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Öko-Industrieparks in Indien

31. Mai 2011

Weltweit stehen Unternehmen unter Druck, umweltfreundlicher zu produzieren – besonders in Entwicklungsländern. Öko-Industrieparks könnten Firmen helfen, grüner zu werden und damit auch noch Geld zu sparen.

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Ein Arbeiter am offenen Feuer (Foto: KfW)
Die energiehungrigen Industrien in Indien brauchen saubere TechnologienBild: KfW-Bildarchiv / Bärbel Högner

Indiens Umweltminister Jairam Ramesh spricht oft davon, dass der Subkontinent in seiner schnellen Entwicklung zur Industrienation auf eine CO2-arme Wachstumsstrategie setzen sollte. Das gilt besonders für die energieintensiven Industriesektoren, wie Papier, Zement, Elektrizität, Dünger oder Textilien. Viele dieser Fabriken sind in staatlichen Industrieparks angesiedelt und verpesten Luft und Wasser. Oft vergiften sie auch die Böden.

Ein Weg, um die großflächige Industrieverschmutzung zu umgehen, könnten sogenannte Öko-Industrieparks sein. Der Begriff bezeichnet Industriekomplexe, in denen Unternehmen miteinander kooperieren, um Ressourcen zu teilen und effizienter zu nutzen – von Landflächen und Materialien über Transport bis hin zu Know-how und Energie.

Auch die Nutzung sogenannter grüner Energien spielt eine große Rolle in den Öko-Industrieparks. Die Idee dahinter: Firmen sollen ihren eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Öko-Industrieparks mit Kinderkrankheiten

Im südostindischen Bundesstaat Andhra Pradesch ist die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Aufbau ebensolcher Industrieparks beteiligt.

Fabrik mit qualmenden Schloten (Foto: CC/Jayesh Bheda)
Stark qualmende Fabrikschlote gehören in Indien zum AlltagsbildBild: CC/Jayesh Bheda

Das Ziel ist, bestehende Anlagen zu Öko-Industrieparks auszubauen. Viele dieser Anlagen sind älter als 30 Jahre; hier haben Hunderte von kleinen und mittleren Unternehmen ihren Sitz, die in unterschiedlichsten Sparten wie Lebensmittelproduktion, Maschinenbau oder Chemie tätig sind. Im Rahmen ihres "Upgrades" zum Öko-Standort werden neue Abwassersysteme, Regenablaufkanäle und Solarbeleuchtung installiert.

Eine Herausforderung ist allerdings, die Parkbetreiber und die ansässigen Firmen davon zu überzeugen, das nötige Geld zu investieren. "Das Problem ist nicht nur, dass es an grundsätzlicher Infrastruktur und Problembewusstsein mangelt", sagt N. Raghu Babu, der bei der GIZ als Experte für nachhaltige Industrieentwicklung arbeitet. "Dazu kommt, dass in Indien alle Unternehmen, inklusive jener in den Industrieparks, nach ihrem Selbstverständnis als individuelle Einheiten mit ausschließlich eigenen Interessen agieren. Ein Bewusstsein dafür, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, gibt es kaum."

'Wichtiger als je zuvor'

Das Prinzip, dass Firmen kooperieren und Ressourcen und Know-how miteinander teilen, ist ein Grundgedanke bei der Entwicklung von Öko-Industrieparks auf der ganzen Welt. Unterschiedliche Varianten dieses Konzepts finden sich zunehmend in Entwicklungsländern. Doch die meisten Öko-Industriestandorte gibt es immer noch in Europa und Nordamerika.

Ray Coté, ist emeritierter Professor an der Dalhousie Universität im kanadischen Halifax und beschäftigt sich seit den frühen 1990ern mit Öko-Industrieparks. Ein besonders gutes Beispiel existiert seiner Ansicht nach in Devens, im nordöstlichen US-Bundesstaat Massachusetts.

Dort haben die lokalen Behörden einen ehemaligen Armeestützpunkt zu einem Öko-Industriepark umgebaut und damit die Region neu belebt. Die ansässigen Firmen werden dazu angehalten, Neben- und Abfallprodukte zu nutzen sowie Transport- und Ausbildungskosten gemeinsam zu schultern.

In Deutschland, so Coté, hätten mehrere Chemieunternehmen ihre Anlagen zu energieeffizienten Industrieparks ausgebaut. So etwa im Frankfurter Stadtteil Höchst. Die dort ansässigen Chemie- und Pharmaunternehmen kooperieren in der Logistik und Abfallentsorgung.

"Solche Parks sind heute wichtiger als je zuvor", sagt Coté. "Wir müssen einen Weg finden, industrielle Kapazitäten innerhalb ökologischer Limits zu entwickeln und die Leistungen des Ökosystems auszugleichen, die verloren gehen, wenn wir Ressourcen nutzen." Eine Möglichkeit dies zu tun, seien Systeme, die eingesetzte Materialien und Ressourcen recyceln.

Das Null-Abfall Modell

Ein Öko-Industriepark, der seit langem genau das tut, steht im dänischen Kalundborg in der Nähe von Kopenhagen. 1961 erbaut, ist der Park auf mittlerweile rund 30 Unternehmen gewachsen und gilt als weltweit führendes Beispiel für ein Öko-Industrieprojekt.

Hier werden die Abfälle der einen Fabrik zur Ressource für eine andere: So wird etwa der Dampf eines Kraftwerks aufgefangen und in einem Pharmaunternehmen für den Produktionsprozess benutzt. Abwärme wird eingesetzt, um örtliche Wohnsiedlungen zu beheizen. Gips, ein weiteres Nebenprodukt aus dem Kraftwerk, verarbeitet eine Gipsplattenfabrik in ihren Produkten. Und ein weiteres Nebenprodukt aus der Pharmafabrik – Hefecreme – benutzt ein lokaler Bauernhof als Futter für seine Schweine.

Luftaufnahme einer weitläufigen Industrieanlage (Foto: Øyvind Hagen / Statoil)
Der Öko-Industriepark in Kalundborg gilt als einer der weltweit fortgeschrittenstenBild: Øyvind Hagen / Statoil

"Die Unternehmen bekommen Materialien, die sie benötigen. Das Material wird recycelt und der Produktionsprozess wird somit viel sauberer", erläutert Berndt Jespersen, ein technischer Berater des Kalundborg-Projekts.

Sauberes Wachstum

Für die Firmen in den Öko-Industrieparks ist das zweifellos eine Chance, sich grüner aufzustellen. Aber es gibt noch einen wichtigeren Grund für die Unternehmen, sich in einem Öko-Industriepark anzusiedeln – der positive Effekt auf die eigene Bilanz.

Lykke Schmidt ist Managerin für internationale Aktivitäten beim dänischen Pharmariesen Novo Nordisk, der in Kalundborg seine Insulinproduktion angesiedelt hat. Schmidt sagt, dass ihr Unternehmen "Kosten erheblich senken" konnte, weil es dank der vorhandenen Ressourcen in dem Öko-Industriepark keine eigene Dampfproduktion einrichten musste.

Sie fügt hinzu, dass die Produktionsstätte des Unternehmens in Kalundborg auch auf ausländisches Interesse stoße, besonders aus China, weil in dem Park vorgemacht werde, "wie Unternehmen wachsen und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt minimieren können". Dies sei gerade für Entwicklungsländer interessant.

Energieeffizientz ist 'guter Geschäftssinn'

N. Raghu Babu sieht dies ähnlich und verweist auf ein Trainingsprogramm für 14 Firmen im Öko-Industriepark-Projekt in Andhra Pradesch. Im Rahmen des Programms konnten die Firmen überzeugt werden, in eine gemeinsame Abfallaufbereitungsanlage zu investieren.

Der Grund dafür sei eine Rechnung gewesen, die er ihnen präsentiert habe: Wenn weniger Energie durch unzureichende Dämmung, Rohre und Kühlungen verschwendet würde, könnten innerhalb von acht Monaten 25 Millionen Rupien (rund 390.000 Euro) eingespart werden.

Arbeiter in einem Workshop sitzen vor ihren Nähmaschinen (Foto: picture alliance / Godong)
Öko-Industriepark-Netzwerke bieten besonders den kleinen Unternehmen viele VorteileBild: picture-alliance / Godong

"Es ist einfach guter Geschäftssinn auf Energie-Effizienz zu setzen, die Einsparungen sind riesig. Entsprechende Investitionen sind auf lange Sicht viel kosteneffektiver", sagt N. Raghu Babu. "Und die Umwelt und das Klima profitieren ebenso."

Autorin: Sonia Phalnikar
Redaktion: Ranty Islam