1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

69 rechtsextreme Drohschreiben verschickt

21. Juli 2020

Die Drohschreiben mit der Unterschrift "NSU 2.0" werden fast bundesweit versendet. Ob es sich immer um denselben Absender handelt, ist aber noch unklar. Hessens Innenminister hat neue Erkenntnisse bekanntgegeben.

https://p.dw.com/p/3feHE
Hessens Polizeipräsident zurückgetreten - Innenminister Beuth
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Das Ausmaß der rechtsextremen Drohschreiben mit der Unterschrift "NSU 2.0" ist deutlich größer als bislang bekannt. So haben die Ermittler des Landeskriminalamtes in Hessen Informationen über insgesamt 69 Briefe an 27 Personen. Das hat der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag in Wiesbaden bekannt gegeben. Empfänger seien Politikerinnen, Institutionen und Personen des öffentlichen Lebens in acht Bundesländern. Allein in Hessen gebe es neun Betroffene. Fünf von ihnen würden durch das Landeskriminalamt betreut.

Bei einem Großteil der Empfänger sollen die verwendeten Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen. In drei Fällen stammen die Daten hingegen von Computern der Polizei. Daraus nähre sich der Verdacht, dass Informationen aus hessischen Polizeisystemen in den Drohschreiben verwendet wurden, sagte Beuth. Betroffen seien die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die hessische Linksfraktionschefin Janine Wissler und die Berliner Kabarettistin Idil Baydar.

Köln | Idil Baydar zu Gast in der ARD Talkshow Maischberger
Auch die Kabarettistin Idil Baydar ein Drohschreiben bekommenBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Fast alle 69 Drohschreiben wurden laut dem Innenminister von derselben Mailadresse verschickt. Wegen gezielter Verschleierung konnte diese aber noch nicht einem konkreten Verfasser zugeordnet werden. Auch per Fax, SMS oder über Kontaktformulare im Internet gab es Drohschreiben. Ob es sich immer um denselben Absender handelt, ist nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft nicht geklärt. Es sei schwierig, die Schreiben anhand des Sprachduktus einer einzelnen Person zuzuordnen.

"Angriff auf uns alle"

Der Minister nannte die Drohungen und Einschüchterungen nicht nur für die Betroffenen bedrückend und beängstigend. "Diese Bedrohungen sind zugleich ein Angriff auf uns alle und unerträglich", fügte Beuth hinzu und versprach: "Wir werden alles Erdenkliche tun, um den oder die Täter zu ermitteln und die Datenabfragen aufzuklären."

Die Unterschrift „NSU 2.0“ bezieht sich auf die Terrorgruppe NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund"), die zwischen 2000 und 2007 in Deutschland zehn Menschen ermordete. Es handelte sich um acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.

Angesichts der Datenabfragen von Polizeicomputern hatte der hessische Innenminister gesagt, er schließe nicht mehr aus, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte. Bei der Sondersitzung im Innenausschuss sagte er nun, es gebe bislang keine Belege für ein solches Netzwerk.

Rücktritt des Ministers gefordert

Mittlerweile steht auch der Minister unter Druck. Oppositionspolitiker haben den Eindruck, dass die Ermittlungen in den vergangenen zwei Jahren nicht mit höchster Priorität geführt worden sind. SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser kritisiert, dass Beuth von den Drohmails gewusst, aber keine proaktive Informationspolitik betrieben habe. Wenn man immer nur nach Presseberichten informiere, trage man nur zum Misstrauen gegen die Polizei bei. "Ihr Krisenmanagement ist unterirdisch", sagte die Oppositionsführerin. In einem Radiointerview legte sie dem Minister den Rücktritt nahe.

cwo/kle (dpa, afp, epd)