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Zweifel bleiben

Uta Thofern28. Januar 2004

Mit der Parlaments-Abstimmung über die Erhöhung von Studien-Gebühren und dem Bericht von Lordrichter Hutton zur Kelly-Affäre hatte der britische Premier Tony Blair zwei heikle Hürden genommen. Uta Thofern kommentiert.

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"Die schwierigsten 24 Stunden seiner Amtszeit" hatten ihm die britischen Medien für diese Woche prophezeit - teils hämisch, teils mitleidig. Tony Blair hat sie überstanden. Und er ist kämpferisch wie eh und je.

Dennoch: Da steht kein Sieger vor dem Parlament, sondern ein stark angeschlagener Überlebender. Der Mann, der seinen persönlichen Überzeugungen folgt, hat sich noch einmal durchgesetzt - doch immer weniger folgen ihm. Denn bei beiden Handlungssträngen dieser Woche ging es nicht nur für Blair um Glaubensfragen, sondern auch für seine Wähler und Parteigänger.

Mit der Erhöhung der Studiengebühren entgegen aller Wahlversprechen hat Blair einen zentralen Glaubenssatz sozialdemokratischer Politik gekippt. Auch wenn er noch so sehr beteuert, nur so sei "Bildung für alle" zu erreichen - das demütigend knappe Abstimmungsergebnis ist Beleg für seinen Autoritätsverlust in der Labour-Partei.

Weitaus schwerwiegender jedoch ist Blairs Vertrauens-Verlust in einer Bevölkerung, die ihm in der Irak-Frage nur zögernd gefolgt war und nur, weil er sie mit seiner persönlichen Überzeugung mitgerissen hatte. Der Hutton-Bericht entlastet zwar den Premier von jeder Mitschuld am Tod des Waffenexperten Kelly und erhebt stattdessen schwere Vorwürfe gegen die BBC.

Doch was die Menschen bewegt, ist nach wie vor eine andere Frage: Wenn es keine Massenvernichtungswaffen gibt - warum sind wir dann überhaupt in den Krieg gezogen? Die Antwort des Premierministers lautet: Weil es richtig war und richtig bleibt. Für die meisten Briten aber ist die Antwort: Weil wir Tony Blair geglaubt haben. Diese Kluft wird Blair wohl nicht mehr schließen können, denn es geht dabei nicht um Richtig oder Falsch. Nicht Tony Blair, der Staatsmann, hat versagt - sondern Tony Blair, der Missionar.

Blair hat immer von seiner Glaubwürdigkeit gelebt, doch in der Irak-Frage war sie von internationaler Bedeutung: Ohne die Unterstützung seines wichtigsten Verbündeten in Europa wäre vermutlich nicht einmal US-Präsident George W. Bush in den Krieg gezogen. Anders als Bush selbst oder auch als Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatte Tony Blair in der Auseinandersetzung mit Saddam Hussein innenpolitisch nichts zu gewinnen.

Umso gewichtiger war sein Plädoyer für den Krieg, hatte er doch keine eigennützigen Motive. Möglicherweise wären die Briten ihm auch dann auf seinem Kreuzzug gefolgt, wenn er den Krieg anders begründet hätte. Doch gerade weil Blair so sehr auf seine Glaubwürdigkeit setzte, musste er auch wahrhaftig argumentieren.

Tony Blairs persönliche Integrität ist mit dem Hutton-Bericht zwar wiederhergestellt, doch die Zweifel an der Notwendigkeit des Irak-Krieges bleiben. Seine politische Autorität und das Vertrauen der Wähler wird er kaum zurückgewinnen können.

Sein innerparteilicher Rivale Gordon Brown hat den knappen Abstimmungssieg bei den Studiengebühren sorgfältig vorbereitet und Blair damit einen Weg vorgezeichnet: Dessen historische Chance besteht darin, sein Amt bald freiwillig niederzulegen, damit er das Schlachtfeld erhobenen Hauptes verlassen kann.