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Ein Brite in Genf

Rolf Wenkel29. April 2008

Am 30. April 1993 wurde das World Wide Web aus der Taufe gehoben. Es war der Brite Tim Berners-Lee, der die Voraussetzungen dafür schuf, dass das Internet in seiner heutigen Form seinen Siegeszug antreten konnte.

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Für diese Schüler im US-Staat Maine gehört das WWW zum Schulalltag (Foto: AP)
Für diese Schüler im US-Staat Maine gehört das WWW zum SchulalltagBild: AP

Das Forschungszentrum für Teilchenphysik namens CERN überspannt die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich in der Nähe von Genf. Eingebettet zwischen Kalksteinhängen des Jura, zehn Minuten von den Skipisten entfernt, mit dem Genfer See zu seinen Füßen und dem oberhalb gelegenen Mont Blanc, bietet es einzigartige Forschungsmöglichkeiten für Physiker aus der ganzen Welt.

Unterirdischer Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf, Foto: AP
Unterirdischer Teilchenbeschleuniger in GenfBild: AP

Mit enormen Maschinen beschleunigen sie kleine Nuklearteilchen in einem 27 Kilometer langen kreisförmigen Tunnel 100 Meter unter der Erde auf ein extrem hohes Energieniveau und lassen sie dann aufeinander knallen, um neue Teilchen entstehen zu lassen. Wissenschaft in dieser Größenordnung ist so teuer, dass die Zusammenarbeit mehrerer Nationen erforderlich ist. Gastwissenschaftler führen ihre Experimente am CERN durch und kehren anschließend in ihre Heimat zurück, um die Daten auszuwerten.

Ordnung ins Chaos

Tim Berners-Lee, 1998 (Foto: AP)
Tim Berners-Lee (1998)Bild: AP

Tim Berners-Lee, ein britischer Software-Berater, heuerte beim CERN an, um Ordnung in das Chaos der verschiedenen Computer, Betriebssysteme und Datenbanken zu bringen. "Eine neue Generation von Computern, Betriebssystemen und Programmiersprachen wurde eingesetzt, ebenso eine Vielzahl von Netzwerkprotokollen", erinnert sich Tim Berners-Lee in seinem Buch "Der Web-Report". "Die Leute brachten ihre Geräte und Gewohnheiten mit. Dann gingen die Teams nach Hause zurück und mussten weiterhin zusammenarbeiten, wobei sie in unterschiedlichen Zeitzonen lebten und verschiedene Sprachen sprachen. In dieser ganzen Verschiedenheit war das CERN ein Mikrokosmos der übrigen Welt."

Ein Kosmos mit verstreuten Individuen, die Schwierigkeiten hatten, ihre Daten und Forschungsergebnisse auszutauschen. Tim Berners-Lee brachte das alles unter einen Hut. "Im Prinzip war alles schon da, ich habe es nur miteinander verheiratet," sagt Berners-Lee heute bescheiden. 1991 veröffentlichte er sein Programm World Wide Web. Er verzichtete auf eine Patentierung und Kommerzialisierung und sorgte so für eine rasche Verbreitung und Weiterentwicklung seines Konzepts.

"Das hätte jeder tun können"

Der erste Web-Server des CERN, Foto: DW
Der erste Web-Server des CERN war ein NEXT Computer aufgestellt von Robert Caillau

Dieses Konzept führte zwei Innovationen zusammen: Die visuelle und multimediale Darstellung von Inhalten aller Art, unabhängig vom jeweiligen Computer oder Betriebssystem, und die Verknüpfung von Informationen durch so genannte "Hyperlinks". Durch die Links, die man einfach anklickt, entstehen "Hypertexte", die auf weitere Informationen verweisen. Seitdem surft man mit Weiterentwicklungen von Tim Berners-Lees erstem Web-Browser durchs Netz und nutzt die von ihm formulierten technischen Standards wie das Übertragungsprotokoll HTTP und die Seitenbeschreibungssprache HTML.

"Das, was ich getan habe, hätte jeder tun können", sagt er heute. "Die Idee, das World Wide Web herauszubringen, war, als ob man ein Streichholz in eine Scheune wirft, die voll Stroh ist. Das Web hat sich ausgebreitet, weil viele Individuen kräftig mit geholfen haben, dass es angenommen wird."

1994 gründete Tim Berners-Lee das World Wide Web Consortium (W3C) am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, das seitdem mit Berners-Lee als Direktor die technische Weiterentwicklung des WWW koordiniert. Oft wird er gefragt, ob er nicht enttäuscht sei, dass das Internet so kommerziell geworden ist. Tim Berners-Lee sieht das nicht so: "Das Internet soll ein unverseller Raum sein - da kann man nicht irgendein Gebiet ausschließen. Viele fragen mich: Bist Du nicht enttäuscht, dass es so viel Unsinn im Web gibt? Aber niemand ist verpflichtet, das alles zu lesen. Das Internet ist im Großen und Ganzen nur ein Spiegel des Lebens."