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Zwirner: "Warhol-Verkauf keine Überraschung"

Stefan Dege13. November 2014

Der Kunstexperte Rudolf Zwirner sieht kein Problem im Verkauf zweier Warhol-Bilder aus Spielbank-Besitz. Die Spekulation mit Museumsbeständen würde allerdings deren Ende bedeuten, sagt er im DW-Interview.

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Andy Warhols Werke Auktion Christie's
Bild: Reuters/Brendan McDermid

DW: Die öffentliche Hand verkauft Kunstwerke, um Haushaltslöcher zu stopfen. Darf sie das?

Rudolf Zwirner: Man sollte klar trennen zwischen Anschaffungen von wirtschaftlichen Unternehmungen, die zwar dem Staat gehören und Anschaffungen von Kunstwerken für Museen. Wird ein Kunstwerk von einem Museum erworben, darf es nie wieder auf dem Kunstmarkt angeboten werden.

Der Wiederverkauf der Warhol-Werke war ja nie ausgeschlossen. Dem hätte man schon damals beim Kauf einen Riegel vorschieben müssen, indem man gesagt hätte: Wenn die Warhols jemals verkauft werden, dann müssen sie einem Museum geschenkt oder zumindest angeboten werden. Das ist nie geschehen!

Das heißt: In der Vergangenheit hat man rechtliche und handwerkliche Fehler gemacht...

Sicherlich. Ich finde es erstaunlich, dass ein Casino ohne Protest in der Größenordnung Dekoration kauft - statt ein Großfoto von irgendwem für, sagen wir: zwei, dreitausend Mark. Was im Museum ist, muss unverkäuflich sein. Alles andere muss man beim Einkauf überprüfen. Macht es denn Sinn, dass ein staatliches Unternehmen so viel Geld ausgibt für Kunst?

Deutschland Messe Köln Art Cologne 2011. Foto: KölnMesse
Der Galerist Zwirner rief die Kölner Kunstmesse Art Cologne ins Leben

Warum ist es so wichtig, dass Museumsbestände für Verkäufe tabu sind?

Wenn wir anfangen, mit Steuergeldern spekulativ Kunst zu kaufen, um sie, wenn ihr Marktwert steigt, wieder zu verkaufen, verraten wir ihre kunsthistorische Bedeutung. Kunst muss der Kunstwissenschaft und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben, damit wir unser kulturelles Gedächtnis erhalten. Was denn sonst?

Nun schießen immer mehr Privatmuseen aus dem Boden: Verändert sich die Museumslandschaft?

Natürlich. Und das ist eine ganz gefährliche Situation. Die Privatmuseen existieren nicht immer und ewig, weil sie eben nicht öffentlich-rechtlich sind. Das Stiftungskapital kann zu Ende geben. Damit ist das private Museum am Ende. Nehmen Sie das wunderbare Museum meines Kollegen Beyerler in Basel: Die Beyerler-Stiftung hat erhebliche Probleme, ihre herausragende Sammlung am Leben zu erhalten. Sie mussten immer wieder Werke verkaufen. Jetzt ist ein Freundeskreis ins Leben gerufen worden, der hilft. Aber die große Gefahr ist doch, dass nicht garantiert ist, dass die Stiftung bleibt. Im Gegensatz zu öffentlichen Museen, zumindest in Europa.

In Amerika kann es passieren, wie in Pittsburgh oder Detroit, dass eine Museumssammlung plötzlich zur Gläubigermasse wird. Das ist nur verhindert worden, weil der Staat als Garantiegeber einsprang. So bleibt die Sammlung öffentlich im Museum. Das zeigt, welche Gefahr aufzieht, wenn die ungeheuren Vermögen, die in Museen stecken, wirtschaftlich genutzt werden.

Der deutsche Industrielle Peter Ludwig hat seine bedeutsame Sammlung ohne große Auflage den verschiedenen Museen, insbesondere in Köln, geschenkt. Und als ich mir neulich die Sammlung anschaute, habe ich sie eben mal auf drei bis vier Milliarden Euro geschätzt. Das ist natürlich eine verführerische Summe. Wenn wir da rangehen würden, ist das Ende der Museen vorprogrammiert. Aber so weit sind wir nicht. Gott sei Dank!

Rudolf Zwirner, Jahrgang 1933, eröffnete 1959 seine erste Galerie und wurde dann in den folgenden Jahrzehnten in Köln zu einem der wichtigsten Kunsthändler jener Zeit. Als einer der Ersten in Deutschland zeigte und verkaufte er Werke von Andy Warhol. 1992 hat sich Zwirner aus dem aktiven Galeriegeschäft zurückgezogen. Er lebt jetzt in Berlin.