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Im Kino: "Jackie"

Jochen Kürten
25. Januar 2017

Es ist das eindrucksvolle Porträt einer faszinierenden Frau. Der Spielfilm "Jackie" zeigt die trauernde Präsidenten-Witwe Jacqueline Kennedy unmittelbar nach dem Attentat. Regie führte der Chilene Pablo Larraín.

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Film Jackie
Bild: picture-alliance/Zuma/Fox Searchlight Pictures

Als "Jackie" im September 2016 bei den Filmfestspielen in Venedig Weltpremiere feierte, gab es nach der Vorstellung Ovationen für die alles überstrahlende Hauptdarstellerin Natalie Portman und für Regisseur Pablo Larraín. Am Ende gab es dann zwar auch einen Preis für "Jackie", aber diesen nahm weder die israelisch-amerikanische Schauspielerin noch der chilenische Regisseur entgegen.

Silberner Löwe fürs Drehbuch

Es war der New Yorker Fernsehproduzent und Drehbuchautor Noah Oppenheim, der für seine literarische Vorlage zu "Jackie" einen Silbernen Löwen für das beste Drehbuch mit nach Hause nehmen durfte. Die eigentliche Überraschung hatte es aber schon im Vorfeld der Dreharbeiten gegeben. Dass ausgerechnet ein Chilene dieses ur-amerikanische Trauma des 20. Jahrhunderts verfilmen sollte, damit war nicht zu rechnen.

Kein typisches Bio-Picture à la Hollywood

Aber vielleicht hatte es dieses Blicks von außen bedurft,  um aus dem Stoff einen interessanten und sehenswerten Film zu machen. Denn ein gängiger opulenter Hollywood-Streifen ist "Jackie" nicht geworden - womit man ja bei diesem Thema durchaus hätte rechnen können. Der Film startete nach seiner Venedig-Premiere im Dezember in den US-amerikanischen Kino und kommt nun auch nach Deutschland. 

Deutschland Frauen der 60er und 70er Jahre Ausstellung Museum The Kennedys Berlin
Historisches Vorbild: die "echte" Jacqueline Kennedy 1963Bild: S. Shapiro/via Museum The Kennedys Berlin

"Wir alle kennen die Geschichte der Ermordung John F. Kennedys", sagt Larraín, "aber nicht aus der Perspektive seiner Frau." Das war die Ausgangsidee des Regisseurs. Zu fragen, was "beide" nach dem Attentat vom November 1963 erlebt haben, die Mode-Ikone und Präsidenten-Witwe, aber auch die Privatperson und Trauernde: "Was hat sie in den Tagen danach durchgemacht? Als sie in Trauer versank, die verstörten Kinder an ihrer Seite, die Augen der Welt auf sie gerichtet?"

"Eine Königin ohne Krone"

"Jackie war eine Königin ohne Krone, die ihren Thron und ihren Mann verloren hatte", so der Regisseur. Die Konsequenz, die der Chilene daraus gezogen hat, ist die nun vorliegende, sehr konzentrierte Beschränkung auf die Innenperspektive der Hauptfigur.

Ein paar Tage nach dem Attentat befragte sie der Reporter des People-Magazins "Life" nach ihrer Seelenlage. Dieses Interview und die Rückblenden stehen nun gleichberechtigt neben den Szenen, die die schockierte und traumatisierte Witwe nach der Bluttat zeigen. Sie alle eint, dass praktisch ohne Pause die Schauspielerin Natalie Portman in der Titelrolle zu sehen ist. Das verleiht dem Film Dichte und Konzentration.

Internationale Filmfestspiele von Venedig - Film Jackie - Natalie Portman
Natalie Portman als Jackie KennedyBild: Venice International Film Festival/Foto: William Gray

"Die stilsichere, kultivierte, beliebte Jacqueline Kennedy gehörte zu den am meisten fotografierten Frauen des 20. Jahrhunderts. Trotzdem wissen wir nur wenig über sie", resümiert Larraín. Die "introvertierte, undurchdringliche Frau" sei wahrscheinlich "die bekannteste Unbekannte der Moderne." Ihm habe der Gedanke gefallen, dass niemand heute wisse, "wie sie wirklich war - ihre Aura, das Glitzern in ihren Augen werden wir nie kennenlernen." Das Ergebnis habe seiner Meinung nur ein Film sein können, "der aus Fragmenten besteht, aus Erinnerungsschnipseln, Assoziationen, Orten, Bildern, Menschen."

Ein spezifischer Blick auf das Thema

Pablo Larraín hatte 2015 für seinen düsteren Film "El Club" bei der Berlinale einen Silbernen Bären mit nach Hause nehmen können. In "El Club" beschäftigte sich der Chilene mit dem Thema sexueller Missbrauch durch Priester. Aber auch hier wählte er einen überraschenden Zugang.

Chilenischer Reggiseur Pablo Larrain
Regisseur Pablo Larraín Bild: DW/E. Usi

Anders als etwa im Oscar-preisgekrönten US-Film "Spotlight" machte er aus dem Thema keinen spannenden Genrefilm, sondern das Psychogramm eines Täterkreises: "El Club" zeigt ausschließlich ein paar ehemalige Priester, die von der Kirche wegen dieser Verbrechen an Kindern in einem abgelegenen Haus isoliert werden. Ein düsterer, aber konsequenter Film.

Auf "Jackie" folgt "Neruda"

Zuvor hatte der Chilene, der als einer der interessantesten und aktivsten lateinamerikanischen Filmemacher gilt, nach seinem Debüt im Jahre 2006 drei Filme gedreht, die sich der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet näherten.

Pablo Larraín ist derzeit in einer Art Schaffensrausch. Nach "Jackie" konnte er schon wieder ein neues Werk bei einem großen Filmfestival präsentieren. Mit seinem eindrucksvollen Politiker/Schriftsteller-Portät "Neruda" eröffnete Larraín das 31. Filmfestival in Mar del Plata (Argentinien). Wieder nimmt sich der Regisseur eine Ikone der Zeitgeschichte vor: den chilenischen Dichter und Nationalhelden Pablo Neruda.

Filmszene Neruda
Luis Gnecco als Pablo Neruda in Pablo Larraíns neuestem Film Bild: AZ Films

"Neruda" kam in den USA nur ein paar Tage nach "Jackie" in die Kinos. In Deutschland ist der Film, Larraín stärkster bisher, Ende Februar zu sehen. Dann kann auch der deutsche Zuschauer einen Blick auf diese lateinamerikanische Ikone werfen, zunächst aber darf er sich mit "Jackie" beschäftigen.