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Musik

100 Jahre Konzertdirektion Adler

Rick Fulker
20. September 2018

Von Barenboim bis Liberace, von Maria Callas bis Ella Fitzgerald: Witiko Adler hat viele Stars des Musikbusiness gekannt. Zu fast allen kann der Leiter der Konzertdirektion Adler auch Persönliches erzählen.

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Witiko Adler
Bild: imago stock&people

Am 20. September 2018 treten der Dirigent Daniel Barenboim und die Geigerin Anne-Sophie Mutter bei einem Benefizkonzert in der Berliner Philharmonie auf. Anlass ist der 100. Jahrestag der Gründung der renommierten Konzertdirektion Adler. Deren Leiter, Witiko Adler, ist am 30. Juli 2018 90 Jahre alt geworden. Und ist damit der wohl dienstälteste Künstleragent der Welt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Adler im September 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und stieg 1947 ins Konzertmanagement-Geschäft ein. 1948, nach dem Tod seines Vaters Hans Adler, übernahm er die Leitung der Konzertdirektion Adler. In der Nachkriegszeit nahm Witiko Adler maßgeblich am Wiederaufbau des Musiklebens in Deutschland teil.

Yehudi Menuhin
Ausnahmetalent: der Geiger Yehudi MenuhinBild: Imago/United Archives International

Zu seinen wichtigsten Prioritäten gehörte es, ausländische, und vor allem auch wieder jüdische Künstler ins Land zu holen. Manche weigerten sich lange, andere, wie der jüdische Geiger Yehudi Menuhin, gaben früh Konzerte im Zeichen der Versöhnung der ehemaligen Kriegsfeinde.

Witiko Adler war vor allem vom Charakter des Geigers Yehudi Menuhin sehr beeindruckt. "Für ihn war nur eines wichtig: Die Frage 'Was ist richtig? Was muss man tun?' Und: 'Man muss helfen.' Er war ein völlig unkomplizierter Mensch", sagt Adler im DW-Gespräch.

Lebende Enzyklopädie der Musik

Die Liste der weltberühmten Künstler, die Witiko Adler betreut hat, ist lang. Dazu gehörten Jazzmusiker wie Ella Fitzgerald und Oscar Peterson, der Sänger Sammy Davis Jr. oder auch der schrille amerikanische Pianist Liberace. Zum größten Teil sind es jedoch Klassik-Künstler: Claudio Abbado, Lorin Maazel, David Garrett und viele andere mehr.

Valentino Liberace US-amerikanischer Pianist
Auch der amerikanische Pianist Valentino Liberace kam durch Adler nach BerlinBild: picture-alliance/Photoshot

Wer so viele Berühmtheiten im Laufe der Jahre kennengelernt hat, weiß, ob ein Künstler launisch, kapriziös oder unberechenbar ist - und nur bei 70 Prozent Luftfeuchtigkeit im Raum Geige spielen kann. Dabei sind Künstler etwa so unterschiedlich wie andere Menschen auch. "Ich habe immer wieder gesagt: Als Manager handeln wir zusammen mit Menschen, also auch mit menschlichen Fehlern", sagt Adler. "Ich würde nicht sagen, dass es eine Künstlernatur gibt."

Leonard Bernstein als Beispiel etwa: "Wir waren ganz vernünftig beieinander, es gab zwischen uns nicht viel Theater", erzählt Adler: "Ich war bei jedem Konzert dabei. Er hat darauf bestanden. Auch mit Herbert von Karajan hatte ich eine sehr gute Verbindung. Er war für mich nie schwierig."

Herbert von Karajan mit Anne-Sophie Mutter
Herbert von Karajan mit Anne-Sophie MutterBild: picture-alliance

Karrierehelfer für Anne-Sophie Mutter

Adler war es auch, der Dirigent Herbert von Karajan mit der 13-jährigen Geigerin Anne-Sophie Mutter zusammenbrachte: Ihre gemeinsame Darbietung von Mozarts G-Dur-Violinkonzert bei den Salzburger Pfingstfestspielen im Jahr 1977 gilt als Anfang und Ausgangspunkt der Karriere der jungen Geigerin.

Die Jahre davor betreute die Konzertdirektion Adler auch das RIAS-Symphonie-Orchester (später "Radio-Symphonie-Orchester Berlin" beziehungsweise "Deutsches Symphonie-Orchester Berlin"). In der Konzertreihe "RIAS stellt vor" traten junge Künstler auf, die noch nie in Berlin gespielt hatten. "Irgendwann kam uns der Name Daniel Barenboim auf den Schreibtisch, und wir haben ihn verpflichtet", berichtet Adler im DW-Gespräch.

"Wir hatten den Intendanten der Berliner Philharmoniker Wolfgang Stresemann zum Konzert eingeladen. In der Pause sagte er mir dann: 'Wie soll der denn mit 40 spielen, wenn er jetzt schon so spielt?' Das waren die ersten Eindrücke von Barenboim. Nun vertreten wir hin mittlerweile seit fast 55 Jahren. Es ist eine sehr intensive Freundschaft geworden."

Daniel Barenboim
Daniel Barenboim als ganz junger PianistBild: Imago/United Archives International

Große Stimmen, berühmte Namen

Der Kontakt zur italienischen Opernsängerin Maria Callas dagegen war nur flüchtig – auch wenn viele Witiko Adler dennoch darum beneiden: "Wir haben ihr letztes Konzert in Berlin durchgeführt, zusammen mit dem Tenor Giuseppe di Stefano. Weil irgendwas durcheinander ging, hatte ich die Ehre, sie in meinem Wagen zum Hotel zu fahren. Sie hatte gerade einen kleinen Bären geschenkt bekommen, darauf stand: 'Für die größte Sängerin der Welt'. Sie sagte mir: 'Das nehmen Sie mit!' Der Bär steht heute noch bei mir zu Hause."

Zu seinen kostbaren Erinnerungsstücken gehört auch eine Zeichnung, die der deutsch-amerikanische Komponist Paul Hindemith angefertigt hat. Darauf sitzen zwei Adler auf einem Ast. Vor dem Baum steht Hindemith und dirigiert. Die Widmung unter der Zeichnung: "So herum geht's auch!"

Paul Hindemith
Paul Hindemith fertigte eine Zeichnung von AdlerBild: Getty Images

Alles besser damals?

Das Klassikpublikum sei überaltert, wird oft von Kritikern behauptet. Auch in dieser Frage ist Witiko Adlers Langzeitperspektive aufschlussreich: "Wir haben in unseren Konzerten immer viele Jugendlichen", sagt Adler. "Sie heiraten dann, kriegen Kinder und haben nicht mehr viel Zeit, und auch nicht so viel Geld, um unbedingt ins Konzert zu gehen. Wenn diese Periode vorbei ist, sind sie zwar ein bisschen älter, aber dann gehen sie wieder ins Konzert. Und sind sie plötzlich das alte Publikum."

Von Musikwettbewerben berichten Juroren, dass das spieltechnische Niveau junger Musiker im Laufe der Jahre und im Verlauf der Generationen kontinuierlich gestiegen ist. Ob heute mehr Künstler deshalb in Erscheinung treten? "Die Technik ist wirklich fortgeschritten", sagt Witiko Adler dazu. "Aber der Künstler als solcher wird allein deshalb nicht besser. Mit der Technik fängt es erst an. Ich gehe auch nicht zum Schneider und frage, wie er nähen kann. Wenn ich zum Schneider gehe, erwarte ich, dass er mir einen anständigen Anzug macht."

Witiko Adler beim LEA - Live Entertainment Award 2009
Der Mann, der die Künstler versteht: Witiko Adler bei der Verleihung des Live Entertainment Awards (2009)Bild: picture-alliance/dpa/Jazz Archiv

Adler sieht trotz seines hohen Alters zuversichtlich in die Zukunft: "Wir bieten die Ausstrahlung eines Künstlers, und zwar exklusiv. Alles andere muss über irgendwelche Medien gehen. Solange das gewünscht wird, mache ich mir keine Sorgen."

Die Konzert-Direktion Hans Adler feiert ihr 100-jähriges Bestehen am 20. September 2018 in der Berliner Philharmonie mit dem ersten Auftritt von Anne-Sophie Mutter und Daniel Barenboim als Duo. Die Einnahmen des Benefizkonzertes gehen an die Stiftungen der beiden Künstler zur Förderung junger Musiker.