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2022: Fünf Gefahren für die Weltwirtschaft

Ashutosh Pandey
30. Dezember 2021

Die Erholung der Weltwirtschaft wird durch die anhaltende COVID-Pandemie gebremst. Es gibt jedoch noch weitere Risiken für die Wirtschaft. Die fünf größten Probleme.

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Großbritannien: Felixstowe-Docks in Suffolk
Bild: Gareth Fuller/empics/picture alliance

Anfang 2021 sah es noch gut aus: Die globale Wirtschaft nahm kräftig Fahrt auf. Aber schon kurze Zeit später, in der zweiten Jahreshälfte, verlangsamte sich das Wachstum. Gerissene Lieferketten, Engpässe auf dem Arbeitsmarkt, neue Corona-Wellen und das langsame Impftempo, insbesondere in einkommensschwachen Entwicklungsländern, trugen dazu bei.

In Folge passten auch die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Oktober bzw. Dezember ihre globalen Wachstumsprognosen für dieses Jahr an.

An ihren Prognosen für das kommende Jahr veränderten sie jedoch erst einmal nichts. Allerdings warnten sie davor, dass neue COVID-Varianten das Wachstum weiter ausbremsen könnten und es daher immens wichtig sei, die große Mehrheit der Weltbevölkerung schnell zu impfen.

Impfstoffresistente COVID-Varianten

Im November wurden die Finanzmärkte von einem Schreckensszenario überrascht: In Südafrika war eine neue Coronavirus-Variante entdeckt worden: Omikron. Sie ist hochgradig ansteckend, was sich auch an den Börsen widerspiegelte. Weltweit stürzten die Finanz- und Rohstoffmärkte ab.

In der darauffolgenden Woche gab es weiterhin Schwankungen an den globalen Märkten, da die Anleger keine klare Vorstellung hatten, wie sich Omikron auf die Wirtschaft auswirken kann. In vielen Ländern wurden inzwischen die Corona-Beschränkungen verschärft, um die Variante in Schach zu halten. Das bekommen auch die Unternehmen zu spüren.

Niederlande Rotterdam | Lockdown | Leere Straßen
Die neue Variante Omikron hat in einigen Ländern schon wieder zum Lockdown geführt, beispielsweise in den Niederlanden (Foto), in Großbritannien und DänemarkBild: Abdullah Asiran/Anadolu Agency/picture alliance

Die Hoffnungen ruhen nun darauf, dass die Omikron-Variante zwar übertragbarer ist als die Delta-Variante, aber nicht so tödlich und dass Geimpfte und Genesene weiterhin einen gewissen Immunschutz haben. Während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten analysieren, haben die Strategen von JP Morgan erklärt, dass Omikron, wenn die Variante tatsächlich weniger tödlich sein sollte, das Ende der Pandemie beschleunigen könnte.

Allerdings ist auch Omikron noch nicht unbedingt das Ende der Fahnenstange. Es könnten zukünftig weitere Varianten entstehen, die den Wirtschaftsaufschwung aus der Bahn werfen würden. Experten warnen schon lange davor, dass, wenn die Pandemie weiter wütet, impfstoffresistente COVID-Varianten entstehen können.

"Wenn COVID-19 die Welt mittelfristig weiter in Atem hält, könnte das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den nächsten fünf Jahren um insgesamt 5,3 Billionen Dollar (4,6 Billionen Euro) niedriger ausfallen als in unserer aktuellen Prognose", sagte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath im Oktober.

Die oberste Priorität sollte sein, 2021 40 Prozent der Bevölkerung in jedem Land vollständig zu impfen und bis Mitte 2022 mindestens 70 Prozent, so Gopinath. Bislang sind in Ländern mit niedrigem Einkommen allerdings nur weniger als fünf Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

Infografik COVID-19 Länder mit Omikron 14.12. 08:30 DE

Die Pandemie bleibt also ein großes Risiko für das weltweite Wirtschaftswachstum. Daneben gibt es aber noch weitere Risiken, die die Anleger im Jahr 2022 in Atem halten dürften.

Engpässe in den Lieferketten

Unterbrechungen in den Lieferketten haben in diesem Jahr maßgeblich dazu beigetragen, die weltweite Erholung zu verzögern. Verzögerungen in der Schifffahrt und ein Mangel an Schiffscontainern haben auf der einen Seite das Angebot verkleinert. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage nach vielen Gütern, nachdem die Corona-Beschränkungen gelockert wurden, stark gestiegen. So suchen in vielen Branchen die Hersteller händeringend nach Komponenten und Rohstoffen.

Mit zu den am stärksten betroffenen Branchen gehört der Automobilsektor. Viele Autobauer mussten ihre Produktion immer wieder drosseln oder zeitweise ganz einstellen, weil ihnen Zwischenprodukte, insbesondere Halbleiter, fehlten.

Zwar gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Versorgungsengpässe entspannen, weil mehr Chips produziert und exportiert werden und die Transportkosten sinken, aber Experten glauben, die Versorgungsengpässe das Wachstum noch bis weit ins nächste Jahr hinein belasten werden. "Wir erwarten, dass sich die Situation im Jahr 2022 nicht entspannen wird. Das wird erst dann der Fall sein, wenn 2023 neue Kapazitäten für den Seetransport zur Verfügung stehen oder wenn Firmen ihre Lieferketten so umstellen, dass die Zulieferer wieder näher am Heimatmarkt sitzen," sagt Frank Sobotka, Geschäftsführer des Transport- und Logistikunternehmens DSV Air & Sea Deutschland, der DW.

Deutschland Produktionsstart des VW ID.3
Mal wird gearbeitet, dann wieder nicht. Lieferengpässe haben VW immer wieder gezwungen Teile der Produktion vorübergehend zu stoppen.Bild: Matthias Rietschel/dpa/picture alliance

Steigende Inflation

Die Knappheit an Rohstoffen und anderen Gütern sowie höhere Energiepreise haben die Inflation in der Eurozone und in den USA auf ein Mehrjahreshoch getrieben. Das beunruhigt weltweit die Finanzmärkte. Bei vielen geht die Angst um, die Zentralbanken die Zinssätze vorzeitig erhöhen, um die steigenden Preise zu zügeln.

Die Expertinnen und Experten der Europäischen Zentralbank (EZB) gehen davon aus, dass die Preise durch vorübergehende Faktoren wie Lieferengpässe, höhere Energiepreise und Basiseffekte in die Höhe getrieben werden. Sobald die Auswirkungen des weltweiten Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage abklingen, werde sich auch die Inflation abkühlen, heißt es von der EZB.

Die Unterbrechungen der Lieferketten erweisen sich allerdings als hartnäckiger als bisher gedacht. So wird sich die Inflation voraussichtlich noch fast das ganze Jahr 2022 weiter heiß laufen.

In den USA dürften die Sorgen noch größer sein. Hier wird die Inflation von der raschen wirtschaftlichen Erholung, massiven fiskalischen Anreizen sowie Arbeits- und Angebotsengpässe getrieben. Die US-Notenbank hat angekündigt, ihre Anleihekäufe schneller zurückzufahren und hat Zinserhöhungen für 2022 in Aussicht gestellt. Eine Zinserhöhung durch die Fed könnte für einige Schwellenländer, darunter Südafrika, Argentinien und die Türkei, Probleme mit sich bringen und zu einer erneuten Kapitalflucht führen.

Hartes Durchgreifen in China

Ein langsameres Wachstum in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, könnte die Sorgen an den Finanzmärkten im Jahr 2022 noch verschärfen. Die asiatische Wirtschaftsmacht hat der Welt 2020 aus der pandemiebedingten Rezession herausgeholfen. Es war die einzige große Volkswirtschaft, die im vergangenen Jahr gewachsen ist. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von acht Prozent erwartet, damit wäre China nach Indien die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft.

Der Aufschwung wird jedoch vom harten Durchgreifen Pekings gegen die heimischen Tech-Titanen wie Alibaba und Tencent, gegen hoch verschuldete Immobilienunternehmen wie Evergrande und Kaisa sowie gegen die private Bildungsindustrie gebremst. Führende chinesische Beamte haben versucht, die Nerven zu beruhigen, indem sie erklärten, dass die Stabilisierung der Wirtschaft ihre oberste Priorität für das nächste Jahr sei. Das nährte die Hoffnung auf einen fiskalischen Stimulus Anfang 2022.

Außerdem bleibt Pekings Zögern, seine Null-Covid-Strategie aufzugeben, die das Land seit mehr als einem Jahr isoliert und drakonischen Restriktionen schon bei kleinsten Ausbrüchen zur Folge hat, ein großes Risiko für die Weltwirtschaft.

China | Coronavirus | Desinfektion per Drohne
Taucht ein Corona-Fall auf, greift China hart durch. Die Grenzen sind so gut wie dicht und Reisen innerhalb des Landes werden erschwert. Bild: China Daily/REUTERS

Geopolitische Spannungen

Unsicherheit entsteht auch durch die angespannte Stimmung zwischen Russland und den USA mit seinen europäischen Verbündeten. Angesichts der massiven russischen Truppenaufstockung an der ukrainischen Grenze hat Washington Moskau vor einer Invasion in der Ukraine gewarnt. Die USA und ihre europäischen Verbündeten erwägen weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland, einschließlich eines Stopps der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2, falls Russland in sein Nachbarland einmarschiert.

"Die Spannungen zwischen den USA und Russland sind ein großes Risiko, das die östlichen NATO-Verbündeten zunehmend an den Rand eines Krieges bringen könnte", sagte Edward Moya, leitender Marktanalyst bei der Handelsgruppe Oanda, der DW. "Wenn die USA und Europa die Nord Stream 2-Pipeline stoppen, könnte das zu einer globalen Energiekrise führen, die den Ölpreis in Richtung 100 Dollar pro Barrel treibt. Steigende Energiepreise könnten der Strohhalm sein, der die Zentralbanker weltweit dazu zwingt, die Geldpolitik schneller zu straffen," so Moya.

Auch in Bezug auf Taiwan sind die Beziehungen zwischen den USA und China angespannt, da Washington Peking davor warnt, den Status quo über das Inselgebiet einseitig zu ändern.

Washington hat Peking außerdem mit seiner Ankündigung verärgert, dass US-Beamtinnen und Beamte die Olympischen Winterspiele in Peking im Februar wegen Chinas Menschenrechtsverletzungen boykottieren werden. Im Gegenzug drohte China damit, dass die USA für ihre Entscheidung "einen Preis zahlen" würden.

Aus dem Englischen übersetzt.