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Zwischen Anpassung und Härte

23. März 2002

Die Aufarbeitung der Verbrechen während der Hitler-Zeit war und ist nicht nur ein wichtiges Thema in Deutschland. Auch in der neutralen Schweiz wird über schuldhaftes Verhalten während des Zweiten Weltkriegs diskutiert.

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Kommissionspräsident Jean-Francois BergierBild: AP

Auslöser für die Schweizer Vergangenheitsbewältigung ist der Bericht einer unabhängigen Historiker-Kommission. In diesem Bericht wird unter anderem die damalige Haltung der Schweiz gegenüber verfolgten Juden aus Deutschland verurteilt.

Zentrale Thesen

Mit der Abweisung jüdischer Flüchtlinge hat die Schweiz zum Tod von Verfolgten des NS-Regimes beigetragen – eine Verlängerung des Zweiten Weltkriegs kann ihr aber nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dies sind die beiden zentralen Ergebnisse des 600-seitigen Abschlussberichts der Historikerkommission, der am Freitag (23. März 2002) in Bern nach fünfjähriger Arbeit veröffentlicht wurde.

Die Schweiz habe ihre Grenzen geschlossen und aufgegriffene Flüchtlinge ihren Verfolgern übergeben, heißt es in dem Bericht. Viele Menschen seien so in den sicheren Tod getrieben worden. Die Politik der Schweizer Behörden habe dazu beigetragen, "das grausamste Ziel der Nazis zu verwirklichen, den Holocaust", erklärte der Präsident der Unabhängigen Expertenkommission "Schweiz - Zweiter Weltkrieg", Jean-Francois Bergier. Der Mut einiger Bürger sowie das Engagement weiter Kreise der Bevölkerung hätten diese offizielle Politik etwas gemildert.

Vereinbarungen mit den Nachbarländern

Kritisch betrachtet werden die Vereinbarungen der Schweizer Regierung und von Teilen der Privatindustrie mit Deutschland und Italien. Hierzu gehörten großzügige Kredite, die Duldung des Eisenbahntransits über die Alpen und der "Judenstempel" - seit 1938 wurden die Pässe deutscher Juden in der Schweiz mit einem "J" gekennzeichnet. Angeführt werden auch die Waffenlieferungen an den NS-Staat, die Beschäftigung von Zwangsarbeitern, Versicherungspolicen, die dem deutschen Staat und nicht den Anspruchsberechtigten ausbezahlt wurden, sowie der anrüchige Handel mit Gold und gestohlenen Waren. "Aus dieser Zusammenarbeit ging die Neutralität nicht völlig unbeschadet hervor", sagte Bergier.

Den im Vorwort zum Eizenstat-Bericht von 1997 erhobenen Vorwurf, dass die Schweiz mit ihren Dienstleistungen, Exporten und Krediten zur Verlängerung des Krieges beigetragen habe, konnte die Kommission nicht erhärten. Allerdings hätten einzelne Schweizer Unternehmen von der kriegsbedingt gesteigerten Nachfrage nach besonderen Gütern profitiert.

Reaktion der Regierung

Die Schweizer Regierung hofft, dass der vorgelegte Bergier-Bericht über die Verbindungen zwischen der Schweiz und Hitler-Deutschland eine breite öffentliche Debatte auslösen wird. In einer Erklärung der Regierung in Bern heißt es, die Konfrontation mit der Vergangenheit müsse die Schweiz für die Verpflichtungen gegenüber den Opfern von heute sensibilisieren. (fro)