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Politik

Ägypten, Syrien und der "Islamische Staat"

25. November 2016

Der ägyptische Staatschef Abd al-Fattah al-Sisi hat erklärt, den IS in Zusammenarbeit mit dem syrischen Militär bekämpfen zu wollen. Das beunruhigt Ägyptens bisherige Partner. Doch al-Sisi hat kaum eine Wahl.

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Ägypten Präsident General al-Sisi im Norden von Sinai
Bild: picture-alliance/dpa/Office of the egyptian president

Anfang der Woche vertraute der ägyptische Staatspräsident  Abd al-Fatah Al-Sisi dem portugiesischen Sender TV-Sender RTP einen Teil seiner außenpolitischen Agenda an. Ägypten erklärte er, werde sich stärker als bislang in den Nachbarstaaten engagieren. "Unsere Priorität ist es, nationale Armeen wie etwa in Libyen zu unterstützen", sagte er. "Auf diese Weise sollen sie wieder die Kontrolle über libysches Gebiet erlangen und die Extremisten bekämpfen können." Und als reichte das Engagement im nördlichen Afrika nicht schon, schob er noch eine kurze, aber entscheidende Bemerkung hinterher: "Dasselbe gilt für Syrien und den Irak."

Al-Sisis Bemerkung dürfte vor allem einen der wesentlichen Partner und Sponsoren Ägyptens aufhorchen lassen: das Königreich Arabien. Seitdem er im Juni 2014 das Präsidentenamt übernommen hatte, mühte sich Al-Sisi um gute Beziehungen zu dem wohlhabenden Nachbarstaat auf der anderen Seite des Roten Meeres. Um guter Beziehungen willen hatte Al-Sisi Saudi-Arabien die Insel Tiran im Roten Meer überlassen wollen – ein Ansinnen, das in einem zweiten juristischen Anlauf die Zustimmung des zuständigen Gerichts erhielt. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 12 Milliarden US-Dollar saudischer Finanzhilfe an Ägypten geflossen. Inoffiziellen Schätzungen zufolge könnten die Saudis die ägyptische Armee noch einmal mit weiteren 30 Milliarden US-Dollar unterstützt haben.

Syrien Angriffe auf Alleppo
Ägypten will dabei sein: Kämpfe in SyrienBild: Getty Images/AFP/G. Ourfalian

Eine riskante Entscheidung

Zuletzt hatte sich das Verhältnis der beiden Staaten wieder etwas abgekühlt: Da Ägypten ökonomisch keine nennenswerten Fortschritte erzielt, zweifeln die Saudis offenbar am Sinn weiterer Subventionen.

Auch das mag al-Sisi bewogen haben, nun auf das Assad-Regime zuzugehen. Zwar erklärte er nachdrücklich, Ägypten wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarn einmischen. Doch der Schritt könnte die Geduld Saudi-Arabiens, das sich seit Beginn der syrischen Revolution gegen Assad gestellt hat, enorm strapazieren. Der saudische UN-Botschafter hat die ägyptische Beziehung bereits als "schmerzhaft" bezeichnet.

Doch offenbar ist al-Sisi bereit, das in Kauf zu nehmen. Ihn plagen nicht nur ökonomische Sorgen: Immer stärker sieht sich Ägypten Angriffen dschihadistischer Terrorgruppen ausgesetzt. Deren Rückzugs- und Operationsgebiet ist der Sinai. Seit mehreren Jahren haben die IS-Terroristen das ägyptische Militär dort in einen blutigen Kampf verwickelt, in dem bereits hunderte Soldaten, aber auch zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen sind. Auch Anschläge auf Touristen hat der IS bereits verübt. 

Terror auf dem Sinai

Vor wenigen Tagen verhaftete Ägypten knapp 300 Personen, die der Staat verdächtigt, Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) zu sein. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf al-Sisi und den saudischen Kronprinz Prinz Mohammed bin Nayef geplant zu haben.

Anfang dieser Woche enthaupteten IS-Kämpfer zwei Männer, die die Terroristen als Priester enttarnt zu haben glaubten. Tatsächlich handelte es sich um religiöse Würdenträger der Beduinen. Der IS räumte den Irrtum ein. Einer von ihnen war beinahe hundert Jahre alt. Bereits im Sommer hatte der IS in einem Video angekündigt, die weltberühmten Pyramiden und die Sphinx-Statue zerstören zu wollen.  Bei ihnen handle es sich um "heidnische" Bauwerke.

Im Oktober 2015 hatte der IS vom Sinai ein russisches Passagierflugzeug abgeschossen. Keiner der 224 Insassen überlebte den Angriff.

Ägypten Sinai Anschlag auf Hotel
Ständige dschihadistische Bedrohung: Anschlag auf ein Hotel auf dem SinaiBild: picture-alliance/dpa

Das Kalkül des IS

Die Politikwissenschaftler Oren Kessler und Max Peck deuten in der Zeitschrift Foreign Affairs die Angriffe wie auch die Videoveröffentlichungen des IS als Versuch, in Ägypten Boden zu gewinnen. Für ihr Unterfangen rechneten sich die Dschihadisten gute Chancen aus. "Erstens spüren sie offenbar dass eine ganz Reihe von Ägyptern bereit sind, sich vom IS rekrutieren zu lassen." Nach einer langen Reihe ökonomischer Misserfolge wie auch aufgrund seines harten Vorgehens gegen Oppositionelle sei al-Sisis Popularität erheblich geschrumpft.

Zudem hätten die oppositionellen Muslimbrüder an Strahlkraft verloren - Tausende ihrer Mitglieder sitzen derzeit unter fragwürdigen juristischen Voraussetzungen in ägyptischen Gefängnissen. "Dieses Vakuum kann der IS für seine Zwecke nutzen, indem er sich auf den Sinai konzentriert. Diesen stellt er als Ort dar, von dem aus sich al-Sisi stürzen lässt."

So sieht al-Sisi nicht nur seine Regierung, sondern den gesamten ägyptischen Staat auf das äußerste herausgefordert. Darum bekämpft  die Regierung den IS nun noch stärker zu bekämpfen als bislang schon - und das fortan womöglich auch außerhalb der Landesgrenzen. "In Ägypten hat man den Eindruck,  dass die Amerikaner und der Westen nicht ernsthaft daran interessiert sind, den IS zu eliminieren", schreibt der ägyptische Politanalyst Saeed Sadek. Das erklärt seiner Einschätzung nach auch die Annäherung der Ägypter an Russland: "Die Russen sind aus ägyptischer Sicht entschlossener, den IS zu bekämpfen."

Abdel Fattah al-Sisi King Salman Saudi Arabien Kairo Ägypten
Partner: der saudische König Salman und der ägyptische Präsident al-SisiBild: picture-alliance/dpa/Egyptian Presidency

Außenpolitische Konsequenzen

Dass damit ein grundsätzlicher außenpolitischer Schwenk Ägyptens verbunden sei, gilt allerdings als zweifelhaft.  Syrien und Ägypten verfolgen zwar gemeinsam das Ziel der Terrorbekämpfung heißt es in einem Kommentar des Fernsehsenders Al-Arabiya. "Jenseits dieser streng definierten Ziele gibt es aber keine Gemeinsamkeiten."

Ähnlich sieht es aus anderer Perspektive auch der Politanalyst Saeed Sadek. Saudis und Ägyptern stimmen in gewissen Punkten  überein, in anderen hingegen nicht. Die unterschiedlichen politischen Präferenzen liefen allerdings nicht aus dem Ruder, erklärt er. "Die Differenzen werden die Gemeinsamkeiten nicht außer Kraft setzen."

Mit seinem militärischen Engagement will Ägypten offenbar dazu beitragen, den IS militärisch zu besiegen. Danach aber fängt die eigentliche Auseinandersetzung mit den Dschihadisten erst an. Sie findet auf dem ideologischen Schlachtfeld statt.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika