) wird voraussichtlich ihre drei noch verbliebenen Konkurrenten schlucken. Dafür gibt das von Banken und Risiko-Kapitalgebern getragene Unternehmen nach eigenen Angaben vom Sonntag (4.4.2004) 2,7 Milliarden Euro aus. Auf der Übernahmeliste stehen: Ish (Nordrhein-Westfalen), Iesy (Hessen) und Kabel BW (Baden-Württemberg). Damit endet ein unrühmliches Kapitel des einst weltweit führenden deutschen Fernsehkabelmarktes und gleichzeitig beginnt ein neues. Kabel Deutschland, das außer den genannten drei Bundesländern bereits alle anderen versorgt, wird Monopolist, vorausgesetzt die Bonner Kartellbehörde stimmt zu. Außerdem wird KDG nach eigenen Angaben der größte Kabelnetzbetreiber in Europa.

Kabel Deutschland beerbt auf Umwegen die Telekom

Für die Kabelkunden wird sich zwar zunächst nichts ändern. Allerdings könnten längerfristig die Preise steigen, da Kabel Deutschland diese diktieren kann, erwartet etwa die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Zusammenschluss wird KDG ein bundesweites Breitband-Kabelnetz mit mehr als 17 Millionen Haushalten (bislang 10 Millionen) betreiben. Die Kabeltechnik steht in harter Konkurrenz zur Satellitenübertragung. Neue Dienste wie High-Speed-Internet und interaktives Fernsehen sollen dem Kabel darum neue Kunden erschließen.

Rückblende: Der Traum vom goldenen Kabel

Bisher blieb das allerdings Illusion. Der Kölner Betreiber Ish, einst vollmundig angetreten, den Rheinländern das schnelle Internet via Kabel zu verschaffen, legte eine Bauchlandung nach der anderen hin. In Hessen lief es nicht besser. Die ursprünglichen Käufer der Netze wie Callahan in NRW oder Klesch in Hessen haben Milliarden in den einst als lukrativ eingeschätzten Geschäften verbrannt.

Nur in wenigen Städten surfen heute Deutsche via Kabel – DSL hat im Netz vorerst das Rennen gemacht. Ein Hauptgrund: Das Fernsehkabel hat mehrere Ebenen, will heißen: Die letzten Leitungsmeter in die Häuser hinein müssen für digitale Dienste umgerüstet werden. Denn sie waren ja nur für analoges Fernsehen gemacht, und sendeten nur in eine Richtung. Diese vierte Ebene ist aber nur sehr teuer umzurüsten. Auch wird nur ein Drittel der Kunden direkt von KDG bedient, den Rest teilen sich regionale Programmanbieter wie Tele Columbus, Primacom oder Wohnungsgesellschaften.

Kräftiger Ausbau des Netzes geplant

Kabel Deutschland will nun in den nächsten drei Jahren rund 500 Millionen Euro in neue Dienstleistungen und Produkte investieren und damit die Digitalisierung des Breitbandkabels in Deutschland wesentlich vorantreiben. So solle bundesweit das gleiche Programmangebot im Fernsehen zu finden sein, und gleiche technische Standards für digitale Empfangsboxen gelten, erklärte das Unternehmen.

"Die Übernahme wird dem digitalen Fernsehen im Kabel endlich zum Durchbruch verhelfen", sagte Roland Steindorf, Sprecher der Geschäftsführung von Kabel Deutschland. Digitales Fernsehen habe das Potenzial, in den kommenden Jahren enorme Wachstumsimpulse für die Medienwirtschaft und die Elektronikindustrie in Deutschland zu setzen. Das heißt: Mehr Spartenkanäle und mehr verkaufte Kabel-Decoder. Mittelfristig sollen die Netze flächendeckend auch Video auf Abruf, Internet und Telefonie ermöglichen und damit in Konkurrenz zur Deutschen Telekom und deren Mitbewerbern treten. "Wir haben dadurch die Chance, mit Angeboten gleichzuziehen, die Konsumenten anderer europäischer Länder wie Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien längst nutzen können", so Steindorf.

Warum einfach wenn es auch kompliziert geht?

Das Widersinnige daran: Das hätte Deutschland auch früher haben können. Denn alle vier TV-Kabelanbieter bildeten ursprünglich unter dem Dach der Deutschen Telekom eine Einheit, ehe sich der Bonner Konzern von 1999 an schrittweise von den Netzen trennte. Die Wettbewerbsbehörden hatten die Deutsche Telekom nämlich zum Verkauf des Netzes gezwungen, um genau diesen Wettbewerb im Breitbandgeschäft zu erreichen. Ein interessierter Käufer - Liberty Media aus den USA - kam nicht zum Zug, weil dessen Eigner John Malone keinen Breitband-Wettbewerb mit der übermächtigen Telekom wollte. Ein Wettbewerb im deutschen Breitbandmarkt kam nie zu Stande, was auch im Interesse des DSL-Marktführers Deutsche Telekom ist. Das könnte sich mit dem Auftritt von KDG nun ändern.