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Überfüllte Universitäten zum Semesterstart

4. Oktober 2011

Etwa eine halbe Million Erstsemester beginnen in den kommenden Tagen ihr Studium in Deutschland – so viele wie nie zuvor. Woher kommt der Ansturm und welche Maßnahmen haben deutsche Unis ergriffen, um ihm Herr zu werden?

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Studierende im Hörsaal der Universität in Köln (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

In den Räumen des AStA, des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses, der Universität Köln steht das Telefon nicht still. AStA-Vorsitzender Jonas Thiele hat zu Beginn des neuen Semesters alle Hände voll zu tun. Viele Erstsemester fragen wegen Wohnraum an, darunter sehr viele ausländische Studierende. Doch wie viele Studierende tatsächlich neu nach Köln kommen, wird sich in den Orientierungsphasen zeigen, die jetzt erst beginnen.

AStA-Vorsitzender Jonas Thiele, Uni Köln (Foto: Daphne Grathwohl/DW)
Jonas Thiele im AStA-BüroBild: D. Grathwohl/DW

Der Grund für den Ansturm: An vielen Gymnasien haben in diesem Jahr zwei Abiturjahrgänge ihren Abschluss gemacht. Die einen haben das Gymnasium regulär nach 13 Jahren beendet, die anderen nach der neuen Schulreform schon nach zwölf Jahren. Weil in diesem Jahr erstmals Wehrpflicht und Zivildienst ausgesetzt wurden, kommen auch viele derer, die sonst als Wehr- oder Zivildienstleistende beschäftigt gewesen wären, an die Unis. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh rechnet mit maximal einer halben Million Erstsemestern im Wintersemester 2011/2012 – mehr als je zuvor.

Volle Veranstaltungen trotz neuer Gebäude?

Rohbau des Servicecenters neben dem Hauptgebäude der Kölner Uni (Foto: Daphne Grathwohl/DW)
Rohbau des Servicecenters neben dem HauptgebäudeBild: D. Grathwohl/DW

Die Universität zu Köln reagiert mit verschiedenen Maßnahmen: Direkt neben dem Hauptgebäude wird beispielsweise das Studierenden-Servicecenter gebaut. Dort sollen unter anderem der AStA und das Studierendensekretariat untergebracht werden. "Der Bau wird aber erst Anfang 2013 fertig sein. Und er reicht trotzdem nicht, wenn ich mir anschaue, wie viele Seminare dort dann angeboten werden können", sagt Jonas Thiele vom AStA.

Überfüllte Veranstaltungen werden wohl weiterhin Realität bleiben, vermutet er. Für die Studenten, die er vertritt, wünscht er sich von Seiten der Uni Köln mehr Aufmerksamkeit für die Lehre, nicht nur für prestigesträchtige Forschungsprojekte. Das Verhältnis von Lehrkräften und Studierenden ist an vielen Universitäten je nach Fach denkbar schlecht. Und das, obwohl laut Statistischem Bundesamt die Zahl der Wissenschaftler an den Unis zuletzt deutlich gestiegen ist.

400 neue Stellen in der Lehre

Patrick Honecker, Pressesprecher der Uni Köln (Foto: Universität zu Köln)
Unisprecher Patrick HoneckerBild: Universität zu Köln

Auch an der Uni Köln habe man 400 neue Stellen geschaffen, berichtet der Pressesprecher der Universität zu Köln, Patrick Honecker: "Das Betreuungsverhältnis liegt ungefähr bei einem Professor für 69 Studierende." Bei Jura und in den Wirtschaftswissenschaften liege es allerdings eher bei eins zu 100, gibt er zu. Dabei habe sich das schon deutlich verbessert, früher kamen in diesem Bereich bis zu 150 Studierende auf einen Professor.

Außerdem verweist Honecker auf ein neues Seminargebäude und den Ausbau der Beratungsstellen. In Köln werde also einiges getan, sagt der Pressesprecher. "Bis man die 40.000 Studierenden in Köln adäquat betreuen kann, müsste man wieder ein paar hundert Stellen schaffen", räumt er allerdings ein. Das sei dann auch wieder ein finanzielles Problem, so Honecker.

Nicht nur studieren, sondern auch essen, schlafen - und leben

Die neuen Studienplätze werden durch die sogenannten Hochschulpakte I und II von den Bundesländern und vom Bund finanziert. Doch damit haben die Studierenden noch kein bezahlbares Zimmer oder günstiges Essen in der Mensa. Dafür sind in Deutschland die Studentenwerke zuständig: Sie beraten Studierende an den Hochschulen bei der Finanzierung ihres Studiums, bieten Sozialberatungen an, betreiben Wohnheime, Mensen, Kinderbetreuungsstätten und vieles mehr.

Achim Meyer auf der Heyde ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, des Dachverbands von 58 deutschen Studentenwerken in den Universitätsstädten. Er sagt Probleme bei der Verpflegung der Studierenden in den Mensen, aber auch bei der Unterbringung in Wohnheimen voraus: "Wir arbeiten natürlich mit Wohnungsunternehmen zusammen und versuchen mit Werbeaktionen, auch private Vermietern anzusprechen." Gelöst seien die Engpässe dadurch aber noch nicht.

Ausländische Studierende besonders benachteiligt?

Wohnungsangebot-Aushang vor dem AStA-Gebäude der Uni-Köln (Foto: Daphne Grathwohl/DW)
Wohnungen sind teuer in KölnBild: D. Grathwohl/DW

Besonders ausländische Studierende werden voraussichtlich unter dem Wohnraum-Mangel leiden. Sie wohnen besonders häufig in Studentenwohnheimen, denn wer nicht aus dem europäischen Ausland kommt, findet auf dem privaten Wohnungsmarkt kaum etwas. Zudem haben die ausländischen Studierenden im Schnitt etwa 100 Euro weniger Geld zur Verfügung als ihre deutschen Kommilitonen. Auch deshalb bevorzugen sie das günstigere Wohnheim-Zimmer. Das hat eine Erhebung des Deutschen Studentenwerks ergeben.

Doch auch deutsche Erstsemester gehen gerne erst einmal ins Wohnheim, um sich in der ersten Studienphase zu orientieren. "Dann werden einheimische und internationale Studierende noch stärker um Wohnplätze konkurrieren", sagt Achim Meyer auf der Heyde. "Hier ist ein zusätzliches Beratungsangebot erforderlich, mehr Hilfen für die internationalen Studierenden", sagt Meyer auf der Heyde. Und da würden die Studentenwerke natürlich auch noch stärker gefordert.

Das Problem wird Studierende, Studentenwerke und Hochschulen weiter begleiten: Bis 2015 fehlen gut 200.000 Studienplätze an den deutschen Hochschulen, hat das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) errechnet.


Autorin: Daphne Grathwohl
Redaktion: Gaby Reucher