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Zwischen Spielberg und Debütfilm

23. April 2010

Er ist einer der meistgefragten Schauspieler Deutschlands. Ob international oder vor heimischen Fernseh- und Filmkameras, Hanns Zischler hat schon in über 150 Filmen mitgespielt.

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Porträt Hanns Zischler (Foto: picture alliance)

Hanns Zischler scheint unermüdlich. Er steht vor den Kameras, für große Rollen im Kino ebenso wie für Nebenrollen im Fernsehen. Über Kafka, Joyce und Borges hat Zischler, der so gar nicht dem Klischee eines Schauspielers entspricht, schon Bücher geschrieben. Dazu liest er Romane für Hörbücher. Früher war er auch als Regisseur aktiv. Gerade hat er in einem Kölner Vorort eine kleine Rolle im deutschen Debütfilm "Bastard" übernommen. Dort spielt er einen gefühlskalten Vater, dessen Sohn in eine Spirale aus Gewalt gerät. Wir trafen Hanns Zischler zum Gespräch.

Geistesgegenwart beim Drehen

DW-WORLD.DE: Was macht Ihnen beim Drehen eigentlich am meisten Spaß?

Hanns Zischler: Es ist eigentlich die Erfindung und Aufstellung von Geistesgegenwart, die erforderlich ist, um eine Szene glaubwürdig zu machen. Das heißt, diese Geistesgegenwart muss immer neu hergestellt werden. Es gibt ja dann keine Entschuldigung, wenn es nicht gelungen ist.

Darsteller am Set von Bastard: Martina Gedeck, Antonia Lingemann und Hanns Zischler (Foto: Jochen Kürten/DW)
Mit Martina Gedeck und Antonia Lingemann beim Dreh von "Bastard"Bild: DW

Welche Geistesgegenwart war denn zuständig für Ihren aktuellen Dreh in Köln?

Für diesen Dreh ist vielleicht entscheidend, eine schon extreme Gefühllosigkeit zu entwickeln, zu einem Kind. Also dieses Kind als Objekt zu betrachten. Das mit einer unglaublichen Gefühlskälte darzustellen, die nur unzureichend überdeckt wird von Reichtum.

Was führt dazu, dass Sie als vielbeschäftigter Schauspieler auch bei Debüts spielen und dann in kleinen Rollen. Worin liegt da der Reiz?

Also ich finde, es ist nicht so sehr wichtig, ob eine Rolle klein oder groß ist. Das ist nicht so sehr der Punkt, sondern ob sie glaubwürdig ist. Ob man sie schon beim Lesen (des Drehbuchs) nachvollziehen kann. Und wenn das der Fall ist, dann bin ich immer dafür, Debüt-Filme zu unterstützen. Auf jeden Fall. Wobei ein Debüt-Film mit einer Million... Das ist natürlich schon ein bisschen mehr als ein Debüt, es ist Debüt de Lux.

Fundamentaler Unterschied zu Früher

Ist es bei Debüts auch reizvoll, mit besonders enthusiastischen Regisseuren zusammenzuarbeiten?

Reizvoll ist es, einen Unterschied zu früher festzustellen. Die heutigen jungen Filmemacher sind viel stärker informiert über das, was das Fernsehen will und was das Kino macht. Was die einzelnen Sparten sind. Wie man sich da richtig dazu verhält. Das ist ganz anders als früher, also Ende der 60er Jahre oder Anfang der 70er Jahre. Damals ging man primär vom Kino aus. Das Fernsehen war da etwas ganz anderes. Man hatte das Kino im Kopf. Und das gibt es in dieser Form nicht mehr. Man denkt heute immer das Fernsehen mit. Das war damals undenkbar.

Hanns Zischler in einer Szene aus "Im Laufe der Zeit" mit erhobenen Händen, dahinter Skulptur (Foto: Kinowelt)
Traumrolle bei Wim Wenders: Hanns Zischler in "Im Laufe der Zeit"Bild: Kinowelt

…also zum Beispiel bei Wim Wenders oder Rudolf Thome, mit denen Sie viel gearbeitet haben?

Das hatte mit dem Fernsehen nicht das Geringste zu tun. Weil: Das Fernsehen ist "Briefmarke". Das Fernsehen hat - vom Format her und in der Machart - traditionellerweise mit dem Kino nichts zu tun. Das hat sich geändert.

Inwiefern ist das bei Ihnen - ganz konkret – während des Drehs am Set unterschiedlich? Die Kamera steht doch genauso beim Fernsehen wie beim Kino vor Ihnen, Sie spielen, Sie sprechen

Es gibt einen Unterschied, der mich vielleicht im Spiel nicht unmittelbar berührt. Beim 35mm-Film ist eine größere Sorgfalt da und das Bild ist besser. Der Film wird auf 35mm gedreht! Bei elektronischen Aufzeichnungen wird es schon schwieriger, denn da ist man viel näher am Fernsehen. Und eine besonders kleine Kamera ist für mich eher irritierend gewesen am Anfang, jetzt nicht mehr so sehr. Also, ich brauche zumindest dieses Technische gegenüber. Das kann schon massiv sein, aber das bestärkt einen auch selbst.

Das wichtigste beim Film: Das Licht

Sie spielen auch international, und da werden auch große Kameras, zumindest bei den Filmen, die Sie gedreht haben, benutzt. Steven Spielberg oder Istvan Szabo. Kann man überhaupt einen Unterschied als Schauspieler definieren? Wie sind da Ihre Erfahrung, in Deutschland und im Ausland?

Ja, es gibt logistische Unterschiede natürlich, dass das Team viel größer ist. Dass die Aufgabenverteilung bei internationalen Filmen meistens noch sehr viel effizienter ist. Der entscheidende Unterschied ist allerdings das Licht! Und das Licht ist in diesen großen Produktionen eben einfach das "Ein und Alles".

Carl (Ciaran Hinds, l-r) steigt in ein Auto zu Hans (Hanns Zichler) und Robert (Mathieu Kassovitz) in einer Szene von Spielbergs Film "München" (Foto: picture alliance/ dpa)
Zischler in "München" von Spielberg

Sie meinen, weil bei internationalen Filmen alles ausgeleuchtet werden kann?

Ja, oder eben auch drauf verzichtet werden kann. Ich habe bei Spielberg nie eine Lampe gesehen. Die war immer außerhalb.

Das ist aber dann eine Frage der Finanzierung, des Budgets?

Ja, es ist auch eine Frage der Finanzierung. Es ist aber auch eine Frage, welche Ästhetik man will. Oder welche Ästhetik man als der Sache entsprechend begreift. Es gibt nicht sehr viele Leute, die wirklich ernsthaft darüber nachdenken. Jean-Luc Godard hat zum Beispiel in dem Film "Allemagne 90 Neuf Zéro", der für mich sehr wichtig ist, keine einzige Lampe verwendet. Kein Kunstlicht. Nichts. Alleine dafür hat er vier Wochen Vorbereitungen gebraucht, viele Tests. Also, das sind Extreme, aber das sind Extreme, die nur wichtig sind, weil sie eine bestimmte Ästhetik implizieren. Das ist Kino. Das Fernsehen interessiert so etwas nicht.

Das Gespräch führte Jochen Kürten

Redaktion: Conny Paul