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Beginn der Ausstellung "Tourab Syria Art Space"

Carmen Dautzenberg
19. April 2018

Tourab ist syrisch und bedeutet Staub. Staub und Asche - viel mehr ist nicht übrig nach dem Krieg in Syrien. 50 syrische Künstler zeigen in der Ausstellung "Tourab Syria Art Space" in Brüssel ihre Werke zu dem Thema.

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Bildergalerie Syrien Art Space
Bild: DW/C. Dautzenberg

Der Krieg in ihrer Heimat spielt oft in den Köpfen der syrischen Künstler eine Rolle. Mal mehr, mal weniger. Auch wenn sich alle nicht direkt politisch äußern möchten, fließen ihre Erfahrungen, die Melancholie, die Besorgnis über ihre Familien und Freunde, die zum großen Teil noch in Syrien leben, auf die eine oder andere Weise mit in ihre Kunst ein.

Die meisten der Künstlerinnen und Künstler, die bis zum 27. April im Rahmen der Ausstellung "Tourab Syria Art Space" in der Ravenstein Galerie ihre Kunst zeigen, leben schon lange nicht mehr in Syrien, haben im Ausland studiert, sind mit ihren Familien vor Kriegsbeginn emigriert oder über Stipendien nach Europa und Amerika gekommen. Diejenigen, die bereits seit Jahren in ihrer neuen Heimat eingebürgert sind und nicht einfach nach Syrien zurückkönnen, leben mit zwei Identitäten.

Zwischen zwei Identitäten

Kito Sino steht vor seinen Werken in der Galerie Ravenstein in Brüssel. (DW/ C. Dautzenberg)
Kito Sino lebt seit 18 Jahren in BrüsselBild: DW/C. Dautzenberg

Genau diese Botschaft, dieses Gefühl der Zerrissenheit, der fehlenden Zugehörigkeit, drückt der syrische Künstler Kito Sino mit seiner Kuli-Zeichnung aus:

Seit 18 Jahren lebt der Syrer in Brüssel, spricht fließend Flämisch. Auf die Frage, ob er sich in Europa zu Hause fühle, sagt er: "Manchmal ja und manchmal nein." Manchmal sei er glücklich darüber, manchmal wisse er aber auch nicht, ob er woanders glücklich sein könne. Das Problem seien seine zwei Identitäten. Er sei nach so vielen Jahren fern der Heimat nicht mehr wirklich Syrer, aber wie ein Belgier fühle er sich auch nicht immer. Kito Sino fährt gerne Zug, weil er dann über seine Identität frei nachdenken dann. Das, was ihn umtreibt, was er nicht in Worte fassen kann, zeichnet er mit einem Kuli auf die Rückseite seines Zugtickets.

Mit Kuli bekritzeltes Zugticket des Künsterls Kito Sino. (DW/Carmen Dautzenberg)
"Train Ticket" von Kito Sino Bild: DW/C. Dautzenberg

Der Identitätsverlust zeichnet ihn. Auf der Abbildung sehen wir zwei Gesichtshälften von einem Pass getrennt. Das Gesicht auf dem Passfoto ist nicht zu erkennen. Es geht dabei nicht nur um seinen Gesichtsverlust. Sein Schicksal teilen viele seiner Landsleute.

Diese Melancholie zieht sich durch sein Leben. Seine tiefen Emotionen und Gedanken lässt er auf den Zugfahrten freien Lauf.

Parallele Universen

Ähnlich  geht es der Künstlerin Alia Abou Khadour. Sie ist in Syrien geboren, hat dort geheiratet. Ein Stipendium brachte sie nach Hannover. Sie fühlt sich sehr wohl in Deutschland, sagt sie. Jeder habe dort eine Chance, eine Ausbildung zu machen, zu studieren. Bildung sieht sie zudem als Schlüssel für gelungene Integration an. "Ich habe mich nie als Flüchtling gefühlt, weil ich nicht geflüchtet bin", sagt sie. "In Deutschland bin ich freundlich aufgenommen worden, hatte die Chance mich beruflich zu verwirklichen."Ihre Bilder sind Realität und Phantasie zugleich. Sie spricht von parallelen Universen. Sie zeichnet ihren Sohn, der sich in mehreren Welten bewegt. Mal frei, mal eingeschränkt. Auf die Frage, ob sie ihre persönlichen Erfahrungen in der Mimik ihres Sohnes widerspiegelt, sagt sie: "Ja, das tue ich. Für mich ist es schwer, meine tiefen Emotionen in Worte zu fassen. Das was ich in mir trage, geht so tief, dass ich es durch meine Kunst verkörpern kann."

Alia Abou Khadour vor einer Auswahl ihrer Bleistift-Zeichnungen in der Galerie Ravenstein. (DW/ C. Dautzenberg)
Alia Abou Khadour und eine Auswahl ihrer Bleistift-ZeichnungenBild: DW/C. Dautzenberg

Tanz-Performance

Ein Highlight auf der Syria Art Space: Die Tanz Performance des Syrers Eyas Al Mokdad. Das Elend und das Leid, das die Menschen im Kriegsgebiet tagtäglich erleiden, fühlt er in seinem - zum Teil auch improvisierten Tanz - nach. Dabei sterbe er halb, gibt er zu. Aber: "Ich will mit meinen Freunden, meiner Familie mitfühlen."

Der Künstler demonstriert in seiner Performance das, was seine Landsleute täglich ertragen müssen. Was bleibt sind, Asche, Staub und Gräber. Er selbst bezeichnet sich als Flüchtling, lehnt die Bezeichnung Migrant konsequent ab.

Eyas Al Mokdad präsentiert seine Tanzperformance "Dust".
Eyas Al Mokdad präsentiert seine Tanzperformance "Dust"Bild: DW/C. Dautzenberg

Die Künstler von fern und nah nach Brüssel geholt hat die Kuratorin Alma Salem. Auch sie stammt aus Syrien, lebt seit Jahren mit ihrer Familie in Kanada. Für sie ist Kunst universell. Kunst wird nicht in Schubladen gepackt oder zugeschnitten. Die Grenzen sind fließend. Sie hat die Ausstellung mit Unterstützung des Goethe Instituts ins Leben gerufen.

Miteinander Kultur teilen

"Tourab Syria Art Space soll eine Botschaft des Friedens übermitteln", sagt Alma Salem. Sie hat die syrischen Künstler nicht zusammengebracht, damit sie unter sich bleiben. Im Gegenteil: Hier geht es um unabhängige Kunst. Politik lässt sie außen vor. Es soll die Kraft der Kultur, der Kreativität sein, die Augen öffnet. Alma Salem möchte, dass die Stimmen der Menschen gesehen und gehört werden. In Kanada fühle sie sich wohl, denn dort seien sie, ihre Familie und Freunde aus Syrien Teil eines gemeinsamen Kulturaustausches.

Tourab Syria Art Space soll eine Botschaft des Friedens übermitteln, sagt Kuratorin Alma Salem.
Reges Interesse: Besucher am Eröffnungstag bei "Tourab: Syria Art Space" in der Galerie RavensteinBild: DW/C. Dautzenberg

"Wir müssen keine andere Kultur annehmen, sondern dürfen unsere kulturellen Wurzeln behalten. Wir werden in Kanada nicht als Fremde oder Eindringlinge gesehen. Es geht um die Gemeinschaft, das miteinander leben, voneinander lernen, füreinander da sein, sich helfen. Und nicht darum, wie man sich anderen Kulturen am schnellsten und am besten anpasst, sagt die Kuratorin."

Genau so fühlt sich auch der rege Austausch auf der Ausstellung zwischen den Künstlern und Besuchern an. Offene Kommunikation ohne Grenzen. Dabei hat man nicht das Gefühl, sich in fremden Sphären zu bewegen. Im Gegenteil: Das Interesse ist gegenseitig groß. Die Botschaft könnte auch heißen: Gemeinsam, miteinander sind wir stark. Nicht Gegeneinander.