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Verkrustetes System

5. Oktober 2009

In Griechenland gewinnt die Partei der Sozialisten (PASOK) die Parlamentswahlen. Die konservative Neue Demokratie ist gescheitert. Aber beide Parteien sind nur zwei Seiten derselben Medaille, meint Spiros Moskovou.

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Bild: DW

Der Wechsel trägt einen altbekannten Namen. Der Vorsitzende der sozialistischen Partei PASOK, Giorgos Papandreou, der am Sonntag (04.10.2009) in seiner Siegesansprache den Griechen die "Rückkehr des Lächelns" versprach, ist Sohn des großen Volkstribuns und langjährigen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou. Mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten vor Karamanlis' Neuer Demokratie verfügt nun die PASOK über eine ausreichende Mehrheit im Parlament und kann allein die neue Regierung stellen.

Spiros Moskovou (Foto: DW)
Spiros Moskovou

Den Wechsel hatte auch Karamanlis versprochen, als er im Jahr 2004 seinen sozialistischen Vorgänger Kostas Simitis ablöste, den Wechsel hat er auch im Jahr 2007 propagiert, als er vorzeitig um ein neues Mandat geworben hat. Und jeder Grieche weiß Bescheid, was die Politiker mit Wechsel meinen. Es geht um die permanenten und doch unerreichbaren Anliegen der Gesellschaft: Bekämpfung der Korruption, Transparenz in Politik und Wirtschaft, Sanierung der Finanzen.

Operette oder Tragödie?

Unter Karamanlis wurden die entsprechenden Hoffnungen nochmal enttäuscht: Viele Minister wurden selbst in Korruptionsskandale verwickelt, überall wurden Posten an Freunde und Wähler der Regierungspartei verteilt, die Finanzen wurden nicht bereinigt. Und der Regierung ist in nur zwei Jahren die Puste ausgegangen. Die Wähler haben Karamanlis am Sonntag nicht nur ein frisches Mandat verweigert, sondern in einer panikartigen Reaktion Zuflucht bei der PASOK gesucht. Es ist die PASOK, die vor nur fünf Jahren wegen Korruption und zu vieler Skandale nach fast 20 Jahren an der Macht abgewählt wurde.

Unter anderen Umständen würde man die Abwechslung der griechischen Politikerdynastien an der Macht und die gegenseitige Verteufelung als Akt einer südlichen Operette betrachten. Da sie sich aber heutzutage am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds abspielt - und zwar im schwächsten Land der Eurozone -, erweist sie sich eher als Akt einer wirklichen Tragödie. Mit einer tatsächlichen Staatsverschuldung, die sich nach den neuesten Daten auf 296 Milliarden Euro beläuft, und einem Haushaltsdefizit, das inzwischen elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt, hat Griechenland alle Maastrichter Kriterien gesprengt. Karamanlis hatte eine rigorose Finanzpolitik für den Fall seiner Wiederwahl angekündigt, gleichzeitig aber nach Meinung von Experten in den letzten Monaten 2,5 Prozent des BIP in alle Himmelsrichtungen verteilt, um eben diese Wiederwahl zu untermauern. Der Sieger Papandreou bräuchte nach denselben Berechnungen in den nächsten Monaten nochmal 2,5 Prozent des BIP, um seine Versprechen an die Wähler einzulösen.

Verkrustetes Zweiparteiensystem

Es ist inzwischen eindeutig, dass die PASOK und die Neue Demokratie die zwei Seiten derselben Medaille sind, eines gealterten und stark der Korruption zuneigenden Zweiparteiensystems, das nur wegen fehlender überzeugender Alternativen überlebt. Die "Rückkehr des Lächelns“ wird für Giorgos Papandreou keine leichte Aufgabe sein. Die Depression hat schon weite Teile der griechischen Gesellschaft erreicht. Es geht nicht nur um die fast 30 Prozent der Wähler, die jetzt der Urne ferngeblieben sind. Es geht auch um die perspektivlose aufmüpfige Jugend, die bereit zu revoltieren ist, wie die Unruhen im letzten Dezember in Athen auf beispiellose Weise bewiesen haben. Wenn auch diesmal kein tatsächlicher Wechsel in Griechenland eintritt, dann läuft der soziale Konsens Gefahr, richtig zu kollabieren.

Autor: Spiros Moskovou
Redaktion: Martin Schrader