1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Mirjam Gehrke17. August 2009

Vor einem Jahr trat der ehemalige paraguayische Bischof Fernando Lugo das Amt des Staatspräsidenten an. Nach 12 Monaten fällt eine erste Bilanz seiner Regierung gemischt aus.

https://p.dw.com/p/JCuH
Am 15. August 2008 trat Präsident Fernando Lugo sein Amt anBild: AP

Wahlversprechen, Visionen von einer besseren Zukunft, gute Absichten sind das eine – die politische und wirtschaftliche Realität das andere. Diese Erfahrung hat Fernando Lugo in den letzten 12 Monaten vielfach machen müssen. Angetreten war der ehemalige Bischof als Hoffnungsträger der Armen, der Kleinbauern und Landlosen. Ihm kam die Rolle zu, die über 60jährige Vorherrschaft der konservativen Colorado-Partei zu beenden. Doch aus der Opposition heraus machen es die colorados Lugo schwer, sein Regierungsprogramm umzusetzen. Teilweise haben die Konservativen im Parlament sogar Lugos Koalitionspartner, die "Authentische Liberal-radikale Partei" (PLRA) auf ihre Seite gezogen und gegen den Präsidenten stimmen lassen.

Erste Erfolge

Lugo war angetreten mit dem Anspruch, das korrupte Land von Grund auf zu säubern und die Armutsrate von mehr als 40 Prozent zu senken. Er versprach ein "sozial gerechtes Paraguay" zu schaffen, "in dem nie wieder Ungleichheit herrscht". Eine Herkulesaufgabe, deren Lösung zu mindest nicht kurzfristig zu haben ist. Immerhin hat Lugo die kostenlose Gesundheitsversorgung und Schulbildung für die Ärmsten eingeführt. Für mehr als 40.000 Familien gibt es jetzt Sozialprogramme. Doch die Reformen gehen seinen Anhängern nicht schnell genug: Die indigenen Minderheiten, die Obdachlosen und die verarmte Landbevölkerung protestieren fast täglich lautstark in der Hauptstadt Asunción, blockieren Straßen und verlangen schnellere Veränderungen. Seine Zustimmung liegt aktuellen Umfragen zufolge bei rund 40%.

Parlamentsgebäude in Asuncion Paraguay
Im Parlament in Asunción muss die konservative Colorado-Partei jetzt die harten Oppositionsbänke drückenBild: AP

Um der Korruption in Paraguay die Stirn zu bieten, sind unter der Regierung Lugo die Führungspositionen in den öffentlichen Ämtern, der Justiz und dem Militär neu besetzt worden. Doch gibt es noch viele Mitarbeiter, die jahrelang von dem korrupten System der Coloradopartei profitiert hatten.

Lugo treibt besonders die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen während des Regimes von Diktator Alfredo Stroessner (1954-1989) voran. So wurde der ehemalige Innenminister Sabino Augusto Montanaro (86) wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt.

Linke Außenpolitik

Außenpolitisch setzt Lugo auf gute Kontakte zu den populistisch-sozialistischen Präsidenten der Region. Dabei geht er in einigen Punkten jedoch deutlich auf Distanz zu den Präsidenten von Venezuela und Bolivien, Hugo Chávez und Evo Morales. Deren Verstaatlichungspolitik oder Beschneidung der Pressefreiheit lehnt Lugo ab. Sein Land werde "einen eigenen Weg gehen", so sein Kredo. Immerhin, ein Jahr nach Amtsantritt gelang es Lugo, eines seiner wichtigsten Wahlversprechen einlösen: die Neuverhandlung eines umstrittenen Energievertrages mit Brasilien - die alte Fassung hatte Paraguay benachteiligt. Dabei geht es um das Management des binationalen Staudamms Itaipú.

Geduld als Regierungsprogramm

Der Präsident selbst predigt immer wieder Geduld: Ein Land, das 60 Jahre lang in der Hand einer Partei war, könne man nicht über Nacht umkrempeln. Er sei nun einmal weder Messias noch Batman, sagt der bärtige Mann, der fast immer Sandalen und offenes Hemd trägt. Die versprochene Agrarreform werde auf alle Fälle durchgeführt, doch dazu müsse erst einmal ein Kataster angelegt werden.

Paraguay Wahlsieg für Fernando Lugo
Nach dem Wahlsieg wurde Fernando Lugo, der Bischof der Armen, von seinen Anhängern stürmisch gefeiert.Bild: AP

In Paraguay befinden sich 77% des Ackerlandes in der Hand von 1% der Landbesitzer – das ist die größte Landkonzentration in ganz Lateinamerika. Nicht bewirtschaftetes Land soll im Rahmen der angestrebten Landreform enteignet werden können um an landlose Kleinbauern verteilt zu werden. Dem widersetzen sich unter anderem deutsche Großgrundbesitzer, die sich auf ein deutsch-paraguayisches Investitionsschutzabkommen berufen. Im vergangenen Jahr war eine Delegation der paraguayischen Kleinbauernbewegung in Berlin, um in dieser Angelegenheit Gespräche mit der Bundesregierung zu führen.

Wie viele Kinder hat der Präsident?

Diese Frage lässt sich noch nicht endgültig beantworten. Lugo hatte für die Präsidentschaftskandidatur sein Bischofsamt aufgegeben. Der Vatikan verfügte im Januar 2007 die Suspendierung. Nach seinem Wahlsieg im April 2008 wurde Lugo in den Laienstand versetzt. Kurz nach seinem Amtsantritt wurde bekannt, dass er einen zweijährigen Sohn hat. Lugo erkannte das Kind offiziell an. Darauf hin traten zwei weitere Frauen an die Öffentlichkeit, die ebenfalls behaupteten, der "rote Bischof" sei der Vater ihrer Kinder. Zu diesen Fällen hat sich Lugo jedoch nicht in der Öffentlichkeit geäußert.

Seiner Popularität hat der Baby-Skandal offensichtlich nicht geschadet. Gerade von Frauen wird dem 58-Jährigen hoch angerechnet, dass er sich öffentlich zu seinem Kind bekannte. Das Verhältnis Lugos zur katholischen Kirche hat der Skandal um die Kinder dagegen getrübt. Kirchenvertreter hatten sein Verhalten als schweren Schaden für die Kirche bezeichnet. Zudem gibt es Diskussionen darüber, was die Kirche gewusst habe: Die Mutter des anerkannten Kindes, aber auch ein Bischof und mehrere Geistliche behaupten, die Kirchenspitze sei ihm Bilde gewesen; die offiziellen Stellen bestreiten dies. (pi/mge/dpa/kna)