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Technik und Politik

16. März 2010

Sie ist die größte Bildungsmesse Deutschlands und hat mit über 800 Ausstellern wieder alle Rekorde gesprengt. Doch auf der Didacta werden nicht nur neue Trends gesetzt, sondern auch bildungspolitische Themen erötert.

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Der Schriftzug "didacta" wird auf eine digitale Tafel geschrieben (Foto: Koelnmesse)
Kreide ist out - Technik ist inBild: Koelnmesse

Kein Messestand ohne Whiteboard, Touchscreen oder Beamer: Überall flimmern die Wände, dazwischen preisen die Moderatoren der Schulbuchverlage lautstark ihre neusten Softwareprogramme an. Diese sollen den Schülern das Lernen erleichtern. Sonderschullehrer Stefan Fengler wirkt da schon wie ein seltener Vogel: Er sucht mit einigen seiner Schüler nach Büchern für den Unterricht. Aber nicht etwa, weil er sich für die neue Technik nicht interessieren würde, ganz im Gegenteil. Technisch seien sie gut ausgerüstet, sagt er. "Auf sechs Schüler kommen drei Computerplätze, die auf dem neusten Stand sind." Mit der Software ist er sehr zufrieden. Während die Schüler am Computer selbständig arbeiten, habe er Zeit, auf einzelne Schüler intensiver einzugehen.

Das Ende der Kreidezeit

Besucher der didacta (Foto: dpa)
Trotz E-Learning: Bücher sind noch immer gefragtBild: picture alliance/dpa

Genau dazu ist die neue Technik da. Sie soll den Lehrern den Unterricht erleichtern und Schülern helfen, per Computer aufzuarbeiten, was sie nicht verstanden haben. "Das Ende der Kreidezeit", so wirbt einer der Hersteller mit seinem Whiteboard, der digitalen Tafel. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Viele Kollegen, so weiß ein interessierter Lehrer, scheuten den Einarbeitungsaufwand. Sie hätten Sorge, dass sie vor lauter Bedienungsanleitungen gar nicht mehr wüßten, was sie den Schülern eigentlich beibringen wollten.

Auch Fengler gibt zu, dass zum eigentlichen Unterricht durch die neuen Medien eine Menge Buchführung hinzukomme. "Der Arbeitsaufwand ist höher, weil noch mehr geschrieben und verwaltet werden muss, um den Lernfortschritt zu dokumentieren." Der Lehrer ist nicht nur Pädagoge, sondern auch Buchhalter: Die Rolle ändert sich im Zeitalter von E-Learning. Unverzichtbar - wie so manch provozierender Artikel in den Medien nahelegt - werden Lehrer dadurch aber noch lange nicht.

Missbrauch an Schülern ist auch Sache der Bildungspolitik

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (Foto: dpa)
Bildungsministerin Annette Schavan lobt den LehrerberufBild: picture alliance/dpa

Wie wichtig Lehrer sind, betonte Bildungsministerin Annette Schavan bei der Eröffnung der Didacta. Eltern müssten "Vertrauen in Lehrer und pädagogische Einrichtungen haben können", so Schavan. Damit spielte sie auf ein Thema an, das derzeit viele Gemüter in Deutschland erregt. In letzter Zeit sind immer mehr Missbrauchsfälle gegenüber Kindern in Schulen und kirchlichen Einrichtungen öffentlich bekannt geworden.

Kinder dürften nicht gedemütigt werden und das sei nicht nur Aufgabe der pädagogischen Einrichtungen, sondern auch ein Thema von Nähe und Distanz in der Erziehung, meinte die Ministerin. "Man merkt, wie schal eigentlich die ganzen technokratischen Bildungsdiskussionen sind, wie schal es ist über Struktur und Organisation zu reden und wie sehr bildungspolitsche Diskussionen tiefer ansetzen müssen." Den Lehrerberuf lobte Annette Schavan als den schönsten, ältesten und zugleich wichtigsten Beruf.

Jeden Morgen Lehrerproteste

Doch während die Bundesbildungsministerin schöne Worte für das Engagement und den Beruf der Lehrer fand, ging es vor den Toren der Didacta doch um ein "technokratisches" Bildungsthema. Da stand eine kleine Gruppe von Lehrern mit Plakaten und protestierte gegen ungleiche Löhne. Und das wollen sie jeden Morgen tun, solange die Didacta läuft.

"Erst Lehrerschwemme ohne Lohn, dann Lückenfüller zum Dumpinglohn", war auf den Transparenten zu lesen. Deutschland leidet unter Lehrermangel. Das war nicht immer so. Gesamtschullehrerin Marlis Zemke gehört zu der Lehrergeneration, die zehn Jahre auf ihre Stelle warten mußten, weil es in den 1980er Jahren zu viele Lehrer gab. Deshalb bekommt sie heute weniger Geld. "Ich erlebe es auch bei Kollegen, die jetzt neu eingestellt werden, die über den zweiten Bildungsweg kommen, die bereits beruflich anderweitig gearbeitet haben und nun eine Lehrerqualifikation haben, dass die mit ganz bescheidenen Gehältern anfangen müssen, obwohl sie oft schon Familien zu versorgen haben." Das macht den Schritt zur Weiterbildung oder Umschulung nicht gerade schmackhaft. Dabei gehört die Weiterbildung neben E-Learning zu den zentralen Themen der Didacta und auch die Bundesbildungsministerin weiß, dass Deutschland in puncto Weiterbildung gegenüber anderen europäischen Ländern noch einiges aufholen muss.

Autorin: Gaby Reucher
Redaktion: Petra Lambeck