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Zustand von Testpatienten in England weiter dramatisch

17. März 2006

Nach dem folgenreichen Zwischenfall bei einem Medikamententest in London soll das Zulassungsverfahren in Deutschland geändert werden. In Zukunft sollen neue Wirkstoffe nur noch nacheinander an Menschen getestet werden.

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Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Ein gleichzeitige Versuch an sechs Probanden hatte dramatische Folgen. Der Zustand von sechs Männern, die nach dem Medikamententest in Großbritannien zum Teil lebensgefährlich erkrankten, ist bislang unverändert. Daran werde sich wahrscheinlich in absehbarer Zeit nichts ändern, sagte einer der behandelnden Ärzte am Freitag (17.3.2006). Zwei der Männer befinden sich in einem kritischen Zustand. Einer von ihnen, ein 21-Jähriger, könnte bis zu einem Jahr im Koma liegen, berichteten seine Angehörigen unter Berufung auf Informationen von Ärzten. Sämtliche innere Organe, Herz, Niere, Lunge und Leber seien durch das verabreichte Test-Medikament geschädigt worden.

"Wie der Elefantenmensch"

Die Freundin eines Patienten berichtete, der 28-Jährige sei völlig aufgedunsen und sehe aus "wie der Elefantenmensch". Andere Angehörige schilderten, die Köpfe und die Nacken der Versuchsopfer seien bis auf das Dreifache des normalen Umfanges angeschwollen. Anfangs hätten sie die Patienten gar nicht mehr wiedererkannt.

Die Angehörigen riefen medizinische Experten in aller Welt zur Mithilfe bei der Behandlung der sechs Patienten auf. Die Ärzte rätseln noch immer, was die starke allergische Reaktion ausgelöst hat. Für den Medikamentenversuch hatten sich die Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren freiwillig gemeldet. Als Gegenleistung sollten sie umgerechnet 2900 Euro bekommen.

Unklarheit über Folgen bei Tierversuchen

Der Forschungschef des Pharmaunternehmens TeGenero aus Würzburg, Thomas Hanke, bestritt Berichte, wonach es bei Tierversuchen Probleme gegeben habe. Das Medikament TGN 1412, das zur Bekämpfung von Multipler Sklerose, Blutkrebs und Rheuma entwickelt wurde, sei an Hasen und Affen getestet worden. Dabei habe es keine Vorfälle gegeben, die auf das Medikament zurückzuführen seien, sagte Hanke am Donnerstagabend vor dem Krankenhaus im Nordwesten Londons. Das Pharmaunternehmen entschuldigte sich bei den Angehörigen der Versuchsopfer. Das Unternehmen muss jetzt mit Millionen-Forderungen rechnen.

Die Anwältin der Patienten, Ann Alexander, fordert mehr Aufklärung über die Tierversuche. Ihren Mandanten seien dazu widersprüchliche Informationen gegeben worden. Angeblich seien bei den Versuchen Tiere gestorben. Auch die Möglichkeiten eines Produktionsfehlers, einer Verunreinigung oder einer Überdosis müssten geklärt werden. Scotland Yard und die britische Medikament-Aufsichtsbehörde MHRA haben Ermittlungen aufgenommen.

Spekulationen gibt es auch um TeGenero. Nach Zeitungsberichten ist TGN 1412 der erste Wirkstoffkandidat überhaupt, den die Firma an Menschen testet. Das Unternehmen sei mit keinem anderen Produkt auf dem Markt. TeGenero wurde im Jahr 2000 gegründet, hat seinen Firmensitz in Würzburg und beschäftigt nach eigenen Angaben 15 Angestellte. (chr)