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Zweifelhafte Wahl

António Cascais4. September 2008

In Angola soll nach Jahres des Bürgerkrieges wieder gewählt werden. Zehn Parteien und vier Wahlbündnisse kämpfen um den Einzug in das Parlament in Luanda. Doch es gibt erhebliche Zweifel an freien und fairen Wahlen.

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Angolas Präsident José Eduardo dos Santos (Quelle: AP)
Regiert seit 29 Jahren das Land: Angolas Präsident José Eduardo dos SantosBild: AP

Zum zweiten Mal seit der Unabhängigkeit von Portugal im Jahre 1975 sind die Bürger Angolas am Freitag (5.9.2008) zur Wahl des Parlaments aufgerufen. Die ersten Parlamentswahlen hatten 1992, also vor 16 Jahren, stattgefunden. Danach war das Land erneut im Bürgerkrieg versunken. Präsident José Eduardo dos Santos - seit 1979 an der Macht - und die regierende MPLA ("Volksbewegung für die Befreiung Angolas") wollen ihre Macht über das rohstoffreiche Land nicht abgeben. Die Regierung hat erst kürzlich ein ihr genehmes Wahl-Gesetz im Parlament durchgeboxt. Angesichts der im Lande herrschenden Korruption, Propaganda und Intoleranz sind die Zweifel, ob es freie und faire Wahlenn sein werden, groß.

Oppositionsparteien haben so gut wie keine Macht

UNITA-Chef Jonas Savimbi (Quelle: AP)
Starb im Februar 2002 in einem Feuergefecht: UNITA-Chef Jonas SavimbiBild: AP

Die Regierung begann erst 2002 mit einer vorsichtigen Normalisierung des Landes, nachdem es ihr gelungen war, Jonas Savimbi zu töten, den Führer der lange Zeit vom Westen und dem Apartheid-Regime aus Südafrika unterstützten Rebellengruppe UNITA ("Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas"). Damit war der Weg frei für ein endgültiges Friedensabkommen. Die angolanische Regierung achtete vor allem darauf, dass die Macht des Präsidenten José Eduardo dos Santos und seiner ursprünglich marxistisch-leninistisch ausgerichteten MPLA nicht angetastet wurde. Im Parlament sind zwar seit 1992 mehrere Oppositionsparteien vertreten. Sie dürfen ein wenig mitdiskutieren und stellen offiziell sogar Minister in der nationalen Einheitsregierung. Aber die eigentliche Macht im Lande liegt derzeit nicht im Parlament oder bei den Ministerien, sondern beim allgegenwärtigen Präsidenten und seinem Präsidialamt. Und José Eduardo dos Santos wurde noch nie direkt vom Volk gewählt, seitdem er vor fast 30 Jahren den verstorbenen Staatsgründer Agostinho Neto im Amt des Staatspräsidenten beerbte. Auch im September steht nur das Parlament zur Abstimmung.

Die MPLA besetzt zentrale Stellen in Politik und Wirtschaft

Unter José Eduardo dos Santos und seiner MPLA herrschen nach Ansicht zahlreicher Beobachter Vetternwirtschaft und Personen-Kult. Alle zentralen Stellen in Politik und vor allem in der Wirtschaft sind mit Leuten des Präsidenten besetzt. In Korruptionsrang-Listen wie von Transparency International belegt Angola einen der schlechtesten Plätze.

Öltanker in Angola (Quelle: AP)
Angola ist das größte Öl produzierende Land in AfrikaBild: AP

Angolas Führung geht es vor allem um die persönliche Kontrolle über das Erdöl. Selbst die Weltbank und der Internationale Währungsfonds IWF haben wiederholt mehr Transparenz bei der Verwendung der Öl-Ressourcen angemahnt. Im Sommer 2008 stieg das Land zum größten Öl-Produzenten in Afrika vor Nigeria auf. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Rohöl-Produktion verzehnfacht und erreichte im August zwei Millionen Barrel (1 Barrel: 159 Liter) pro Tag.

Jedes vierte Kind stirb vor seinem fünften Lebensjahr

Auch wenn die Öl-Wirtschaft boomt, das Land versinkt im Massenelend: Die MPLA-Regierung unter dos Santos sei nicht in der Lage, die Bevölkerung zu ernähren oder die kranken Kinder im Land zu versorgen, beklagt die Opposition. Nach Angaben der UNO stirbt jedes vierte Kind, bevor es fünf Jahre alt wird, der zweitschlechteste Wert der Welt.

"MPLA" ("menos pão, luz e água"): "Weniger Brot, weniger Strom, weniger Wasser" - diesen Spruch, der den Parteinamen abwandelt, hört man immer wieder auf den Straßen Luandas, freilich hinter vorgehaltener Hand. Doch die MPLA ist entschlossen, an der Macht zu bleiben und überlässt dabei nichts dem Zufall. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahl-Termins durch Staatspräsident dos Santos begann die Regierungspartei landesweit mit der Mobilisierung tatsächlicher oder - wie Kritiker behaupten - bezahlter Anhänger.

"Unser Ziel ist es, alleine zu regieren"

Die Partei-Führung ist voller Zuversicht, die Wahl zu gewinnen. "Wir arbeiten daran, diese Wahlen mit absoluter Mehrheit und großem Vorsprung vor der Opposition zu gewinnen. Unser Ziel ist es, alleine zu regieren. Wir wollen keine Regierung der nationalen Versöhnung. So etwas haben wir nicht mehr nötig", fasst Fernando Tati, für Öffentlichkeitsarbeit zuständiger Funktionär der MPLA, die Ziele der Regierungspartei zusammen.

Zwei Männer bei der Minensuche in Angola (Quelle: PA/DPA)
Mehrere Jahrzehnte Bürgerkrieg haben das Land gezeichnet: Obwohl der Krieg seit 2002 zu Ende ist, sind Teile Angolas noch vermintBild: PA/dpa

Auf öffentlichen Plätzen wird immer wieder die Partei-Hymne gespielt. An vielen Stellen hängt die Landes-Flagge direkt neben der Partei-Flagge. Beide Fahnen sind praktisch identisch. Die Botschaft lautet: Wer gegen die MPLA stimmt, ist kein Patriot. Finanziert wird das alles aus staatlichen Mitteln. Gleichzeitig kontrolliert die MPLA den staatlichen Rundfunk und die Presse. Auf die wenigen unabhängigen Wochenzeitungen und Radiostationen wird ständig Druck ausgeübt. Außerhalb der Hauptstadt Luanda sucht man vergebens nach einer freien Presse oder unabhängigem Rundfunk.

Wahlgesetz wurde von der Regierung im Alleingang durchgeboxt

Und die Opposition? Der fehlt das Geld. Sogar die UNITA ("Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas"), die größte und am besten organisierte Oppositionspartei, wirkt ausgetrocknet. Sie beklagt sich immer wieder über die Arbeit der Nationalen Wahlkommission, die nicht unabhängig sei, sowie über das Wahl-Gesetz, das von der Regierungspartei quasi im Alleingang durchgeboxt worden sei. "Nehmen wir zum Beispiel Artikel 134 des Wahlgesetzes. Darin geht es um die Auszählung der Stimmen in den Wahllokalen: Stellen sie sich vor, in der Urne tauchen 500 Stimmen auf, im gesamten Wahl-Kreis sind aber insgesamt nur 250 Wähler registriert. Der Artikel des Wahlgesetzes besagt, dass in einem solchen Fall die Anzahl der Stimmen in der Urne zählt. Es darf doch nicht wahr sein, dass es ein solches Gesetz überhaupt geben kann", beschwert sich Adalberto da Costa Júnior, Pressesprecher der UNITA.

"Wir verfügen über keinerlei Mittel für unseren Wahlkampf"

Auch die anderen Oppositionsparteien wirken frustriert. Vor allem auf dem Lande sehen sie sich politisch motivierter Gewalt und Intoleranz von Sympathisanten der Regierungspartei ausgesetzt. Parteibüros von Oppositionellen werden angezündet, ihre Flaggen heruntergerissen und verbrannt. Auch Benjamim da Silva, Generalsekretär der ehemals mächtigsten, antikolonialen Bewegung FNLA ("Nationalfront für die Befreiung Angolas") verströmt keine Zuversicht: "Wir verfügen über keinerlei Mittel für unseren Wahlkampf. Nur mit Geld können wir die Menschen erreichen und mobilisieren. Aber das Regime hat uns enteignet und seit 1996 den Geldhahn abgedreht. Das bedeutet: In diesem Wahlkampf gibt es keine Chancengleichheit. Und solange diese Situation anhält, kann es keine gerechten Wahlen geben."

Die Regierungspartei MPLA zeigt sich von allen Protesten unbeeindruckt. Sie setzt ihre autoritäre Linie durch. Sie kann sich dabei auf die Unterstützung des Militärs, der Polizei und aller anderen staatlichen Organe verlassen. Das Ziel für den 5. September ist klar: Der MPLA soll eine Niederlage an den Urnen wie der Schwesterpartei ZANU-PF in Simbabwe auf jeden Fall erspart werden.