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Zwischen Pressezensur und Stereotypen

28. Oktober 2010

Verhaftungen, Zensur, Gefängnis: Menschenrechtsorganisationen zeichnen ein düsteres Bild von der Pressefreiheit im Nahen Osten. Doch arabische Medienmacher haben auch einen kritischen Blick auf ihre westlichen Kollegen.

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Zeitungsleser in Kairo (Foto:ap)
Zeitungsleser in KairoBild: AP
Auf der Qantara-Konferenz in Berlin diskutierten Medienschaffende aus Europa und der arabischen Welt (Foto:DW)
Auf der Qantara-Konferenz in Berlin diskutierten Medienschaffende aus Europa und der arabischen WeltBild: DW

In einem sind sich westliche und arabische Medienmacher einig: Journalisten sollten Fakten checken, analysieren und objektiv sein. Doch als arabischer Journalist im Nahen Osten zu arbeiten ist kein leichter Job. Die arabischsprachige Tageszeitung "Al Qudis al Arabi" beispielsweise hat ihren Sitz in London. "Wir können im Nahen Osten keine Zeitung herausbringen", erklärt Chefredakteur Abdelbari Atwan. "In England genießen wir Pressefreiheit. In mehreren arabischen Ländern ist unsere Zeitung dagegen verboten", so Atwan. Auch die Website von Al Qudis wird dort geblockt.

Die Zeitung steht für einen Trend. Erst kürzlich hat die Organisation "Reporter ohne Grenzen" einen neuen Bericht vorgestellt. Wenn es um Pressefreiheit und Zensur geht, dann tummeln sich die arabischen Staaten auf den unteren Plätzen. Am besten schneidet der Libanon ab - auf Platz 78. Alle anderen Länder im Nahen Osten werden noch schlechter bewertet. Trotzdem müsse man differenzieren, wenn es um die Pressefreiheit in der arabischen Welt ginge, meint Michael Slackman, langjähriger Korrespondent der "New York Times" in der Region. Der Nahostexperte kennt auch viele Positivbeispiele. "Die ägyptische Zeitung Al-Ahram zum Beispiel ist für gewöhnlich eine verlässliche Quelle, nur nicht, wenn es um die eigene Regierung geht. Al-Jazeera wiederum ist höchst professionell, wobei sie nie kritisch über Katar berichten", meint Slackman.

Sendezentrale von Al Jazeera in Katar (Foto:ap)
Al Jazeera dürfte zu den professionellsten Medien im arabischen Raum gehörenBild: AP

Verbesserungspotenzial in Deutschland

Katar ist der Hauptsitz von Al-Jazeera. Der dortige Emir finanziert einen großen Teil der Aktivitäten des Senders. Seit 1996 ist Al-Jazeera zu empfangen – und hat seitdem viele Tabus gebrochen. Zum Beispiel hat der Sender einen eigenen Korrespondenten in Israel. Und: Al-Jazeera sorgte in der arabischen Welt für Aufsehen - mit professioneller, offener und staatsferner Berichterstattung. Areef Hijjawi ist der Programmdirektor von Al-Jazeera. Den Vorwurf, sein Sender berichte nicht kritisch über Katar, weist er zurück. "Die New York Times berichtet auch nicht über Katar. In Katar gibt es keine großen Geschichten zu holen. Also ist es gut, dass sie uns finanzieren, aber uns nicht diktieren, was wir sagen dürfen", so Hijjawi.

Wenn es um die bloße Freiheit der Presse geht, stehen deutsche Medien auf dem Index von Reporter ohne Grenzen deutlich besser da: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich Deutschland um einen Platz auf den 17. Rang vorgeschoben. Doch trotzdem gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial, wenn es um journalistische Standards wie Objektivität und Sorgfältigkeit geht.

Stereotypen statt Analysen

Ute Schaeffer
DW-Expertin Ute SchaefferBild: DW

Das sehen auch viele deutsche Journalisten so. Dies zeige sich vor allem, wenn es um die Berichterstattung über die islamische Welt geht. "Die Art, wie wir mit dem Thema Muslime oder Integration der Muslime umgehen, ist ein großer Test dafür, wie ernst wir es mit journalistischen Standards nehmen", so Ute Schaeffer, Leiterin der Afrika- und Nahostprogramme der Deutschen Welle. "Wenn wir das in Zukunft nicht besser machen, dann stacheln wir die öffentliche Diskussion an, und die Medien machen sich zum Teil eines Teufelskreises der Provokation".

Experten machen vor allem den hohen Aktualitätsdruck in vielen deutschen und europäischen Medien verantwortlich. Gerade bei komplexen Themen seien Einordnung und Analyse nötig. Doch die komme oft zu kurz, so der Nahost-Spezialist Yassin Musharbash von Spiegel Online, einem der größten deutschen Online-Portale. "Natürlich verkaufen sich brandaktuelle Themen besser, aber dann sehe ich immer wieder, wie groß die Nachfrage nach Backgrounds ist. Ich glaube, die Leser wollen das", meint Musharbash.

Persönliches Wissen nötig

Background-Geschichten vermisst er aber nicht nur in den deutschen Medien, auch im Nahen Osten würde viel zu wenig über die Hintergründe geschrieben, so Musharbash. Ayse Karabat, Kolumnistin bei der Zeitung "Todays Zaman" in Istanbul, sieht einen Ausweg. Sie glaubt, dass es zu einem regeren Austausch zwischen Journalisten weltweit kommen muss.

Autorin: Diana Hodali
Redaktion: Thomas Latschan/Olja Ebel