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Politik

Mahnung und Selbstkritik in Wien

12. März 2018

80 Jahre nach dem "Anschluss" an das Dritte Reich gedenkt die Regierung in Wien der österreichischen Opfer des Holocaust. Zur Erinnerung an die 66.000 Toten soll eine Namens-Gedenkmauer gebaut werden.

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Österreich Eröffnung der Klanginstallation im Rahmen des 80. Jahrestages des "Anschlusses" Österreichs an Nazideutschland
Österreichs Staatsspitze bei einer Gedenkminute auf dem Gelände der Wiener HofburgBild: picture-alliance/dpa/APA/picturedesk.com/H. Punz

Nachdrücklich brachte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Mitverantwortung Österreichs an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zur Sprache. "Österreicher waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter, oft in führenden Positionen", sagte das Staatsoberhaupt bei einer Zeremonie zum 80. Jahrestag des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Die "Verachtung für die Demokratie" habe sich bereits vor dem 'Anschluss' schleichend in Österreich eingenistet, stellte der ehemalige Grünen-Politiker fest.
Zugleich mahnte Van der Bellen die heutigen Generationen, den Rechtsstaat und die Menschenrechte mit großer Wachsamkeit zu beschützen. "Es gibt keine Entschuldigung für selbstverschuldete Unwissenheit, für Wegschauen, für historische Ignoranz, für Relativierungen", sagte der Bundespräsident.

Bundeskanzler Sebastian Kurz nannte die 1938 sofort einsetzende Verfolgung der Juden den Beginn eines "beispiellosen Leidenswegs, der uns bis heute beschämt und betroffen macht". Seine Regierung werde sich dafür einsetzen, dass in Wien ein Mahnmal mit den Namen aller 66.000 jüdischen Opfer entstehe, kündigte Kurz bei dem Staatsakt in der Hofburg an. Bei einer Kabinettssitzung am Mittwoch soll darüber abgestimmt werden. 

Österreich Wien Judenplatz
Am Wiener Judenplatz befindet sich bereits ein Mahnmal für die österreichischen Opfer der SchoahBild: imago/blickwinkel/Mc Photo/E. Wodicka

Rechtsextreme in der Regierungsverantwortung

Vor diesem Hintergrund hob der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, in einem Interview der Kronen-Zeitung hervor, dass mit der FPÖ in Wien "rechtsextreme Burschenschaften mitregieren, die den rassischen Antisemitismus erfunden haben, den 'Anschluss' als Erlösung feierten und die Befreiung 1945 als Niederlage betrauerten".

Am 12. März 1938 hatte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel der Bevölkerung die österreichische Grenze überschritten. Drei Tage später verkündete Diktator Adolf Hitler auf dem Wiener Heldenplatz den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Der Schritt war eine wesentliche Etappe auf dem Weg in den Zweiten Weltkrieg.

Ohne das Wort Islamismus in den Mund zu nehmen, machte Kurz deutlich, dass auch bei muslimischen Flüchtlingen keine Judenfeindlichkeit toleriert werde. "Es ist unsere Pflicht, gegen jede Form des Antisemitismus anzukämpfen, ganz gleich, ob schon lange vorhanden oder gerade frisch importiert."

Katholische Kirche zeigt sich reumütig

Alle Redner betonten, wie schwer sich Österreich jahrzehntelang damit getan habe, seine Mitschuld am NS-Regime und an dessen Gräueltaten einzuräumen. Auch die katholische Kirche, die eine zentrale Rolle bei der Anerkennung der Nazis als neue Machthaber spielte, übte deutlich Selbstkritik: Die damaligen Bischöfe hätten die "katastrophalen und menschenverachtenden Konsequenzen nicht deutlich genug erkannt oder benannt". Es schmerze, dass "gerade die Bischöfe" der Unmenschlichkeit und der Diktatur nicht entgegengetreten seien, heißt es in einer von Kathpress veröffentlichten Erklärung.

uh/jj (dpa, afp)