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Überflüssiger Gletscher-Tourismus

17. August 2007

Eine Show-Veranstaltung vermutet fern.schreiber-Autor Jens Thurau hinter der Grönland-Reise der Bundeskanzlerin. Damit ihr der Koalitionspartner diese Tour nicht verdirbt, hat sie einen alten Trick angewendet.

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Fernschreiber Berlin
Bild: DW

Ein Gletscher ist aus Sicht eines Wissenschaftlers ein hochkomplexes Gebilde. Aus Sicht eines Laien ist ein Gletscher zunächst einmal nur ein Gletscher, ein großer Eisberg. Solange es kalt genug ist, bleibt er da, wo er ist, oder aber es wird wärmer, dann schmilzt er. Zurzeit schmilzt er. Nicht nur in Grönland, sondern überall auf der Welt. Schuld ist der Klimawandel, sagen die Experten. In Grönland ist das Ausmaß der Schmelze besonders groß, weil die Gletscher besonders groß sind. Einer von ihnen trägt den Namen Sermeg Kujalleg und ist dieser Tage beim Wechsel des Aggregatszustandes von der Bundeskanzlerin beobachtet worden. Angela Merkel hat auf ihren Flug in den hohen Norden nicht wie sonst auf Reisen üblich zahlreiche Journalisten, dafür aber ihren ehrgeizigen Umweltminister Sigmar Gabriel von der SPD mitgenommen. Mit ein bisschen parteitaktischen Hintersinn, wie noch zu zeigen sein wird.

Dass die Gletscher verschwinden, weiß man seit Jahren. Warum also fuhr die Kanzlerin in den Norden? Um sich selbst ein Bild zu machen? Reicht da nicht eine Internet-Recherche?

Geschickte Einbindung

Tatsächlich war die Reise eine Gratwanderung. Schnell ist der Vorwurf im Raum, da verursache jemand tonnenweise zusätzliches CO2 in Form von Flugzeug-Emissionen, nur um zu erfahren, was bekannt ist – zumal ja die Bundeskanzlerin einst ein versierte Umweltministerin war. Damit dieser Vorwurf nicht vom sowieso auf Krawall gebürsteten Koalitionspartner SPD erhoben werden konnte, durfte der sozialdemokratische Umweltminister mit in den Norden.

Merkel nahm ihren aufstrebenden Minister auch mit, um zu zeigen: Dein Anliegen, der Kampf gegen die Treibhausgase, ist auch meines, so sehr, dass ich dir das Thema nicht allein überlasse. Denn in den letzten Wochen hatte Gabriel Bekanntheit und Beliebtheit erheblich steigern können: Durch seinen Kampf gegen die störanfälligen deutschen Atomkraftwerke. Dabei konnte sich Gabriel auch gegen CDU und CSU profilieren, die die Kernenergie mehrheitlich nach wie vor stützen. Und so handelte die Kanzlerin nach einem alten, bewährten politischen Prinzip: Ruhigstellen durch Einbindung.

Schöne Bilder

Die Opposition meckerte ein bisschen herum an der Reise, aber nur leise. Außerdem war die Kanzlerin nicht die erste besorgte Gletscher-Besucherin: Vor ihr warnten schon Italiens Regierungschef Prodi und die Sprecherin des US-Kongresses, Pelosi, vor Ort vor den Folgen des Klimawandels. Diesmal gab es ein paar schöne Bilder von der Kanzlerin im roten Anorak, auch Gabriel trug einen roten Anorak, stand aber hinter seiner Chefin. Beider Gesichtsausdruck war angemessen ernst. So wichtig ist der Klimawandel geworden: Innerhalb der Regierung ringt man darum, wer dem Treibhauseffekt entschiedener den Kampf ansagt. Fürs Erste hat die Kanzlerin das Ringen für sich entschieden.