1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zwischen Wissenschaft und Wickeltisch

Svenja Üing11. Februar 2009

Wie schwierig ist es, Kinder und Karriere in der Wissenschaft in Deutschland miteinander zu vereinbaren? Das untersucht jetzt das Bonner CEWS in der Studie "Balancierung von Wissenschaft und Elternschaft" BAWIE.

https://p.dw.com/p/GmgM
Forschungslabor für Vorschulkinder in Dresden (Foto: dpa)
Optimale Betreuung: Kleine Forscher in der KindertagesstätteBild: picture-alliance/ dpa

Verena Ney steht in Jeans und Sweatshirt in einem der Physik-Labore an der Uni Duisburg-Essen und bereitet ihren nächsten Versuch vor. Die 35-Jähige untersucht, wie man magnetische Halbleiter für den Bau von Computern herstellen kann. Seit 2005 arbeiten sie und ihr Mann Andreas als EU-Gastwissenschaftler am Campus in Duisburg. Doch ab Mai werden sie sich neu orientieren müssen. Dann läuft Verenas Teilzeitstelle aus und zeitgleich endet auch Andreas' Stelle als Arbeitsgruppenleiter. Wie es danach weiter geht, wissen die beiden noch nicht. Jetzt beginnt einmal mehr das übliche "Spiel", sagt Andreas Ney: Drittmittelanträge stellen, sich um Stipendien bemühen, Bewerbungen schreiben.

Nachwuchs trotz ungewisser Zukunft

Dieses "Spiel" ist typisch für den Werdegang deutscher Wissenschaftler. Nach der Promotion hangeln sie sich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten. Denn unbefristete Stellen oder gar Professuren sind rar gesät. Auf einer der begehrten Professuren landet im Schnitt nur jeder Hundertste. Doch trotz der ungewissen Zukunft hat sich das Physikerpärchen für ein Kind entschieden. Ihr Sohn Fabian wird im Juli vier Jahre alt. Und wenn es nach Verena und Andreas Ney geht, bekommt Fabian bald noch ein Geschwisterchen.

8500 Befragte beteiligten sich an BAWIE-Studie

Mit ihrer Familienplanung sind die Neys, beide Mitte 30, nicht die Norm. Viele Nachwuchswissenschaftler in Deutschland konzentrieren sich zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf ihre Karriere und verzichten in dieser Zeit auf Kinder. Warum das so ist und wo die Unterschiede für Frauen und Männer liegen, dazu gibt es viele Theorien, einiges an Spekulationen, aber nur wenig konkrete Daten. Deshalb hat das Bonner Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS eine Studie auf den Weg gebracht, die genau das jetzt untersucht. Für das Projekt "Balancierung von Wissenschaft und Elternschaft" BAWIE wurden knapp 40.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an 19 ausgewählten Universitäten angeschrieben. Mehr als 8500 der Befragten haben sich beteiligt.

Doppelkarrierepaare haben es auch doppelt schwer

Studentin mit Kind an der Universität Leipzig (Foto: dpa)
Kinder oder Karriere an der Uni - oder beides?Bild: picture-alliance/ ZB

Zwei der wichtigsten Erkenntnisse der Studie: Die große Mehrheit der befragten kinderlosen Frauen und Männer möchte Kinder haben. Doch diejenigen, die Kinder haben, haben Probleme, Job und Kind miteinander zu vereinbaren. Das geht auch den Männer so, weil sich der Anspruch der Männer an ihre Rolle als Vater verändert hat, sagt Inken Lind vom Bonner CEWS.

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für so genannte Doppelkarrierepaare, wenn also beide Partner in der Wissenschaft Karriere machen wollen. Weil es in Deutschland so schwierig ist, eine unbefristete Stelle zu finden, müssen beide Partner mobil bleiben und in unterschiedlichen Städten zu arbeiten. So ein Modell ist, je nach Entfernung, besonders schwer mit einem Leben mit Kindern zu vereinbaren. Immerhin dreiviertel der Befragten sehen sich als Doppelkarrierepaar.

Flexiblere Kinderbetreuung und mehr unbefristete Stellen gefragt

Was den Verlauf der Karriere angeht, zeigt die Studie einen wichtigen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Männer gründen häufig erst dann eine Familie, wenn ihre Karriere einen finanziell sicheren Punkt erreicht hat. Weshalb die Zahl der kinderlosen Männer im so genannten Mittelbau – mit meist befristeten Arbeitsverhältnissen – stetig wächst. Frauen hingegen bekommen die Kinder schon früher im Karriereverlauf. Dann aber, zumindest zeitweise, auch auf Kosten der eigenen Karriere.

Verena Ney zum Beispiel arbeitet gerade in Teilzeit, um mehr Zeit für Fabian zu haben. Eine flexiblere Kinderbetreuung direkt an der Hochschule und mehr unbefristete Stellen im Mittelbau, das würde ihnen das Leben mit Kindern einfacher machen, sagen Andreas und Verena Ney. Und es würde andere vielleicht ermutigen, ihren Kinderwunsch schon früher zu verwirklichen. Denn auch das hat die BAWIE-Studie gezeigt: In Bezug auf ihre Work-Life-Balance sind die Eltern unter den Wissenschaftlern zufriedener als ihre kinderlosen Kolleginnen und Kollegen.