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Mazedonien Unabhängigkeit

8. September 2011

Mazedonien feiert zum 20. Mal den Tag seiner Unabhängigkeit. Der Weg zu dem erklärten Ziel einer EU- und NATO-Mitgliedschaft hat sich bislang als schwierig erwiesen. Die größte Hürde: der Namensstreit mit Griechenland.

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Eine mazedonische Flagge und Menschen (Foto: Petr Stojanovski)
Hartnäckiger Namensstreit unter NachbarnBild: Petr Stojanovski

Vor 20 Jahren gingen die Mazedonier an die Wahlurnen. Sie sollten darüber entscheiden, ob sie die Unabhängigkeit haben wollten. Das Votum der mazedonischen Bürger beim Referendum vom 8. September 1991 war überwältigend: Fast 98 Prozent der Stimmberechtigten stimmten für einen eigenständigen und unabhängigen Staat nach dem Zerfall Jugoslawiens. Übereinstimmendes Ziel der Politik und des Großteils der Gesellschaft war die EU- und NATO-Mitgliedschaft eines demokratischen und wirtschaftlich erfolgreichen Mazedoniens. Bald hat sich aber gezeigt, dass der Weg lang wird.

Große Hindernisse

Landkarte der auseinander driftendn Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien (Grafik: DW)9_symbolbild_zerfall_jugoslawiens_länder.psd
Mazedonien wandte sich auch von Belgrad abBild: DW

Die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit durch die westlichen Länder hatte sich mehrere Jahre hingezogen. Eine von der EU eingesetzte Schiedskommission stellte schon Anfang 1992 fest, dass von allen Teilrepubliken Ex-Jugoslawiens nur Slowenien und Mazedonien alle Bedingungen erfüllten, um international anerkannt zu werden. Deutschland hat bald danach im Alleingang Slowenien und Kroatien anerkannt, Mazedonien aber erst 1996. Mazedonien ist aber nicht gleich entschieden in Richtung Eigenständigkeit geschritten, sondern versuchte zuerst, zusammen mit Bosnien und Herzegowina, die zerfallende jugoslawische Föderation zu retten. Erst mehr als anderthalb Jahre nach der Unabhängigkeit konnte Mazedonien 1993 UNO-Mitglied werden. Aber nur unter der provisorischen Bezeichnung FYROM (former Yugoslav Republic of Macedonia) - wegen des griechischen Einspruchs gegen den offiziellen Staatsnamen der Republik Mazedonien.

Mazedonien musste mit den wirtschaftlichen Folgen des Krieges in den anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien und mit zwei Embargos kämpfen. Davon ein internationales gegen Serbien und ein einseitiges Handelsembargo von Griechenland gegen Mazedonien. Während des Kosovo-Krieges 1999 nahm das arme Land vorübergehend 300.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo auf. 2001 stand Mazedonien selber am Rande eines Bürgerkrieges. 2005 erlangte das Land Kandidatenstatus für den Beitritt in die EU, wartet aber noch immer auf einen Termin für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Seit 2008 ist Mazedonien reif für die NATO-Mitgliedschaft, finden auch die Mitgliedsstaaten des Militärbündnisses selber. Trotzdem ist es noch nicht in die Allianz aufgenommen worden.

Zwischen Abgrund und Koexistenz

Zwei Probleme blieben in den vergangenen 20 Jahren auf der Tagesordnung: der Namensstreit mit Griechenland und die interethnischen Beziehungen in dem multiethnischen Staat. Mit der zweiten Frage konnte Mazedonien besser als die anderen in der Region umgehen. Mit dem nach dem bewaffneten Konflikt 2001 vom Westen vermittelten Ohrider-Rahmenabkommen wurde der Konflikt zwischen den aufständischen Albanern und den Sicherheitskräften des Staates beigelegt, aber auch die Grundlage für das Zusammenleben aller Volksgruppen in Mazedonien geschaffen.

Die allgemeine Lage der albanischen Minderheit ist wesentlich besser geworden. Sie ist paritätisch in den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen vertreten. Darüber hinaus ist eine der albanischen politischen Parteien regelmäßig Partner in der Regierungskoalition. Albanisch wird als Amtssprache in dem Parlament gesprochen und die albanische Flagge darf legal neben der mazedonischen gehisst werden. Es sind zwar keine idyllischen, aber doch annehmbare interethnische Beziehungen, die das Potenzial zur Weiterentwicklung haben.

Zukunft in der Sackgasse

Es ist kurios und in den internationalen Beziehungen einmalig, dass ein Land dem anderen das Recht auf den eigenen Namen abstreitet. Dass Provinzen oder Territorien in verschiedenen Ländern den gleichen Namen tragen, kommt nicht so selten vor. 133 Länder haben Mazedonien unter dem Verfassungsnamen Republik Mazedonien anerkannt, darunter auch drei ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - die USA, China und Russland. Griechenland fürchtet allerdings, dass mit dem Namen der Republik Mazedonien Gebietsansprüche an die gleichnamige griechische Provinz im Norden einhergehen könnten. Athen lehnt es daher kategorisch ab, den Namen Republik Mazedonien anzuerkennen.

UN-Vermittler im Namensstreit zwischen Skopje und Athen, Matthew Nimetz, gestikuliert am Rednerpult (Foto: AP)
Matthew Nimetz vermittelt für die UN im NamensstreitBild: AP

Zur Schlichtung im Namensstreit wurde unterdessen auch ein UN-Vermittler eingesetzt. Dass der kleine Nachbar mit etwa seinen zwei Millionen Einwohnern eine Gefahr für Griechenland darstellt, ist kaum vorstellbar. Denn Mazedonien ist wirtschaftlich schwach, noch dazu abhängig von griechischen Investoren. Den mazedonischen Streitkräften gehören nur ein paar Tausend Soldaten an. Es ist in der mazedonischen Verfassung verankert, keine territorialen Ansprüche gegenüber den Nachbarn zu erheben.

Fast 50 Jahre existierte eine Teilrepublik Mazedonien in der jugoslawischen Föderation, das störte Griechenland nicht – was die heutigen Ansprüche nicht besonders glaubwürdig macht. Wegen des Namensstreits blockierte Griechenland die EU-Integration Mazedoniens und legte Veto gegen den Beitritt dieses Landes in die NATO ein. Obwohl es sich mit einem Abkommen von 1995 dazu verpflichtet hatte, den Beitritt Mazedoniens nicht zu behindern, solange er unter der Bezeichnung FYROM erfolgt. Dies führte sogar zu einer Klage Mazedoniens gegen Griechenland vor dem Internationalen Gerichtshof. Geht es Griechenland nur um den Namen, wie es öffentlich behauptet wird, oder will es die Identität der Mazedonier leugnen, wie die mazedonische Seite vermutet?

Der Namensstreit aus deutscher Sicht

Die Fahne Deutschlands weht vor dem Berliner Reichstag, dem Sitz des Deutschen Bundestages (Foto: picture-alliance)
Berlin setzt auf DialogBild: picture-alliance/ ZB

Der Deutsche Bundestag empfahl in einer Deklaration aus dem Herbst 2004, den offiziellen Namen der Republik Mazedonien anzuerkennen. Die Regierung ist bis heute fest auf EU-Linie geblieben. Deutschland sei der Politik der EU gegenüber der Region gebunden und habe kein Recht auf selbstständige Aktivitäten und individuelles Verhalten erklärte Gernot Erler 2009, damals als Staatssekretär im Außenministerium. Berlin könne praktisch nichts tun, bis das Problem mit dem Namen nicht gelöst werde.

Über den Namensstreit sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle Anfang dieser Woche nach einem Gespräch mit seinem mazedonischen Amtskollegen Nikola Poposki in Berlin: "Wir setzen auf den Erfolg der Gespräche, die jetzt zwischen Griechenland und Mazedonien stattfinden – und zwar unter der Vermittlung der UN. Ich hoffe sehr, ich hoffe von Herzen sehr, und zwar im Interesse der Mazedonier, aber auch im Interesse Europas und aller Mitgliedstaaten in Europa, dass die Schwierigkeiten die es derzeit noch gibt, bald überwunden werden können."

Die CDU-Europaabgeordnete Doris Pack findet die griechische Blockade Mazedoniens "unfair" und "uneuropäisch". Der deutsche Historiker Christian Voss betonte in einem früheren Interview für die Deutsche Welle, die Frage der Minderheiten stehe ganz klar "hinter der großen Aufregung" um den Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien. Voss, Kenner der Lage der Minderheiten in der griechischen Provinz Mazedonien, sagte, Griechenland habe in den 1930er Jahren eine Politik der Assimilierung der slawischsprachigen Minderheit betrieben. Nach dem Bürgerkrieg von 1945 bis 1949 in Griechenland seien Zehntausende Angehörige dieser Minderheit, die an der Seite der geschlagenen Kommunisten kämpften, ausgewiesen worden. Dies seien wichtige Hintergrundinformationen, um zu verstehen, warum die Griechen so hartnäckig eine Lösung in der so genannten mazedonischen Frage blockierten, so Voss.

Autor: Zoran Jordanovski
Redaktion: Mirjana Dikic