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Zur Kasse, bitte!

Monika Lohmüller24. Juli 2003

Die rot-grüne Regierung in Berlin hat sich mit der Opposition auf eine Reform im Gesundheitswesen geeinigt. Ein Kommentar von Monika Lohmüller.

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Der erzielte Konsens zur Gesundheitspolitik soll bis 2007 stufenweise zu einem Einsparvolumen von 23,1 Milliarden Euro führen. Der durchschnittliche Beitragssatz für die Versicherten soll 2007 dann ein Niveau von jeweils 13
Prozent erreicht. Das Verhandlungsergebnis sieht vor, dass der Zahnersatz aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegliedert wird. Zudem soll eine Praxisgebühr von zehn Euro pro Arztbesuch und Quartal eingeführt werden. Die Zuzahlungen sollen für niemanden mehr als zwei Prozent
des Einkommens betragen, bei chronisch Kranken ein Prozent.

Eigentlich wollte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt das ganze System zukunftssicher machen. Alle - Ärzte, Pharmaindustrie, Apotheker und Krankenhäuser - sollten ihren Beitrag zu einer umfassenden Reform leisten. Ulla Schmidt hat immer wieder verkündet, dass nicht nur die Patienten Zahlmeister einer Reform sein sollen und dass sie, Ulla Schmidt, vor den Lobbygruppen nicht resignieren werde.

Die Ministerin wollte zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen entmachten, dafür sorgen, dass Ärzte in Zukunft direkt mit den Krankenkassen Verträge schliessen können. Mehr Wettbewerb, mehr Transparenz lautete ihr Rezept. Ulla Schmidt wollte die Axt an einen Selbstbedienungsladen legen, dessen Kosten Jahr für Jahr weiter in die Höhe schnellen, der im Vergleich zur Qualität, so die Ministerin jedoch zu teuer sei.

Nach dem Verhandlungsmarathon mit der Opposition sieht die Rechnung allerdings anders aus: Die bekommt der Versicherte, der Patient, präsentiert, daran minimal - sozusagen als Beruhigungspille - beteiligt: die Leistungserbringer des Systems. Und damit das Ganze
sich nicht gar so drastisch anhört, wird den Versicherern ein
niedrigerer Beitragssatz versprochen. Eine Illusion, wer um die Schulden der Krankenkassen und die explodierenden
Arzneimittelausgaben weiß.

Angesichts hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland, die den
Krankenkassen weniger Beiträge bringt, und angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung hätte man Regierung wie Opposition mehr Mut für eine Reform des Gesundheitswesens gewünscht. Mut vor allem gegenüber den Interessensverbänden.

Dass in Zukunft zuerst Zahnersatz und später dann das Krankengeld allein Sache der Versicherten sein sollen, dass sie höhere Eigenbeteiligungen bei Medikameten schlucken müssen, mag vielleicht den Anstieg der Kosten kurzfristig dämpfen - ändert aber nicht das Geringste an den
Problemen im Gesundheitswesen. Denn hier werden nur
milliardenschwere Ausgaben verlagert - auf die Schultern der
Arbeitnehmer, der Patienten.

Ehrlicher wäre es gewesen, die paritätische Beitragsfinanzierung im Gesundheitswesen gleich
aufzubrechen, und den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben. Denn das Ziel ist ja, die Lohnnebenkosten zu senken, die - so wird immer wieder beklagt - den Faktor Arbeit in Deutschland zu teuer macht. Gerechter wäre es auch gewesen, alle zur Kasse zu bitten, zum Beispiel auch die Pharmaindustrie, die hierzulande glänzend verdient und den Markt mit teuren Innovationen überschwemmt. Innovationen die häufig kaum
neue Wirkung haben.

Diese Gesundheitsreform lässt viele Fragen offen. Bis sie Gesetz wird, muss sie allerdings noch viele Hürden nehmen. Es bleibt also das Prinzip Hoffnung.