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Zwischen Hoffnung und Protest

Markian Ostaptschuk7. Mai 2012

Was denken junge Russen über die Zukunft ihres Landes unter dem alten neuen Präsidenten Putin? Dazu hat die DW in einem Videoblog Teilnehmer aus verschiedenen Teilen Russlands befragt.

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Zwei Studenten sitzen 2002 an einem Denkmal vor der Staatlichen Universität in Moskau und lesen. (Undatierte Aufnahme)
Studenten vor der Moskauer Lomonosow-UniversitätBild: picture-alliance/dpa

Über mehrere Monate hinweg hat die Deutsche Welle mit jungen Menschen aus Russland diskutiert. Im Rahmen des Projektes "Generation 2012" hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, ihre Sicht auf die Ereignisse in Russland und Europa zu schildern.

Die jungen Russen sind gespalten. Nach der Wahl Wladimir Putins zum Präsidenten, so glauben viele, sei die Zukunft des Landes für die nächsten sechs Jahre vorgezeichnet. Die politische und gesellschaftliche Entwicklung werde stagnieren.

Andere äußerten sich zufrieden, dass es keinen Machtwechsel in Russland gibt. Sie finden es gut, dass aus den oppositionellen Protesten gegen Fälschungen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen keine Revolution geworden ist.

Was ist von den Protesten übriggeblieben?

Die Meinungen über diese Frage gehen auseinander. "Die Menschen, die an den Demonstrationen teilgenommen und die Opposition unterstützt haben, sind wieder zu ihrem Alltag zurückgekehrt", stellt Julia Rubzowa aus Nowosibirsk fest. Alle würden nun abwarten, was weiter passiert, so die 24-Jährige, die im Bereich Web-Marketing tätig ist. "Aber es wird wohl kaum jemand mehr weiter kämpfen", glaubt sie.

Portrait von Julia Rubzowa
Julia Rubzowa: "Die Menschen sind zu ihrem Alltag zurückgekehrt"Bild: DW

Michail Schukow aus Jaroslawl kann sich durchaus vorstellen, dass die Staatsmacht durch ihr Verhalten weitere Proteste und Aktivitäten der Zivilgesellschaft provoziert. "Vielleicht", so hofft der 34-Jährige, wird die Regierung aber auch einen konstruktiven Dialog über die Entwicklung des Landes und der Gesellschaft führen". Entscheidend sei, so Schukow, was von den Protesten übrigbleibe, ob sich neue gesellschaftliche Vereinigungen bilden, die sich für die Bürger einsetzen. Mit baldigen Veränderungen im Leben der Menschen rechnet der Leiter eines Jugendzentrums aber nicht.

Portrait von Michail Schukow
Michail Schukow hofft auf einen Dialog zwischen Staatsmacht und ZivilgesellschaftBild: DW

Hoffnung auf weitere Chancen für die Opposition

Grundlegende Veränderungen unter Putin erwartet auch die Russin Julia Schaeffer nicht. Die 25-Jährige, die in Berlin Public Management studiert, meint deswegen, die Vertreter der Opposition sollten sich zusammensetzen und ein alternatives politisches Programm schreiben. "Vielen Wählern fehlt eine reale politische Alternative zum Putin-Regime. Ich wünsche mir, dass es für die Opposition und die Wähler in Zukunft wieder interessant wird, sich an Wahlen zu beteiligen, denn in den letzten Jahren war immer klar, wer gewinnt", so Schaeffer.

Portrait von Julia Schaeffer
Julia Schaeffer erwartet keine grundlegenden Veränderungen unter PutinBild: DW

Dass die Oppositionellen neuen Auftrieb bekommen, glaubt Alexander Gussew aus dem zentralrussischen Rschew. "Die Oppositionsbewegung wird wachsen, intelligente und erfolgreiche Menschen werden sich ihr anschließen. Moskau und St. Petersburg werden wie schon immer in der russischen Geschichte die Zentren des gesellschaftlichen und politischen Fortschritts sein", so der 24-Jährige Politikstudent.

Auch Pawel Mylnikow ist überzeugt, dass es in Russland keinen Stillstand geben wird. Die Konsequenzen aus den Entwicklungen des vergangenen halben Jahres seien nicht mehr aufzuhalten, auch nicht von Putin. "Putin wird sich nicht sechs Jahre im Amt halten, entweder wird er selbst vorzeitig abtreten oder man wird ihn verjagen", glaubt der 22jährige aus Smolensk, der Englisch und Deutsch studiert.

Portrait von Pawel Mylnikow
Pawel Mylnikow: In Russland wird es keinen Stillstand gebenBild: DW

Ähnlich sieht es Artjom Loskutow. Die oppositionellen Proteste seien eine erste Chance gewesen, die politische Situation zu beeinflussen. Der Kameramann aus Nowosibirsk ist sich sicher, dass die Russen "auf die nächste Chance nicht sechs Jahre werden warten müssen".

Erwartungen an Staatsmacht und Gesellschaft

Doch nicht alle jungen Leute setzen auf Protest. Dass aus den Demonstrationen keine Revolution geworden ist, darüber ist Anastassija Trubnikowa glücklich. "Ich denke, dass nach den Wahlen sowieso nichts mehr so sein wird wie früher", so die 22jährige aus Flensburg, die Europawissenschaften studiert. "Alles wird sich langsam verändern und in der richtigen Richtung", glaubt sie.

Portrait von Anastassija Trubnikowa
Anastassija Trubnikowa: "Gut, dass es keine Revolution gab"Bild: DW

Auch Michail Makarow ist optimistisch. Er findet es gut, dass es zu keinem Wechsel der Staatsmacht gekommen ist. "Vielleicht ist es gut, dass der Kurs fortgesetzt wird, der schon vor mehr als zehn Jahren eingeschlagen wurde", sagte der 31jährige Marketing-Fachmann aus dem südrussischen Schachty. "Das bedeutet nicht, dass jetzt eine Phase der Stagnation folgt."

Anderer Meinung ist Oleg Neumywakin aus Nowosibirsk. "Es wird keine positive Entwicklung geben. Wirtschaftliche und soziale Wunder sind von dieser Staatsmacht nicht zu erwarten", so der 26-Jährige. Er bedauert, dass keine neuen Leute an die Macht gekommen sind. "Wir haben das alles schon in den letzten 12 Jahren erlebt", so der IT-Fachmann. Seiner Überzeugung nach sind weder die Staatsduma noch der Präsident vom Volk gewählt: "Die Fälschungen waren so offensichtlich und zynisch, dass man von keiner Legitimation sprechen kann."

Portrait von Oleg Neumywakin
Oleg Neumywakin rechnet mit keiner positiven EntwicklungBild: DW

Die Erwartungen der jungen Leute an den alten neuen Präsidenten Putin sind höchst unterschiedlich. Aber die meisten Teilnehmer des Videoblogs der DW sind sich darin einig, dass die russische Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht.