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Zwischen den Zeilen

kas6. November 2002

Werber sind von Berufs wegen kreativ und wollen mit ihren Ideen Aufmerksamkeit erzielen. Dieser Botschaft folgen derzeit einige Zeitungsverlage besonders gern und experimentieren mit neuen Werbeformen.

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Zeitung als ÜberraschungspaketBild: dpa

Den Lesern der "Berliner Morgenpost" wurde vor kurzem auf der Titelseite "Ungewöhnliches" angekündigt. Doch damit nicht genug: Kaum hatten die Leser der "Morgenpost" das erste Zeitungsbuch durchgeblättert, hatten sie die Titelseite zum zweiten Mal vor sich. Ein Druckfehler?! Mitnichten! Der Auto-Hersteller Audi hatte auf der Titelseite eine Anzeige geschaltet, um auf das 20-seitige "Audi-Anzeigenbuch", das am selben Tag der "Morgenpost" und anderen großen Blättern beilag, hinzuweisen. So wurden die Zeitungsleser gleich doppelt daran erinnert, das "Buch" nicht einfach in den Papierkorb zu entsorgen.

"Sonderwerbeformen"

Es habe sich um ein "ganz spezielles Angebot der Anzeigenabteilung für die Kunden" gehandelt, sagt Carola Schmidt, Sprecherin des Axel-Springer-Verlags, zu dem die "Morgenpost" gehört. Vor einem Jahr hatte das Schwesterblatt der "Morgenpost", die überregionale "Welt", mit einer anderen Werbeform Pressegeschichte geschrieben. Für eine Anzeige des Onlineanbieters AOL ließ sich das Blatt auf der Titelseite blau einfärben. Die neuartigen Vermarktungsstrategien bei den Springer-Blättern sind kein Einzelfall: "Die Verlage gehen mit Sonderwerbeformen offensiver um", stellt Jochen Wilhelm von der verlegereigenen Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG) fest. Dies sei aber eine Entwicklung, die nicht nur durch die Krise im Anzeigengeschäft bestimmt werde.

Nach einer ZMG-Umfrage arbeiten über die Hälfte der befragten Zeitungsverlage inzwischen mit Anzeigen in der unteren Griffecke der Titelseite oder mit Anzeigen in besonderen Schattierungen ("Shadow-Print"). Mehr als 80 Prozent schalten "Insel-Anzeigen", die im redaktionellen Teil gestreut sind und so genannte Tunnelanzeigen, die links, rechts und darüber in redaktionellen Inhalten eingebunden sind. Solche Werbeformen dürften jedoch nicht überstrapaziert werden, sagt Wilhelm. "Man darf nicht zu weit gehen, die hohe Glaubwürdigkeit des Mediums Zeitung muss gewahrt bleiben".

Trennungsprobleme

Kollisionen können sich auch mit dem vom Deutschen Presserat festgelegten Ehrenkodex ergeben. Dieser schreibt vor, dass bei Printmedien "die Werbung für den Leser als Werbung klar erkennbar sein muss". Die Beschwerden über die Vermischung von Werbung und redaktionellem Teil häufen sich, wie der Geschäftsführer des Presserats, Lutz Tillmanns, berichtet. Im April dieses Jahres wurde zum Beispiel "Die Welt" gerügt, weil sie einen ganzseitigen Artikel über den notwendigen Flüssigkeitsausgleich beim Sport veröffentlichte, in dem eine Mineralwasserflasche einer Firma abgebildet war. Gleichzeitig wurde, wie das Selbstkontroll-Organ der deutschen Printmedien kritisierte, im redaktionellen Text an zwei Stellen auf das Produkt hingewiesen.

Neudeutsch: Couponing

Die "Bild"-Zeitung hatte vor einigen Monaten eine Rabatt-Aktion für Produkte von großen Firmen wie Tchibo oder Karstadt gemacht. Das war erst der Vorgeschmack: Nach Aufhebung des Rabattgesetzes sollen Couponanzeigen für die eigentliche Revolution im Anzeigenmarkt sorgen. Ende September kamen "Bild am Sonntag" und "Bild der Frau" erstmals mit einer Beilage, in der Coupons von Markenartikeln ausgeschnitten und dann im Einzelhandel mit Rabatten eingelöst werden konnten. Auch der Bauer Verlag und der Jahreszeiten-Verlag haben in Frauenzeitschriften mit dem "Couponing" gestartet.

Coupon-Marketing ist in den USA seit Jahrzehnten ein wichtiges Standbein im Werbemarkt. Über 200 Milliarden Rabatt-Coupons werden jährlich verteilt. Auch die ZMG sieht in dieser Werbeform beträchtliches Potenzial: "Es ist eine große Chance für die Zeitungen. Denn Couponing funktioniert nur in Printmedien", sagt Wilhelm. Optimistisch stimmt die Marketing-Gesellschaft auch eine von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung unter Verbrauchern: Danach halten 58 Prozent Coupons für eine gute Idee, bei jüngeren zwischen 14 und 29 Jahren sind es sogar 70 Prozent.