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Hartz und Bin Laden

Christoph J. Heuer1. Februar 2007

Bei den ersten Berliner Sicherheitsgesprächen wagte man den Spagat zwischen Themen wie Terrorbekämpfung und moderner Unternehmensführung. Er missglückte.

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Podiumsdiskussion bei den Berliner Sicherheitsgesprächen (31.1.2007). Personen von links nach rechts: Klaus Jansen, Bundesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter Dr. Wolf R. Dombrowsky, Katastrophenforschungsstelle Christian Albrechts Universität Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Heinz Schulte, Chefredakteur Griephan Briefe Ilan Mor, Gesandter der Botschaft des Staates Israel Gunter Pleuger, UN Botschafter a.D. Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkorrespondent "Die Welt"
Auf dem Podium wurde zum Teil kontrovers diskutiertBild: DW/Christoph J. Heuer

Bereits die Überschrift auf dem Programm war nebulös: "Nationale Sicherheitsstrategie - hat Deutschland den Anschluss verpasst?" Welchen Anschluss sollen denn die versammelten Sicherheitsstrategen verpasst haben? Und mit wem will man sich messen lassen?

Antworten auf diese Fragen sollten die eingeladenen Experten am Mittwoch (31.1.07) in der Berliner Humboldt Universität geben. Es begann viel versprechend: Thomas Wandinger, Geschäftsführer der IAP GmbH, entwarf ein detailliertes Sicherheitsszenario für das Jahr 2015. "Wir haben es mit vier Megaprozessen zu tun: Die Erderwärmung, die Bevölkerungsentwicklung, Epidemierisiken und die gesellschaftliche Fragmentierung", erläuterte der Sicherheitsexperte und veranschaulichte mit seiner PowerPoint-Präsentation die Probleme. Zwar machte er deutlich, dass das Phänomen des internationalen Terrorismus vielerlei Ursachen hat, doch eine Antwort auf die Frage, wie dieser düsteren Zukunftsvision zu begegnen ist, blieb Wandinger schuldig. "Ich möchte Ihnen nur die Fakten präsentieren. Diese zu bewerten, ist Aufgabe der übrigen Referenten."

Mit Führungsethik Terrorismus bekämpfen?

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm bei den Berliner Sicherheitsgesprächen 2007 (31.1.2007)
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm warnt vor Terroranschlägen in DeutschlandBild: DW/Christoph J. Heuer

Diese begnügten sich mit Altbekanntem. Alle Teilnehmer bemängelten zwar, dass es an einer Langfriststrategie fehle. Doch anstatt sich an dem Entwurf einer solchen Strategie zu versuchen, stellte etwa der Brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) fest, dass Selbstmordattentäter eine neue Herausforderung seien. "Islamistische Terroristen werden auch in Zukunft versuchen, der Gesellschaft zu schaden", befürchtet der Politiker. Seine Lösung ist einfach: "Wenn Bürger in Not sind, muss der Staat für Sicherheit sorgen." Auch bei einer auf 30 Minuten begrenzten Redezeit hätte man sich etwas differenziertere Ausführungen gewünscht. Kann der Staat überhaupt für absolute Sicherheit sorgen? Wird die Gesellschaft nicht Opfer der eigenen Hysterie? Doch Schönbohm lächelte nur zufrieden und entschwand zum nächsten Termin.

Rainer Benne, Leiter der Konzernsicherheitsabteilung bei Porsche, wollte mit seinem Vortrag nicht so recht in die Veranstaltung passen. Seine abstrakten Ausführungen zu vorgelebter Führungsethik in Zeiten von Peter Hartz und Co. hatten mit der Suche nach einer nationalen Sicherheitsstrategie wenig zu tun. Vorwerfen kann man ihm dies allerdings nicht. Es sind der Bund Deutscher Kriminalbeamter, die Stiftung Kriminalprävention und das Unternehmen EMW Exhibition & Marketing Wehrstedt GmbH, die sich fragen sollten, warum man Herrn Benne überhaupt einlud.

"Keine Militarisierung der Inneren Sicherheit"

Etwas informativer war die anschließende Podiumsdiskussion. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), hegte Zweifel an den Erfolgsaussichten einer Militärstrategie: "Der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht militärisch zu gewinnen." Einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnt der Politiker ab. "Wir müssen die Polizeiarbeit stärken. Es darf aber keine Militarisierung der inneren Sicherheit geben."

Ein Soldat der Bundeswehr salutiert, während vor ihm die deutsche Fahne weht (aufgenommen am 23.4.2004 in Speyer).
Sollen Bundeswehrsoldaten auch im Landesinneren für Sicherheit sorgen?Bild: AP

Einen anderen Aspekt beleuchtete Prof. Dr. Wolf Dombrowsky von der Katastrophenforschungsstelle der Kieler Christian Albrechts Universität. Er warf die drastische Frage auf, was den Deutschen ihre demokratische Gesellschaft wert sei. "Den Deutschen ist ihre Mobilität jedes Jahr etwa 7000 Verkehrstote wert", erläuterte der Wissenschaftler. "Muss ihnen nicht mindestens diese Anzahl die Demokratie wert sein?"

Peinliches Ende

Ilan Mor, Gesandter der Botschaft des Staates Israel, weiß nur allzu gut, welchen Preis eine Gesellschaft zu zahlen hat, wenn sie Ziel von Terroristen wird. Erst am vergangenen Montag wurden bei einem Selbstmordanschlag im israelischen Badeort Eilat drei Menschen getötet. Mor verteidigte das Vorgehen Israels im Kampf gegen den Terrorismus. Zur Legitimation gezielter Tötungen von potentiellen Terroristen äußerte sich der Gesandte allerdings nur in einem Nebensatz. Bezeichnend war allerdings, dass er bei der Phrase "gezielte Tötung" mit seinen Fingern Anführungszeichen in der Luft machte.

Die Veranstaltung endete dann eher peinlich. Ein als "Dr. Meier-Töten" angekündigter Stand-up Comedian hielt ein Referat zum Fall Kurnaz. "Steinmeier sagt, er habe alles richtig gemacht. Doch was er gemacht hat, will er nicht sagen." Höfliches Gelächter. Viel lustiger wurde der Beitrag des Mannes mit der dickglasigen Brille und der wasserstoffblonden Perücke nicht. Noch während er versuchte, Guantanamo und Humor unter einen Hut zu bringen, verließen die ersten Diskussionsmitglieder den Saal. Ob sie im nächsten Jahr wiederkommen werden, ist mehr als fraglich.