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Überlebenskampf gegen Patentrechte

Detlev Karg12. November 2001

Entwicklungsländer können sich künftig leichter patentgeschützte Medikamente gegen Epidemien beschaffen. Damit ist ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zu einer neuen weltweiten Handelsrunde überwunden.

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Wirksame Medikamente sind für viele Menschen nicht bezahlbar.Bild: Bilderbox

Auf der Welthandelskonferenz in Katar gibt es Bewegung in der strittigen Frage, wie die Entwicklungsländer sich billige Medikamente im Kampf gegen tödliche Massenkrankheiten verschaffen können. Aids, Malaria, Tuberkulose und Kinderlähmung sind die Krankheiten, denen diese Länder nahezu hilflos gegenüber stehen. Offenbar sind die USA und die Schweiz nun bereit, sich mit den Entwicklungsländern zu einigen. Bisher beharrten sie darauf, das TRIPS-Abkommen der WTO (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) müsse auch bei Arzneien durchgesetzt werden. Die Staaten der Europäischen Union waren bisher schon willens, den armen Ländern in diesem Punkt entgegen zu kommen. Der im Deutschen als "Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums" bezeichnete Vertrag erlaubt Regierungen, bei Gesundheitsnotständen Patente aufzuheben und Medikamente in Eigenregie billig zu produzieren. Dagegen wehren sich bisher die Produzenten, die auf der 20-jährigen Laufzeit der Patente beharrten. Sie fürchten Produktpiraterie und verweisen auf ihre hohen Kosten für die Erforschung solcher Medikamente.

Staaten gegen Konzerne

Angesichts des Massensterbens durch Aids in Afrika konnte Südafrika im Streit gegen die Pharmaunternehmen im Frühjahr 2001 einen ersten Teilerfolg erzielen. Seinerzeit klagten die Hersteller gegen die Republik am Kap, weil die Regierung unter Nelson Mandela ein Gesetz beschlossen hatte, das dem Land unter bestimmten Umständen den Import von Generika im Fall einer "Krise der öffentlichen Gesundheit" gestattete. Im Vorfeld des Aids-Gipfels in Durban gerieten die Hersteller jedoch unter öffentlichen Druck und zogen die Klage zurück. Die südafrikanische Regierung sagte dafür zu, die Hersteller in jedem Einzelfall zu verständigen.
Gerade am Beispiel Südafrikas zeigt sich das krasse Preisgefälle: Während ein hochwertiges Aidsmittel aus Thailand 2 US-Dollar pro Tablette kostet, zahlen Südafrikaner für das gleiche Mittel in Südafrika 125 US-Dollar. Der Grund: In Südafrika gilt das Patent auf den Wirkstofff, jedoch nicht in Thailand. Die Wirksamkeit ist in beiden Fällen die gleiche.

Kompromissloser zeigt sich Brasilien. Als erster Staat der Dritten Welt hat Brasilien ein Programm aufgelegt, mit dem Arzneimittel kostenlos an Kranke verteilt werden. Das Programm hat die Aids-Todesrate um 50 bis 70 Prozent gesenkt und gilt international als vorbildlich. Da Brasilien die westlichen Preise nicht bezahlen kann, wurde ein zusätzliches Gesetz verabschiedet. Dieses verpflichtet die Patentinhaber, innerhalb von drei Jahren ihre Medikamente in Brasilien herzustellen. Andernfalls verfällt ihr Patent, und brasilianische Hersteller dürfen das Medikament kopieren. Dagegen hatte die US-Regierung Klage eingereicht. Die Regierung in Brasilia lässt sich davon bisher nicht beeindrucken und droht weiter mit dem staatlichen Patentbruch.
Eine andere Alternative zu diesen Zwangslizenzen besteht in differenzierten Preismodellen. So könnte ein Aids-Medikament in Brasilien günstiger als in Deutschland angeboten werden und in Uganda wiederum billiger als in Brasilien.

Durchbruch in Katar

In der katarischen Hauptstadt Doha äußerte sich der brasilianische Außenminister Luis Felipe de Feixas Correa jetzt positiv zu den Verhandlungen über Medizinpatente. Auch ein Mitglied der US-Delegation sprach von Bewegung, schränkte aber ein, dass es noch ein langer Weg bis zu einer Einigung sei. In Brasilien und Indien gibt es mehrere Unternehmen, die Generika herstellen. Beide Staaten dringen deswegen auf eine Erklärung mit dem Inhalt, dass das TRIPS-Abkommen kein Land daran hindern kann, eine eigene Strategie im Kampf gegen Krankheiten wie Aids zu entwickeln.

Etliche Pharmakonzerne sind schon auf die Kompromisslinie eingeschwenkt. Der US-Hersteller Merck hat seine Preise für Brasilien um 70 Prozent reduziert. Der einzige deutsche Anbieter eines Aids-Präparats, Boehringer Ingelheim, spendet dieses in den kommenden fünf Jahren an afrikanische Länder. Allerdings nur, um die Aids-Übertragung von der Mutter auf das Kind zu verhindern. Diese machen nur einen Bruchteil der Aids-Fälle aus.