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Zwischen Rivalität und Partnerschaft

Viktoria Kleber, Washington9. Juli 2014

Jahrzehntelang war Chinas Aufstieg im Interesse der USA. Nun fordert China Amerika im chinesischen Meer heraus. Nicht nur dieser Konflikt zeigt, dass die beiden Staaten stark voneinander abhängig sind.

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China USA Gipfeltreffen Barack Obama und Xi Jinping Foto: Reuters / Jason Reed
Bild: Reuters

Als Präsident Obama Ende Mai erklärte, dass Amerika auf der Weltbühne die Führung übernehmen müsse, weil es sonst keiner täte, kam prompt eine Antwort aus Peking. "Es scheint, als würde Amerika seine Rolle als Weltherrscher wirklich genießen", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Qin Gang, sarkastisch.

Dieser Kommentar ist symptomatisch für die aktuelle chinesische Politik, die die USA verunsichert. "Amerika stellt sich schon länger die Frage, ob China das jetzige internationale Mächtegleichgewicht unterstützt, oder ob es Änderungen anstrebt, die nicht im Interesse Amerikas sind", sagt David M. Lampton, Professor und Direktor für China Studien an der Johns Hopkins University in Washington DC. Als Amerika unter Präsident Nixon vor rund 40 Jahren auf China zuging, um das Land als Verbündeten gegen die Sowjetunion zu gewinnen, ging man eher von einer beruhigenden Annahme aus: Wenn China aufsteigt, hat es Interesse, die Weltordnung, unter der es groß geworden ist, zu stützen und dessen Spielregeln zu beachten. "Heute herrscht eine große Ungewissheit darüber", sagt David M. Lampton.

Geopolitische und militärische Rivalitäten

Grund dafür sind geopolitische und militärische Rivalitäten. China hat in den vergangenen Monaten mehrfach seinen Anspruch auf Inseln und Gebiete im Süd- und Ostchinesischen Meer deutlich gemacht, hat Tiefseeplattformen dorthin verlegt oder Fischer- und Kampfboote in die Gebiete geschickt. Hier werden große Mengen an Rohstoffen vermutet. Mit Japan und den Philippinen erheben auch Verbündete der USA Anspruch auf die Gebiete. "Das ist nicht in Amerikas Interesse", sagt David M. Lampton. "Die USA werden so in den Konflikt hineingezogen." Die Washington Post brachte es jüngst auf diesen dramatischen Nenner: "Chinas Aufstieg und die Spannungen in Asien bringen die Beziehungen zu Amerika in eine Abwärtsspirale."

Die Auseinandersetzungen im Chinesischen Meer haben die Wirtschaftsbeziehungen bisher kaum beeinflusst, zu wichtig sind sie für beide Länder. China braucht Amerika und Amerika braucht China. 1,4 Billionen Dollar haben China und Hongkong laut amerikanischem Finanzministerium der US-Regierung geliehen, damit ist China der größte ausländische Geldgeber der USA. Ohne China hat Amerika keinen Zugang zu Kapital. Und China ist auf die Stabilität des Dollars angewiesen: Rund ein Drittel der chinesischen Währungsreserven sind US-Staatsanleihen. "Die Frage, wer stärker von wem abhängig ist, stellt sich nicht", sagt David M. Lampton. "Wir sitzen beide im selben Boot."

Chinesische Ölplattform im Ostchinesischem Meer Foto: dpa
China hat eine Reihe von Tiefseeplattformen ins ostchinesische Meer verlegtBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Im Wettbewerb um die stärkste Volkswirtschaft

Und dennoch dominiert Wettbewerb das wirtschaftliche Verhältnis. Eine Studie im Auftrag der Weltbank sagt voraus, dass China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt noch in diesem Jahr überhole. Doch die Autoren legten der Studie nicht das absolute Bruttoinlandsprodukt zugrunde, sondern die Wirtschaftsleistung unter Berücksichtigung der Kaufkraft. Damit lässt sich schätzen, wie viel mit der gleichen Summe an Geld in verschiedenen Ländern gekauft werden kann. David M. Lampton glaubt nicht an die wirtschaftliche Übermacht von China. Die nicht bereinigten Zahlen, also das absolute Bruttoinlandsprodukt, sprechen dagegen. Demnach liegen die Vereinigten Staaten als Volkswirtschaft immer noch weit vorn. In den USA sollen dieses Jahr Waren und Dienste für 17,5 Billionen Dollar erwirtschaftet werden, in China lediglich für 10,6 Billionen. Damit ist die USA weiterhin die größte Volkswirtschaft der Welt.

"China steht wirtschaftlich vor enormen Problemen", sagt Lampton, der zuletzt das Buch "Following the Leader" über Chinas Mächtige veröffentlicht hat. "Die Gesellschaft altert enorm, es gibt kaum Immigranten und der Wirtschaft fehlen Innovationen." Auch die USA stünden vor Schwierigkeiten, aber die seien lange nicht so unüberwindbar wie die der Chinesen. "Um den Aufstieg Chinas", sagt er, "wird manchmal ein zu großer Hype gemacht."

China als Partner für globale Probleme

Auch das Thema Wirtschaftsspionage birgt großes Konfliktpotenzial. Laut einem Bericht der amerikanischen Sicherheitsfirma Mandiat, der dem amerikanischen Kongress vorliegt, haben Chinas Behörden seit 2006 auf mindestens 141 amerikanische Unternehmen einen Hackerangriff ausgeübt. Betroffen waren Unternehmen aus Branchen, die China als strategisch bedeutsam für sein Wachstum ausgewiesen hat, zum Beispiel Energie-, Stahl- und Rüstungsunternehmen. "Die Amerikaner sind sehr besorgt, dass China weiterhin geistiges Eigentum stiehlt", sagt Lampton. "Das trifft den wirtschaftlichen Wettbewerb schwer." Doch auch die Chinesen werfen den Amerikanern nach den Enthüllungen von Edward Snowden Spionage vor.

Auf politischem Gebiet hingegen gibt es eine Reihe von gemeinsamen Interessen. Amerika will mit China Lösungen für die aktuellen, globalen Herausforderungen finden. "Die Beziehungen zwischen Amerika und China sind die folgenstärksten bilateralen Beziehungen der Welt", sagt Kenneth G. Lieberthal, Professor für China-Politik und leitender Wissenschaftler am Brookings Institut in Washington DC. Wenn die USA und China an einem Strang ziehen würden, dann würden die Probleme der Welt lösbar. Die beiden Länder haben gemeinsame Interessen beim Kampf gegen den Klimawandel und gegen globale Terrornetzwerke und kooperieren bei den Atomgesprächen mit dem Iran. "In den letzten fünf Jahren hat sich die Zusammenarbeit in die richtige Richtung bewegt", sagt Lieberthal. "Meine Befürchtung ist nun, dass die Dinge im chinesischen Meer zu emotional angegangen werden und die Fähigkeit verloren geht, die Konflikte pragmatisch zu lösen."

Kenneth G. Lieberthal Foto: Viktoria Kleber, DW
Kenneth G. Lieberthal, Professor für China-Politik, glaubt, dass die Probleme der Welt zu lösen sind - wenn die USA und China an einem Strang ziehenBild: Brookings Institut

Beim amerikanisch-chinesischen Strategie- und Wirtschaftsdialog (09./10.07.2014), zu dem der amerikanische Außenminister John Kerry und Finanzminister Jacob Lew nach Peking gereist sind, bietet sich die Gelegenheit Lösungsansätze für den Konflikt im Chinesischen Meer finden. Wie diese aussehen, wird auch darüber Auskunft geben, ob China die USA als führende Weltmacht weiterhin akzeptiert.