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Ärzte suchen verzweifelt Nachfolger

Helena Baers5. Juli 2014

Jeder vierte niedergelassene Arzt will in den nächsten Jahren seine Praxis aufgeben. Allerdings fehlen die Nachfolger - obwohl die Zahl der Mediziner insgesamt steigt. Das verschärft den Ärztemangel auf dem Land weiter.

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Ein Schild mit der Aufschrift Arzt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nachfolger dringend gesucht: Schon jetzt fehlen besonders in ländlichen Regionen Deutschlands Haus- und Fachärzte - und das Problem könnte bald noch größer werden. Denn laut einer Umfrage will fast jeder vierte Arzt seine Praxis in den kommenden Jahren aufgeben. Die Suche nach einem Nachfolger empfindet mehr als die Hälfte von ihnen als sehr schwierig - so das Ergebnis des Ärztemonitors 2014, einer Befragung von rund 10.000 Ärzten und Physiotherapeuten von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund).

Demnach hat bislang nur gut ein Drittel der Mediziner, die ihre Praxis in den nächsten fünf Jahren aufgeben wollen, einen Nachfolger gefunden. "Das ist schon besorgniserregend", sagt Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, bei der Vorstellung des Berichts. Mit 53 Jahren sei das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte bereits relativ hoch.

Und obwohl die Zahl der Ärzte insgesamt steigt, fehlen sie gerade auf dem Land und in strukturschwachen Regionen. Diese Entwicklung ist nicht neu, schon seit Jahren werden Ärzte aus dem Ausland angeworben. Auch die Bundesregierung versucht, dem Ärztemangel entgegenzusteuern. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte am Freitag (04.07.2014), er wolle die Bedingungen und Strukturen für Hausärzte verbessern. Bereits Ende Juni hatte er angekündigt, weitere Anreize für Niederlassungen im ländlichen Raum zu schaffen. Im Gespräch ist zum Beispiel eine finanzielle Unterstützung.

Ein Arzt sitzt an einem Computer (Foto: dpa)
Viele Mediziner wollen das Geld, das sie durch den Verkauf ihrer Praxis bekommen, als Altersvorsorge nutzenBild: picture-alliance/dpa

Aus Sicht der Krankenkassen geht das aber an der Lebenswirklichkeit junger Mediziner vorbei: "Ein Arzt schaut heute ja nicht nur auf das Honorar, sondern er fragt auch: Wie ist die Ausbildungssituation für meine Kinder und die berufliche Situation für meinen Partner oder meine Partnerin in einer bestimmten Region", sagt Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

Angst um Altersvorsorge

Für junge Ärzte ist eine Einzelpraxis außerhalb von großen Städten deshalb nicht so attraktiv - mit drastischen Folgen für die Landärzte: Laut Umfrage befürchten 75 Prozent der niedergelassenen Mediziner, dass die oft mit teuren Geräten ausgestattete Praxis ihre Funktion als Altersvorsorge verloren hat - weil sich keine Käufer dafür finden. Das sei ein Skandal, sagt der KBV-Vorsitzende Gassen. Marini betont dagegen, auch die Kassenärztliche Vereinigung sei bei dem Thema in der Pflicht. "Wir haben in der Gesetzgebung schon die Kann-Lösung, dass die Kassenärztliche Vereinigungen eine Praxis aufkaufen können", sagt sie. Daraus muss nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands eine Soll-Vorschrift werden.

Ein Arzt, der zu den jetzigen Gegebenheiten angefangen und eine Praxis aufgebaut habe, könne Verlässlichkeit erwarten. "Da kann ich nicht von heute auf morgen sagen: Tut mir leid, lieber Arzt, diese Altersvorsorge kannst du vergessen." Die Frage sei dabei aber, wie man es schaffe, die Ärzte von den Praxen in den Städten aufs Land zu bekommen, wo sie gebraucht würden.

Ein Sprechzimmer in einer Arztpraxis (Foto: dpa)
Ist die Einzelpraxis ein Auslaufmodell oder weiterhin interessant?Bild: picture-alliance/dpa

Ärzte beklagen Überbelastung

Die niedergelassenen Ärzte haben aber nicht nur mit einer schwierigen Nachfolgersuche zu kämpfen. Die für den Ärztemonitor befragten Mediziner fühlten sich häufig auch überlastet. Rund 54 Stunden pro Woche arbeiten sie den Angaben zufolge im Schnitt und behandeln täglich 45 Patienten. Mehr als jeder Dritte beklagt, ihm fehle ausreichend Zeit für die Patienten. "Dies und die ständig steigende Bürokratie sowie der wirtschaftliche Druck drücken auf die Stimmung und führen dazu, dass 67 Prozent der Praxisärzte sich wünschen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren", sagt Dirk Heinrich, Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes.

Eine Lösung aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung und auch der Krankenkassen wären Praxisnetze und andere Kooperationen zwischen Ärzten. Dadurch könnten einzelne Praxen beispielsweise im Bereich der Büroarbeit entlastet werden. "Wir sehen das als Chance, die Niederlassung auch für die jüngere Generation attraktiv zu machen, denn für diese ist die Zusammenarbeit mit Kollegen ein wichtiger Faktor", sagt Andreas Gassen. Seiner Meinung nach ist die Einzelpraxis kein Auslaufmodell, sie müsse nur wieder attraktiver für Nachwuchsärzte gemacht werden. Das sieht Ann Marini vom GKV-Spitzenverband etwas anders: "Die Einzelpraxis ist weder in Bezug auf die Vorstellung, wie ein Arzt heute arbeiten will, noch in Bezug darauf, wie man den Bedarf abdeckt, die optimale Lösung." Eins zeigt die Umfrage aber ganz klar: Den Ärzten macht ihre Arbeit - trotz allem - Spaß. Das sagten zumindest 94 Prozent der Befragten.