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Zypern-Knoten durchschlagen

Klaudia Prevezanos6. September 2002

Türken und Griechen auf Zypern sind seit Jahrzehnten verfeindet. Bevor die Insel in die EU eintritt, soll der Konflikt gelöst werden. Zur Belohnung winkt der Türkei die Eintrittskarte nach Europa.

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Drei Männer - ein Problem: Klerides, Annan, Denktasch in Paris (von links)Bild: AP

Im Mai dieses Jahres war Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO), noch demonstrativ über die mit Stacheldraht gesicherte Grenze zwischen Nord- und Südzypern getreten. Mit dem Schritt wollte er ein Signal setzen für die seit Jahren festgefahrenen Gespräche über die Zukunft der geteilten Insel. Viel Erfolg hatte er damit zunächst nicht. Darum hat Annan die Führer der Inselgriechen und -türken, Glafkos Klerides und Rauf Denktasch, zu einem Treffen nach Paris (6.9.2002) eingeladen.

Und diesmal ist Eile zu einer Lösung geboten, denn die Gespräche gelten als letzter Versuch, den Zypern-Konflikt vor dem Gipfel der Europäischen Union (EU) im Dezember zu lösen. In Kopenhagen soll über die Erweiterung der Gemeinschaft entschieden werden. Die Republik Zypern gilt als sicherer Kandidat - mit oder ohne den türkisch besetzten Norden. "Auch wenn der Konflikt nicht gelöst wird, halte ich es für höchst wahrscheinlich, dass Zypern in die EU aufgenommen wird", sagt auch Michael Emerson vom Brüsseler Zentrum für Europäische Politikstudien (Center for European Policy Studies – CEPS), im Gespräch mit DW-WORLD.

Alte Bekannte

Klerides und Denktasch, die beiden politischen Führer der Insel, kennen einander seit den fünfziger Jahren, als sie sich noch gemeinsam gegen die britische Herrschaft auf der Insel einsetzten. 1959 arbeiten sie zusammen an der zypriotischen Verfassung. Im Jahr darauf wird die Insel für unabhängig erklärt. Doch danach forcieren die Griechen nach türkischer Meinung einen Anschluss an Griechenland. Die türkischen Bewohner befürchten Benachteiligungen und ziehen sich unter Führung von Denktasch in selbst verwaltete Wohngebiete zurück.

1974 putscht die zypriotische Nationalgarde mit Hilfe des Athener Militärregimes gegen den auf Zypern regierenden Erzbischof Makarios. Wenige Tage später besetzen im Gegenzug türkische Truppen den Norden und Nordosten des Landes, rund 40 Prozent der Insel. Seitdem ist sie geteilt, 35.000 türkische Soldaten sind hier stationiert. Ebenso 1000 Blauhelmsoldaten der UNO, die das Grenzgebiet bewachen. 1983 ruft Denktasch die Türkische Republik Nordzypern aus, die außer durch die Türkei von keinem Staat akzeptiert ist. Völkerrechtlich ist die Regierung der südlichen Republik Zypern für die ganze Insel zuständig.

UNO macht mehr Druck

Jetzt müssen die beiden alten Männer Klerides (83) und Denktasch (78) nach jahrzehntelang verhärteten Fronten unter Zeitdruck eine Lösung für die Insel finden. "Das Treffen mit Kofi Annan erhöht den Druck von Seiten der UNO aber auch der EU noch einmal enorm", sagt Emerson, wissenschaftlicher Forschungsleiter am CEPS und zuständig für die Zypern-Frage. Er hält den Konflikt in den nächsten Wochen für lösbar. Von dem Pariser Treffen erwartet er allerdings keine konkreten Ergebnisse. "Ich kann mir aber vorstellen, dass beide Seiten demnächst UNO-Sondervermittler Alvaro de Soto beauftragen, einen Lösungsvorschlag zu entwerfen."

Der ist auch nötig, denn die Situation ist kompliziert: Denktasch als Führer der türkischen Volksgruppe schließt aus, seine Leute in der EU von einer griechisch-zypriotischen Regierung vertreten zu lassen und beharrt auf einem eigenen Staat. Die griechische Seite will die Besetzung des Nordens jedoch nicht akzeptieren. Wenn die Republik Zypern wie geplant in die EU aufgenommen wird, ist die Zukunft der Insel jedoch ungewisser als zuvor. Denktasch hat für den Fall bereits angekündigt, seine Republik an die Türkei anzuschließen. Die türkischen Bemühungen um eine Aufnahme in die EU wären damit allerdings beendet.

Ausgerechnet Griechenland spricht sich derzeit jedoch für das Nachbarland aus. Bei einer Lösung der Zypern-Frage will sich Athen dafür einsetzen, dass die Türkei beim Gipfel in Kopenhagen ein Termin für Beitrittsverhandlungen mit der EU erhält. Problem: Im Land am Bosporus sind erst Anfang November Parlamentswahlen, vorher ist nicht mit nennenswerten Entscheidungen zu rechnen. Emerson vom CEPS ist trotzdem verhalten zuversichtlich: "Es sind harte Verhandlungen. Aber ich sehe eine 50-plus-Chance für eine Lösung."