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Zustimmung zu Erdogans Verfassungsreform

13. September 2010

Das positive Votum für eine Verfassungsänderung in der Türkei ist im Ausland auf Zustimmung gestoßen. Fast 60 Prozent der Bürger votierten für die Reformvorschläge. Ein Boykottaufruf der Kurden blieb ohne Erfolg.

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Recep Tayyip Erdogan, im Hintergrund Kameras (Foto: AP)
Als Sieg für die Demokratie wertet Erdogan den AbstimmungserfolgBild: AP

In etwa drei Vierteln aller 81 Provinzen votierte die Mehrheit der türkischen Bevölkerung für die Verfassungsänderung. Insbesondere die zentral- und ostanatolischen Provinzen stimmten fast geschlossen dafür. Auch in Istanbul und in der Hauptstadt Ankara dominierte der Anteil der Befürworter. Der Boykottaufruf kurdischer Parteien hatte sich kaum negativ auf die landesweite Wahlbeteiligung ausgewirkt; diese lag mit 77 Prozent für ein Referendum recht hoch.

Großer Erfolg für Erdogan

Abstimmungszettel mit der Aufschrift 'Evet' (türkisch für 'Ja') und 'Hayir' ('Nein') auf einem Tisch (Foto: dpa)
Fast 60 Prozent der türkischen Wähler stimmten mit 'Evet', das heißt 'Ja'Bild: picture alliance/dpa

"Die Demokratie ist der Gewinner", für den türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist das Ergebnis der Abstimmung über die weitreichende Verfassungsänderung ein großer Erfolg.

Von seinen jubelnden Anhängern ließ er sich feiern, nachdem fest stand, dass das von seiner Regierung vorgelegte Änderungspaket etwa 58 Prozent der Stimmen erhalten hat. Das endgültige Endergebnis wird noch am Montag (13.09.2010) erwartet.

Telefonat mit Obama

Auch international wurde der Erfolg des Referendums über die Reform der türkischen Verfassung begrüßt. So telefonierte US-Präsident Barack Obama mit Erdogan und bezeichnete die hohe Beteiligung an der Abstimmung als ein "Zeichen für die Lebendigkeit der türkischen Demokratie".

Außenminister Guido Westerwelle (l.) und der türkische Amtskollege Ahmet Davutoglu (Foto: AP)
Außenminister Westerwelle sieht die Türkei auf dem richtigen WegBild: AP

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sah in dem Erfolg des Referendums einen weiteren wichtigen Schritt der Türkei auf dem Weg nach Europa. Er zeigte sich zuversichtlich, "dass der Reformprozess in der Türkei im Sinne einer weiteren Öffnung der Gesellschaft fortgeführt wird".

Auch die Europäische Union befürwortete die Reform. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle gab jedoch zu bedenken, dass die tatsächliche Bedeutung davon abhänge, wie diese Verfassungsänderungen in der Praxis umgesetzt werden könnten.

Völlig neue Verfassung denkbar

Mit der Reform ende das "Vormundschafts-System" in der Türkei, sagte Regierungschef Erdogan nach dem Votum. Das Referendum galt auch als Vertrauenstest für den konservativen Ministerpräsidenten und seine islamisch geprägte Partei AKP. Denn im nächsten Jahr stehen die Parlamentswahlen an. Mit Blick auf die traditionell mächtige Rolle des Militärs zeigte sich Erdogan offen für parteiübergreifende Gespräche über eine völlig neue Verfassung. Zugleich dankte er den Unterstützern aus anderen Parteien.

Nur Devlet Bahceli, der Vorsitzende der rechtsextremen Oppositionspartei MHP, forderte Erdogan zu Neuwahlen auf. Er warf der Regierung vor, das Referendum mit Drohungen und Bestechung manipuliert zu haben.

Kritik an Justizreform

Eine türkische Frau steckt ihren Wahlschein in die Urne (Foto: dpa)
Die Verfassungsänderung gibt den Einzelnen mehr RechteBild: picture-alliance/dpa

Mit den insgesamt 26 Änderungen der Verfassung, denen in dem Referendum zugestimmt wurde, erhalten die türkischen Bürger mehr Rechte. Sie haben zum Beispiel erstmals die Möglichkeit zu Individualklagen vor dem Verfassungsgericht. Zugleich wird die zivile Kontrolle über die Armee gestärkt, Putsch-Generäle können erstmals vor Gericht gestellt werden.

Umstritten ist eine in dem Paket enthaltene Justizreform, die dem Präsidenten und dem Parlament mehr Einfluss auf die Auswahl hoher Richter einräumt. Kritiker aus der Opposition werfen Erdogan und seiner AKP vor, sie wollten so die türkische Justiz unter Kontrolle bringen.

Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel