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Hilfe! Wo ist meine Aufstiegseuphorie?

7. Mai 2019

Zwei Spieltage vor Schluss steht der 1. FC Köln als erster Bundesliga-Aufsteiger fest. Bei DW-Sportredakteur Stefan Nestler, schon immer FC-Fan, will sich das typische Aufstiegsgefühl diesmal einfach nicht einstellen.

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Bayern, Fürth: Fußball: 2. Bundesliga, SpVgg Greuther Fürth - 1. FC Köln
Bild: Reuters/M. Dalder

Ja, ich freue mich. Irgendwie schon. Aber so richtig? Diesmal sehe ich es nicht mal live, weder im Stadion, noch in der Kneipe. Stattdessen schaue ich mir am Montagabend im Fernsehen eine zweitklassige Serie an. Gegen 21.30 Uhr der Blick in den Videotext: 3:0 zur Halbzeit bei der Spielvereinigung Greuther Fürth. "Da brennt nichts mehr an", denke ich, ohne dass mein Puls höher geht. 22.30 Uhr, noch mal zur Kontrolle der Videotext: 4:0, "Köln macht den Aufstieg perfekt", lautet die Titelzeile. "Das ist doch mal eine gute Nachricht", murmele ich vor mich hin - und höre nach draußen. Nichts, kein Gehupe eines Autokorsos, keine glückseligen FC-Fans, die auf der Straße die Vereinshymne intonieren. Abendruhe in einem Kölner Vorort. Als wäre nichts geschehen.

Meister zweiter Klasse

Dabei ist doch mein Leib- und Magenverein von klein auf, der 1. FC Köln, zum sechsten Mal aufgestiegen, hat am drittletzten Spieltag nicht nur die direkte Rückkehr ins Fußballoberhaus klar gemacht, sondern sich auch vorzeitig die "Meisterschaft" gesichert. Nicht umsonst setze ich das Wort in Anführungsstriche. Meister in der zweiten Klasse, das fühlt sich an wie ein Widerspruch in sich.

Stefan Nestler vor dem Stadion Köln
2014 - im Retro-Fanshirt zur AufstiegspartyBild: privat

Beim letzten Aufstieg war es anders. Damals war ich im Stadion, Ostermontag 2014, 3:1 gegen den VfL Bochum, ausverkauftes Haus, hinterher Tausende Zuschauer auf dem Rasen. Ich trug ein FC-Trikot, sang inbrünstig die Hymne mit und kehrte am Ende glücklich und ein wenig bierselig nach Hause zurück. Warum diesmal nicht?

Pflicht erfüllen ist unsexy

Zum einen wohl wegen des Spruchs, den ich in dieser Saison so oft gehört habe: "Mit der Mannschaft würde auch meine Oma aufsteigen." Fünf Euro fürs Phrasenschwein. Und doch ist es ja kein Zufall, wenn so viele Menschen immer wieder denselben doofen Spruch bemühen. Denn mit seinem starken Kader hätte der 1. FC Köln eigentlich in der Vorsaison gar nicht erst absteigen dürfen. Da nur wenige Profis den Klub verließen und auch der Etat mit 23 Millionen Euro erstligamäßig blieb, war die direkte Rückkehr in die Bundesliga somit fast schon Pflicht. Wie unsexy! Da bleiben schon mal die Emotionen auf der Strecke.

Alles Pfeifen

Ich habe viele Saisonspiele unseres FC gesehen, aber eigentlich keinen Gegner, der mehr Potential als unsere Mannschaft hatte. Die acht Niederlagen (bisher) waren allesamt so unnötig wie ein Kropf. Die Geißböcke schlugen sich selbst, weil sie ihre Hörner, sprich den Mumm, oder ihre Konzentration in der Kabine vergessen hatten. Wenn sie sich zusammenrissen, war kein Kraut gegen den FC gewachsen. Nehmen wir nur die Torjäger: Allein Simon Terodde (28 Tore) und Jhon Cordoba (20) trafen zusammen genauso oft oder sogar häufiger als 14 der 17 anderen kompletten Zweitligateams. Das sagt doch alles über die Konkurrenz, die eigentlich keine war.

Erstbesteigung des Kokodak Dome in China
Der Autor (l.) trug 2014 die FC-Fahne sogar auf einen bis dahin noch unbestiegenen 7000er (Kokodak Dome) Bild: DW/S.Nestler

Wenn der 1. FC Köln in der finalen Phase der Saison viermal in Folge sieglos bleibt, zweimal sogar verliert und trotzdem eigentlich auf dem Sofa den Aufstieg feiern kann (wegen der famosen Torbilanz hätten sich die Kölner nicht nur in Fürth, sondern wohl auch in den letzten beiden Spielen Niederlagen leisten können), dann ist doch etwas faul in Liga zwei. Als Beispiel soll der einstige Bundesliga-Dino Hamburger SV genügen. Was für eine Gurkentruppe! Und die kann sogar immer noch aufsteigen! Auch die anderen vermeintlichen Mitbewerber um den Aufstieg dilettieren nur so vor sich hin. Wie soll denn da, bitte schön, pure Begeisterung aufkommen? Wenn du der Beste unter solchen Pfeifen bist?

Schlechter Karnevalsscherz

Eine letzte Euphoriebremse für uns FC-Anhänger ist die Situation im "Karnevalsverein" (der FC hat diese Marke schützen lassen), die nach Jahren relativer Ruhe wieder mal wirklich karnevalesk anmutet: Erst wurde der Präsident Werner Spinner gegangen (ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht), dann auch Trainer Markus Anfang (ein Nachfolger ist da, wenn auch provisorisch). Nicht die Tatsache an sich, sondern das Wie beunruhigt. Auch ich war extrem skeptisch, ob Anfang wirklich der richtige Coach für die Bundesliga wäre. Nach vorne funktionierte sein System, aber hinten? Gegen die FC-Abwehr wirkte ja selbst ein Schweizer Käse schon fast wie ein Bollwerk. So kannst und wirst du in der Bundesliga nicht bestehen. Aber muss Sportchef Armin Veh den Trainer drei Spieltage vor Saisonschluss feuern? Wo der Aufstieg eigentlich schon in trockenen Tüchern ist und auch meine Oma … Ups!

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter