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15 Jahre GUS

8. Dezember 2006

1991 zerfiel die Sowjetunion, die "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" entstand. Bis auf das Baltikum gehören alle ehemaligen Sowjetstaaten dazu. Inzwischen hat sich das Bündnis zerstritten – und wohl auch überlebt.

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Die GUS-Staatschefs kommen regelmäßig bei Gipfeltreffen zusammenBild: AP

"Ein Debattierclub von Staaten, die einmal zur Sowjetunion gehörten", sei die GUS, nichts weiter als ein "Bestattungsinstitut der UdSSR", ein "Halbtoter", der nie richtig gelebt habe - wenn es um die heutige Bedeutung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten geht, sind sich die meisten Kommentatoren einig: Das Bündnis sei auf dem besten Weg zur Selbstauflösung. Das war allerdings nicht immer so.

Friedliche Auflösung der Sowjetunion

Als die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 1991 gegründet wurde, gab es zahlreiche Fragen zu klären. Regelmäßig, in Abständen von nur wenigen Monaten, trafen sich die Staats- und Regierungschefs der ehemaligen Sowjet- und jetzt unabhängigen Staaten zu Gipfeltreffen, um das Erbe der Sowjetunion zu bewältigen: Aspekte wie der Umgang mit Atom- und anderen Waffen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie humanitäre Fragen und regionale Konflikte standen damals im Mittelpunkt.

Hier habe die GUS durchaus Erfolge vorzuweisen, sagt Gerhard Simon, Osteuropa-Historiker an der Universität Köln. "Es ist gelungen, den Übergang von der Sowjetunion auf eine große Anzahl von selbstständigen Staaten einigermaßen friedlich zu organisieren", erklärt er. "In der Sowjetunion ist kein zweites Jugoslawien entstanden, keine Kriege, kein Blut ist geflossen." Das sei nicht selbstverständlich. "An diesem friedlichen Auseinanderbrechen der Sowjetunion hat auch die Organisation GUS einen gewissen Anteil."

Russland dominiert

Friedlich geht es heute innerhalb der GUS allerdings nicht mehr zu. Interne Konflikte sind an der Tagesordnung, meist zwischen Russland und anderen Staaten, die sich in Richtung Westen orientieren: der Ukraine, Georgien oder auch der Republik Moldau. Auch gleichberechtigt sind die Mitgliedsstaaten nicht. Die GUS hat seit ihrer Gründung einen Geburtsfehler: die dominante Rolle Russlands.

"Die Gemeinschaft wurde zum Werkzeug Russlands, das sich seine Einfluss-Sphäre in der modernen Welt sichern will", sagt unter anderem die georgische EU-Botschafterin Salome Samadaschwili. Selbst Staatspräsidenten halten sich mit ihrer Kritik an der Vormachtstellung Russlands nicht weiter zurück. "Das Syndrom des Sowjetreiches können wir einfach nicht loswerden", bemängelte der Staatschef der Republik Moldau, Wladimir Woronin, beim GUS-Gipfeltreffen im November in Minsk. "Wir dürfen nicht ewig von einem ‚jüngeren’ und einem ‚älteren Bruder’ beziehungsweise einer ‚Schwester’ sprechen."

Staaten suchen neue, andere Verbündete

Aber diese Rolle als "großer Bruder" wollen immer weniger Staaten Moskau zugestehen. Sie orientieren sich um, denken laut über einen Austritt aus der GUS nach - oder setzen auf andere Bündnisse im osteuropäischen Raum, darunter die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft oder die Vereinigung GUAM - ein regionales Bündnis aus Georgien, der Ukraine, Aserbaidschan und der Republik Moldau. Die zentralasiatische Republik Turkmenistan ist seit 2005 nur noch assoziiertes Mitglied der GUS, Präsident Nijasow schickt lediglich Vertreter aus der zweiten Reihe zu den Gipfeltreffen.

Trotz aller Streitigkeiten - eine tatsächliche Auflösung der GUS strebt keiner der Mitgliedstaaten an. Eher denkt man über eine Reform der Organisation nach. Experten ist skeptisch. "Die GUS wird auch in Zukunft hin und wieder Gipfeltreffen abhalten oder Zusammenkünfte der Außenminister, ein paar Komitees wird es dort geben", sagt Osteuropa-Historiker Gerhard Simon, "aber außer den Banketts, die bei solchen Gelegenheiten stattfinden, wird nicht viel Reales dabei herauskommen."

Es sieht so als, als würde die GUS das bleiben, wofür viele Beobachter sie inzwischen halten: eine Organisation, die ihren Mitgliedern nicht mehr viel nützt, aber auch niemandem schadet.

Britta Kleymann
DW-RADIO/Russisch, 7.12.2006, Fokus Ost-Südost