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Zündstoff in Belfast

Petra Tabeling 9. Juni 2002

Zum ersten Mal in der Geschichte Nordirlands ist der Oberbürgermeister von Belfast ein Mitglied von Sinn Fein. Und das sorgt erneut für Ärger.

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Belfasts neuer Bürgermeister Alex MaskeyBild: AP

Es vergeht kaum ein Tag ohne Krawalle in Nordirland. Protestanten fühlen sich ebenso wie Katholiken benachteiligt. Und nun hat ausgerechnet in der nordirischen Hauptstadt Belfast Politiker von Sinn Fein, dem politischen Flügel der IRA, das Sagen.

Sinn Fein will mehr Verantwortung

Am vergangenen Mittwoch (05.02.2002) fiel im Belfaster Rathaus eine politische historische Entscheidung: Der Sinn Fein-Abgeordnete Alex Maskey bekam bei der Abstimmung 26 von 51 Stimmen und setzte sich damit gegen zwei protestantische Gegenkandidaten durch. Maskey wurde dabei nicht von seiner eigenen Partei unterstützt, sondern auch von der gemäßigten katholischen SDLP und der konfessionsübergreifenden Alliance Party.

Sinn Fein, die der Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) nahe steht, stellt im Belfaster Stadtrat mit 14 Abgeordneten die stärkste Fraktion und bemüht sich schon seit langem um mehr politische Verantwortung.

Mehr Fair Play?

IRA Grafiti in Belfast
IRA Graffiti in BelfastBild: AP

Politischen Einfluss hat der Posten des Oberbürgermeisters, der jährlich gewählt wird, zwar nicht, dafür aber ist der Sieg für Sinn Fein ein symbolischer Meilenstein. Zu lange hätten die Katholiken keinen Zugang in das Rathaus gehabt, so verlautete es aus dem Belfaster Büro von Sinn Fein. 200 Jahre lang sei die Stadt von Protestanten beherrscht worden. Maskey kritisierte das bisherige Verhalten im Stadtrat. Der Rat habe nicht für Fair Play, für Ausgleich zwischen protestantischen und katholischen Mitgliedern sorgen können. Maskey versprach, dass es konfessionelle Diskrimierung unter seiner Regie nicht geben werde.

Die Belfaster Bürgermeisterwahl ist nicht der einzige politische Erfolg für Sinn Fein. Auch bei den letzten Parlamentswahlen in der Republik Irland verbuchte die Partei Stimmengewinne. Statt mit einem Sitz sind sie nun mit fünf Abgeordneten im irischen Parlament vertreten. Ihr bisher größter politischer Erfolg.

Dorn im politischen Auge

Doch den Erfolg der Partei ist vielen Nordiren ein Dorn im Auge. Nach der Wahl war die Empörung eines Teils der Belfaster Stadträte: Einer der unterlegenen Bewerber, Chris McGimpsey, nannte die Entscheidung einen Skandal. Die protestantische Seite werde sich weigern, den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters zu übernehmen. Die Parteien, die die probritischen Nordiren vertreten, verließen unter Protest das Rathaus.

Umstrittene Figur

Das neue Stadtoberhaupt hat eine pikante Vergangenheit: In den 70er Jahren wurde er wegen des Verdachts der IRA-Mitgliedschaft zweimal inhaftiert. Der 50-jährige ehemalige Amateur-Boxer war 1983 der erste Stadtverordnete von Sinn Fein - und ist jetzt der erst zweite katholische Bürgermeister. Im Laufe seiner Politiker-Karriere überlebte er mehrere Mordanschläge. Sein Motto: "Ich nehme das nicht persönlich." Maskey war einer der wichtigsten Verhandlungsführer von Sinn Fein bei den Friedensgesprächen der vergangenen Jahre. Als Bürgermeister wolle er alle Bürger vertreten, egal welcher Konfession.

Aber einige protestantische Bürger Belfasts wollen gar nicht von einem Sinn Fein-Mitglied vertreten werden. Sie machten ihrem Ärger Luft auf den Strassen: Noch in der Nacht nach der Wahl kam es in Belfast trotz starker Polizeipräsenz zu zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen.