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15.11.2010: Das Polohemd muss weg!

15. November 2010

Nach einer erlebnisreichen Reise ist DW-Reporter Ali Almakhlafi endlich in Mekka eingetroffen. Der Hadsch hat schon begonnen, DW-User stellen erste Fragen - aber zunächst muss unerwartet die Kleidung gewechselt werden.

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DW-Reporter Ali Almakhlafi ist in Dschidda angekommen Rechte: DW/Ali Almakhlafi
DW-Reporter Ali Almakhlafi ist in Dschidda angekommenBild: DW/Ali Almakhlafi
Die Al Haram-Moschee in Mekka (Rechte: EPA/YAHYA ARHAB )
Die Al Haram-Moschee in MekkaBild: picture-alliance/dpa

Der Hadsch hat begonnen: Am Sonntag (14.11.) war es soweit: Zwei Millionen Pilger aus aller Welt - und ich als pilgernder Reporter mittendrin! Ich habe die Heilige Moschee, die Al Haram-Moschee, mit der Kaaba im Zentrum betreten. Und ich muss sagen: Ich bin absolut fasziniert. Es ist ein Riesenunterschied, ob man Fotos sieht oder Artikel liest, und dann tatsächlich davor steht.

Ich habe den Kölner Dom gesehen, den Vatikan besichtigt, die Hagia Sophia in Istanbul besucht – und doch ist die Kaaba für mich etwas ganz besonderes. Erinnerungen an den Religionsunterricht im Jemen werden wach, und irgendwie schließt sich für mich der Kreis. Eigentlich war ich mit einer Gruppe Pilger zusammen unterwegs. Doch hier im Gewühl habe ich sie verloren. Macht nichts, sage ich mir, denn das Erlebnis hier in der Moschee muss ich erst einmal verarbeiten. Trotz des tiefen Eindrucks, den die Kaaba auf mich macht, bleibe ich die ganze Zeit Reporter, obwohl ich inzwischen auch wie ein Pilger aussehe. Und das kam so…

Um die Sicherheit von zwei Millionen Pilgern kümmern sich rund 100.000 Sicherheitskräfte (AP Photo/Hassan Ammar)
Um die Sicherheit von zwei Millionen Pilgern kümmern sich rund 100.000 SicherheitskräfteBild: AP

Denn anders als ich geplant hatte, habe ich Poloshirt und Jeans gegen das weiße Pilgergewand getauscht. Das habe ich nach unvorhergesehenen Strapazen so beschlossen: Ich bin zwar als Journalist hier – aber ich möchte ab sofort nicht mehr als Besucher erkennbar sein! Das bringt nur Stress. Ich werde mich jetzt selbst wie ein Pilger kleiden …

Glattrasiert und im legeren Journalisten-Outfit kann man sich durchaus deplatziert fühlen unter Heerscharen muslimischer Pilger. Mir ergeht das eigentlich seit meinem Abflug in Frankfurt / Main. Nicht nur die anderen Fluggäste haben mich anfangs etwas verwundert gemustert. Auch keiner der Mitarbeiter am Schalter der Saudi Airlines wollte mir auf Anhieb glauben, dass ich wirklich zu der Gruppe von Reisenden gehöre, die das spezielle Hadsch-Visum im Pass haben. Pilger haben nicht nur ein spezielles Visum, sondern sie müssen ihre Koffer ordnungsgemäß mit Aufklebern für das separate Hadsch-Terminal am Flughafen Dschidda bekleben.

Um es vorwegzunehmen: Die Aufkleber habe ich dann doch noch anstandslos erhalten und auch mein Gepäck ist am richtigen Terminal angekommen – ich jedoch zunächst einmal nicht. Denn natürlich haben mich die Mitarbeiter am Flughafen Dschidda wegen meines „zivilen“ Outfits prompt zum Terminal für Nicht-Pilger geschickt, wo ich mich plötzlich unter lauter internationalen Touristen und Geschäftsreisenden wiederfand. Mehr als eine Stunde Zeitverzögerung und große Verwirrung…. Erst um Mitternacht stellt sich endlich heraus: Es gibt noch einen Bus zum Hadsch-Terminal. Ich bin der einzige, weil verspätete Fahrgast.

Ein Amerikaner in Mekka

Pilger, Saudis und Ausländer fliegen nach Dschidda in Saudi Arabien Rechte: DW/Ali Almakhlafi
Flughafen Frankfurt/Main: Pilger, Saudis und Ausländer fliegen nach Dschidda in Saudi ArabienBild: DW/Almakhlafi

Das hätte Jack (Name geändert) nicht passieren können. Jack ist Amerikaner und vor mehreren Jahren zum Islam konvertiert. Ich treffe ihn das erste Mal auf dem Flughafen in Frankfurt und spreche ihn auf seine weiße Hadsch-Kleidung an. Wie er sich darin fühle, möchte ich wissen, schließlich trügen die meisten Menschen aus westlichen Ländern eine solche Kleidung allenfalls auf Kostümpartys oder an Karneval. „Einige Leute hier finden das wahrscheinlich wirklich ziemlich komisch“, sagt Jack. „Das kann ich in ihren Blicken sehen.“ Aber das mache ihm nichts aus, betont er. „Die Hadsch-Kleidung ist ja absichtlich so einfach und bescheiden. Sie zeigt, dass es im Glauben keinerlei Unterschiede gibt zwischen Reich und Arm oder zwischen Schwarz und Weiß usw.“ Jack sagt das als Muslim. Aber so wie er es sagt, mit typischem US-Akzent, klingt es durchaus auch wie ein amerikanisches Ideal…

Fliegen, Shoppen, CNN gucken

Im Flugzeug laufen US-Filme mit arabischen Untertiteln Rechte: DW/Ali Almakhlafi
Im Flugzeug laufen US-Filme mit arabischen UntertitelnBild: DW/Almakhlafi

Ein paar weitere bemerkenswerte Erfahrungen mache ich an Bord meines Flugs nach Dschidda. Zum Beispiel: Die meisten Pilger hier gucken CNN - und einige wenige auch amerikanischen Spielfilme, in denen einige (aus westlicher Sicht eher harmlose) Liebesszenen vorsichtig wegretuschiert wurden. Die Stewardessen tragen Kopftuch und sprechen selbst mit arabischen Passagieren fast nur englisch. Und viele der bärtigen Männer, die mir anfangs eher streng, konservativ und humorlos erschienen, entpuppen sich während des Fluges als freundliche Familienväter, die vergnügt mit ihren Kindern spielen und ihren eher locker verschleierten Frauen beratend beim Kauf von Make-Up aus dem Duty-Free-Sortiment zur Seite stehen.

Zutrittsverbot für Christen

Eine Stewardess mit einer modernen Interpretation des traditionellen Kopftuches Rechte: DW/Ali Almakhlafi
Eine Stewardess mit einer modernen Interpretation des traditionellen KopftuchesBild: DW/Almakhlafi

Bevor ich gleich endgültig Poloshirt und Jeans gegen mein neues Hadsch-Gewand tausche, möchte ich noch schnell allen Usern danken, die meine ersten Tagebuch-Einträge auf den englischen, deutschen und arabischen Facebook-Seiten der Deutschen Welle kommentiert und mir eine gute Reise gewünscht haben! Auf der arabischen Seite hat mir der User Hans Youssef Ernst aus Deutschland zudem eine persönliche Frage gestellt, auf die ich gerne eingehen möchte: „Ich bin Christ und möchte einmal gemeinsam mit meinen muslimischen Freunden die religiösen Feiern in Mekka erleben. Meinst Du, dass dies in Zukunft möglich sein wird?“

Flughafen Dschidda, Pilger-Terminal: Hier müssen zwei Millionen Pilger mit ihrem Gepäck durch Rechte: DW/Ali Almakhlafi
Flughafen Dschidda, Pilger-Terminal: Hier müssen zwei Millionen Pilger mit ihrem Gepäck durch Bild: DW/Almakhlafi

Ich wage hier keine Prognose, lieber Hans Youssef: Nach meinem Wissen und Verständnis gibt es im Koran kein explizites Mekka-Verbot für Nicht-Muslime – aber so etwas ist natürlich immer Auslegungssache. Nach saudischer Auffassung ist Nicht-Muslimen das Betreten der heiligen Stätten jedenfalls strengstens verboten. Ein islamischer Gelehrter hier in Mekka hat mir dazu gesagt: „Das sollte genauso akzeptiert werden wie die westlichen Verfassungen von den im Europa lebenden Muslimen akzeptiert werden müssen. Man darf das keineswegs als fehlenden Respekt oder als Verachtung gegenüber Nicht-Muslimen interpretieren.“

Unter islamischen Gelehrten gibt es aber verschiedene Meinungen zu dem Verbot. Und es gibt sogar einen prominenten arabischen Politiker, der diese Regelung scharf kritisiert: Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, der ja nicht gerade als Freund des Westens bekannt ist, hat bereits vor fünf Jahren gefordert, Christen und Juden den Zugang nach Mekka zu ermöglichen. Bisher allerdings vergeblich…

Am heutigen Montag (15.11.) möchte ich die Gebete der Gläubigen am Berg Arafat miterleben und anschließend zum Opferfest nach Mina gehen. Ich habe schon viele Stimmen von anderen Pilgern gesammelt, die gibt es dann in meinem nächsten Tagebuch-Eintrag zu lesen.

Autor: Ali Almakhlafi
Redaktion: Rainer Sollich