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"Zwei große Schlachten schlagen"

Zusammengestellt von Markus Roman11. Januar 2005

Ist die Wahl von Mahmud Abbas die große Chance für den Friedensprozess im Nahen Osten? Die internationale Presse ist geteilter Meinung, nur in einem sind sich alle einig: Es wird äußerst schwer.

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TAGES-ANZEIGER, Zürich, Schweiz

Nur wenn Abbas für seine Bemühungen, die Militanten ruhig zu halten, mit echten Fortschritten auf dem Weg zu einem unabhängigen Staat belohnt wird, hat er eine Chance auf Erfolg. Sollte die internationale Gemeinschaft – allen voran die USA – auch diesmal nicht bereit sein, ihn wirkungsvoll zu unterstützen, wird er ebenso kläglich scheitern wie bei seinem ersten Anlauf.

L'ALSACE, Mülhausen, Frankreich

Seit Sonntag macht sich im Nahen Osten Euphorie breit. Die Wahlen der Palästinenser sind absolut zufrieden stellend verlaufen. Es gab eine hohe Wahlbeteiligung und Mahmud Abbas ist auf korrekte Weise gewählt worden. Er hat Israel sofort die Hand ausgestreckt, um den Frieden zu erreichen. Nach vier Jahren Intifada lebt die Hoffnung weiter, Palästinenser und Israelis hängen mit Begeisterung daran. […] Das ist ein gutes Zeichen, aber der Weg zum Frieden wird noch lang sein.

LA CROIX, Paris, Frankreich

Die Wahl von Mahmud Abbas ist zugleich eine Missbilligung des Terrorismus. Sie ist einer der seltenen demokratischen Momente für ein Volk, das schon viel zu lange ohne Staat leben muss. Sie überträgt dem Gewählten eine ungeheure Verantwortung. Die Lösung muss mit politischen Mitteln und nicht mit Bomben gefunden werden. Die Dauer der Bewährungsfrist hängt nicht allein von Abbas ab. Leicht ist vorstellbar, wie die Extremisten auf beiden Seiten - in Palästina wie in Israel - darauf warten, erneut zuzuschlagen. Die Großmächte und die Weisen beider Völker müssen gemeinsam mit den Realisten ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen, um Abbas zu helfen.

KOMMERSANT, Moskau, Russland

Am Tag nach der Wahl lud Bush den neuen Palästinenser-Führer nach Washington ein. [...] Es ist auffällig, dass George W. Bush im Unterschied zu seinem Vorgänger Bill Clinton eigentlich nie ein besonderes Interesse am Nahen Osten gezeigt hat. Nicht er, sondern Präsident Clinton träumte vom Lorbeer eines Friedensstifters im Nahen Osten, doch vergeblich. Jetzt kann es sein, dass dieser Lorbeer Bush zufällt - und das mit erheblich weniger Einsatz.

EL MUNDO, Madrid, Spanien

Das größte Problem für Mahmud Abbas sind zunächst einmal nicht die Gegner, sondern die eigenen Wähler. Für den Wahlsieg hatte der Palästinenserführer Dinge versprochen, die kaum einzuhalten sind, wie die Heimkehr von Millionen von Flüchtlingen oder die Rückerlangung der 1967 verlorenen Territorien. Die radikalisierte öffentliche Meinung unter den Palästinensern dürfte verlangen, dass wenigstens ein Teil der Versprechen eingehalten wird. Mahmud Abbas muss nun Format beweisen. Er kann den Frieden und die Bildung eines Palästinenserstaates erreichen. Und das sind immerhin auch Anreize.

NEW YORK TIMES, Onlineausgabe, New York, USA

Damit Abbas überhaupt eine Chance hat, einen palästinensischen Staat […] aufzubauen, muss er zwei große Schlachten schlagen. Er muss gegen den Terrorismus hart durchgreifen, der dem israelischen Premier Ariel Scharon die Entschuldigung gab, Friedensverhandlungen zu verweigern. Und er muss das palästinensische Volk auf die notwendigen Kompromisse vorbereiten. Beide Kämpfe werden wahnsinnig schmerzhaft werden.

L.A. TIMES, Onlineausgabe, Los Angeles, USA

Abbas' Erdrutschsieg bedeutet zweierlei. Zum einen beauftragt er ihn, seinen Zielen nachzugehen und legitimiert ihn, vom Kurs der Gewalt abzudrehen. Gleichzeitig jedoch muss er seine Leistung sowohl von seinen Anhängern als auch seinen Kritikern nach dem von ihm angelegten Maßstab beurteilen lassen. Verantwortung zu übernehmen ist das Herz der demokratischen Staatsform, wie Abbas stets bekräftigte.