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Ärger für Sarrazin - 2:0 für Merkel

3. September 2010

Eine aufregende Woche in der Berliner Medienrepublik neigt sich dem Ende zu. Wieder einmal hat Kanzlerin Merkel einen Punktsieg errungen - und wieder einmal könnte der Sieg ihr gefährlich werden.

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Fernschreiber (Grafik: DW)
Bild: DW

Sarrazin, Sarrazin und nochmals Sarrazin. In dieser Woche war der SPD-Politiker mit seinem umstrittenen Buch "Deutschland schafft sich ab" auf Platz eins bei den Journalisten in der deutschen Hauptstadt. Was nebenbei bemerkt wohl dafür sorgen wird, dass sein Buch auch auf vorderen Plätzen der Bestsellerlisten landet.

Und die Kanzlerin mischte von Anfang an mit. Schon am vergangenen Sonntag hatte sie im Sommerinterview der ARD explizit Stellung zu dem Buch genommen, was eigentlich recht unüblich ist - mal abgesehen davon, dass das Buch noch gar nicht veröffentlicht war.

Als Thilo Sarrazin am Montag sein Buch dann offiziell in der Bundespressekonferenz vorstellte, brannte hier die Luft. Ein ausländischer Kollege sagte, so einen Andrang hätte er zuletzt beim Fall der Mauer erlebt. Das war sicherlich etwas übertrieben, aber unterstreicht, wie hysterisch alle waren. Vor dem Gebäude gab es eine Demonstration mit erbosten Sarrazin-Gegnern, die mächtig viel Lärm machten, weshalb im Gebäude mehr Sicherheitskräfte eingesetzt wurden.

Und so ging es weiter. Die TV-Talkshows dieser Woche, alle wichtigen Zeitungen und ihre Kommentarspalten im Internet waren voller Emotionen. So wurde der Druck auf die SPD immer stärker, Sarrazin, der in der Diskussion nicht nachgab, sondern sogar noch nachlegte, kalt zu stellen, also ihm die Mitgliedschaft zu entziehen.

Ja, und dann ist Sarrazin noch Vorstandsmitglied der Bundesbank und damit so etwas wie ein Vorzeigemanager. Wohl deshalb gab auch Bundespräsident Christian Wulff am Mittwoch öffentlich seinen Missmut über Herrn Sarrazin kund.

Der Bundesbankvorstand musste in Beratung gehen und entschied sich für einen Rausschmiss Sarrazins. Nur wenige Minuten danach kam eine Meldung aus dem Kanzleramt, dass die Entscheidung mit großem Respekt zur Kenntnis genommen wurde.

Am Freitag dann meldete sich Frau Merkel erneut zu Wort. Sie gab der türkischen Zeitung "Hürriyet" ein langes Interview zur laufenden Debatte. Eine gute Integrationspolitik sei ein wichtiges Anliegen für ihre Partei, die CDU.

Egal, wie die Sache für Sarrazin nun arbeitsrechtlich ausgehen wird, einen Sieger gibt es schon jetzt: Die Kanzlerin hat der SPD mächtig einen vor den Bug gegeben und das Thema Migration wieder für ihre eigene Partei besetzt. Nur bleibt ein fader Beigeschmack: Eigentlich ist die Bundesbank eine unabhängige Behörde. Merkels Einmischung wird vielen in der CDU nicht passen. Die Gefahr, dass die Zahl der innenparteilichen Merkel-Kritiker überhand nimmt, ist in dieser Woche wieder ein Stück größer geworden.

Autor: Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Peter Stützle / Ursula Kissel