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Überwintern unter Palmen

Daniel Scheschkewitz19. Dezember 2002

Wer träumt nicht davon? Überwintern unter Palmen an schneeweißen Stränden wenn zuhause das Thermometer zielsicher die Minusgrade erreicht. Paradiesisch. Oder?

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In Florida, zwei Flugstunden von Washington D.C., verwirklichen inzwischen bis zu einer viertel Million Deutsche diesen Lebenstraum. Winter für Winter. Nicht wenige haben den "Sunshine State" der USA zu ihrem dauerhaften Altersruhesitz gemacht. Auf den ersten Blick hat die Idee etwas Bestechendes.

Bei Temperaturen von rund 25 Grad, einem badewarmen Meer und exotischer Blütenpracht rundherum könnte man leicht vergessen, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist. Doch dann besuche ich einige deutsche Rentner bei sich zuhause. Fernab der deutschen Heimat ist hier alles auf Weihnachten eingestimmt. Zwar will man dem kalten europäischen Winter entfliehen, die "O Tannenbaum" -Romantik darf trotzdem nicht fehlen. Und so schmettern die deutschen "Snowbirds" abwechselnd ‘O Du Fröhliche’ und ‘Jingle Bells‘, während "Frosty the Snowman" draußen als Kitschfigur den beleuchteten Vorgarten ziert.

Elektrokarren und Alligator

In Sun City Center, dreißig Autominuten vom Golf von Mexiko gelegen, führen amerikanische, kanadische und deutsche Rentner ein ungestörtes Leben. Lärmende Enkelkinder gibt es hier höchstens mal zu Besuch, jede Person unter 55 die sich hier länger als 30 Tage im Jahr aufhalten will, braucht eine Sondergenehmigung. Kriminalität und Straßengewalt, in anderen US-Städten an der Tagesordnung, gibt es hier praktisch nicht. Wenn sich mal mitten in der Nacht einer auf der Strasse verirrt, handelt es sich wahrscheinlich um einen Fall verwirrter Altersdemenz.

Überall gegenwärtig im Straßenbild: der elektrische Golfwagen, mit dem die Rentner nicht nur über die sieben Golfkurse des Städtchens brettern, sondern auch einkaufen gehen, den Hund ausführen und geschickt dem gelegentlichen Alligator ausweichen, der am Straßenrand sein Sonnenbad nimmt.

Ein Rentneridyll mit Vorbildcharakter?

Immer mehr Menschen in den USA entscheiden sich für einen solchen Lebensabend. Vorausgesetzt der Börsencrash hat die Altersersparnisse nicht aufgezehrt und die in Amerika sündhafte teure Krankenversicherung macht keinen Strich durch die Rechnung. Dann kann man den ganzen Tag ungestört Golf, Tennis und Volleyball spielen oder sich einem der fast 200 Clubs anschließen, die aus der eigentlich freien Zeit eine minutiös durchgeplante Beschäftigungstherapie werden lassen. Frei nach dem Motto, wer ruht der rostet wird Karten gespielt, getanzt, getöpfert und gedichtet bis weit über den Sonnenuntergang hinaus.

Doch auch in Sun City ist irgendwann Schluss mit Lustig, spätestens dann wenn der aktive Ruhestand in ‘Betreutes Wohnen’ übergeht und schließlich im Altersheim endet, auf der anderen Seite von Route 674 - ohne Familienanschluss und ohne Blick aufs Meer.