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Kommentar: Olympia hat Rio befreit

Astrid Prange 19 de agosto de 2016

Die Olympischen Spiele haben der Stadt Rio de Janeiro neues Selbstbewusstsein verschafft und erneut die Doppelmoral der olympischen Familie offenbart. Das ist die bestmögliche Bilanz, meint Astrid Prange de Oliveira.

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Symbolbild Olympia Rio 2016 Ringe Geldmangel
Imagen: picture-alliance/dpa/N. Bothma

"Welcome to hell" - willkommen in der Hölle. Mit diesen Worten begrüßten demonstrierende Polizisten noch Ende Juni Touristen am Flughafen von Rio de Janeiro. Ihre beunruhigende Botschaft lautete: Wir werden nicht für Eure Sicherheit sorgen, denn wir bekommen schon seit Monaten kein Gehalt mehr.

Die Besucher der Olympischen Spiele ließen sich von diesem Willkommensgruß nicht abschrecken - im Gegenteil. Hunderttausende Touristen und Athleten trauten sich in die Hölle von Rio de Janeiro, die dem Himmel so nah ist.

Trotz Terrorangst, trotz Zika, trotz Kriminalität. Und, oh Wunder: Sie fühlen sich wohl! Sie geniessen brasilianische Gastfreundschaft und Kultur, Strände und Natur – und die ersten Olympischen Spiele in Südamerika.

Rio de Janeiro steht für Himmel und Hölle gleichermaßen. Keine andere Stadt Brasiliens vereinigt in einem solchen Ausmaß extreme Widersprüche und Gegensätze in sich. Erschreckend hohe Mordraten stehen einer unbändigen Lust am Leben und Feiern gegenüber.

Prange de Oliveira Astrid Kommentarbild App
DW-Autorin Astrid Prange berichtet für die DW aus Rio

Rio feiert sich selbst

Nur noch drei Tage, dann werden die Temperaturen in der Hölle von Rio sinken. Athleten, Delegationen und Touristen werden die Stadt verlassen, allein am Montag werden 85.000 Passagiere am Flughafen erwartet. Nach den Paralympics erlischt die Olympische Flamme im September endgültig.

Doch auch wenn die Probleme der Stadt nach den Spielen dieselben sind wie davor, auch wenn Kriminalität, Verkehrschaos, kollabierende Krankenhäuser und unterbezahlte Polizisten weiter den Alltag von Rio prägen werden: Die Stadt hat sich verändert. Ein neues Selbstbewusstsein hat die Cariocas, wie die Einwohner sich nennen, ergriffen.

Es ist der berechtigte Stolz darüber, unter schwierigsten Umständen das weltweit größte Sportevent mit über 10.000 Athleten und 500.000 Zuschauern ausgerichtet zu haben. Es ist die Genugtuung, nach jahrelangen Zumutungen durch Großbaustellen ein neues Antlitz der Stadt zu erkennen. Und es ist die Freude über die weltweite Anerkennung dieses organisatorischen, sportlichen und gesellschaftlichen Kraftaktes.

Die olympischen Spiele haben Rio befreit. Befreit von dem weit verbreiteten brasilianischen Minderwertigkeitskomplex, im Ausland funktioniere alles besser als im eigenen Land. Befreit von dem Trauma, Armut und Gewalt untergrüben die Schönheit der Stadt. Befreit von der Illusion, ausländische Gäste, insbesondere aus Europa und den USA, benähmen sich stets besser als die eigenen Landsleute.

Absturz amerikanischer Athleten

Mit diesem neuen Selbstbewusstsein haben die US-amerikanischen Schwimmer nicht gerechnet. Mit ihrer Strategie, einen in Rio angeblich alltäglichen Raubüberfall vorzutäuschen, um damit vom eigenen Fehlverhalten abzulenken, sind sie kläglich gescheitert. Dass ausgerechnet olympische Athleten solch ein unfaires Verhalten gegenüber ihrem Gastgeber an den Tag legen, ist umso peinlicher.

Auch das IOC muss umdenken. Solange sich in seinen Reihen Mitglieder wie Joseph Hickey befinden, die Eintrittskarten illegal zu Wucherpreisen verkaufen, hat es seine Autorität verwirkt. In der Hölle von Rio, so scheint es, geht es fairer zu als im olympischen Himmel des IOC, das sich in der Schweiz über steuerfreie Einnahmen in Milliardenhöhe freut und vom brasilianischen Steuerzahler verlangt, Defizite mit Steuermitteln auszugleichen.

Wie bei der WM 2014 in Brasilien, haben auch die Olympischen Spiele in Rio die Doppelmoral der angeblichen Wächter über die olympischen Ideale entlarvt. Danke Rio und willkommen in der himmlischsten Hölle auf Erden!