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Woody Allen ist 80

Jochen Kürten1. Dezember 2015

Mit 80 Jahren noch Regisseur - wer kann das von sich sagen? Woody Allen feiert Geburtstag und ist fleißig wie eh und jeh. Eine Würdigung des großen Filmemachers zum runden Geburtstag.

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US-Regisseur Woody Allen
Bild: picture alliance/dpa/A. Dedert

Auch ein Professor braucht mal Liebe, auch ein Philosoph sehnt sich mitunter nach Zuneigung. Oder auch nach Sex. Müsste man all die Themen und Stoffe der Filme, die Woody Allen während seiner langen Karriere inszeniert hat, auf einen Punkt bringen, wäre es vielleicht dieser: ein weißer, jüdischer Intellektueller und seine Liebesnöte.

Das alles spielt sich natürlich in New York ab, Woody Allens Herzensstadt. Frauen spielen immer eine Hauptrolle, gern auch mehrere, und eine ist meistens jung und hinreißend. Geredet wird permanent, über das Leben und den Tod, über die Liebe und die Eifersucht, über Krankheiten und alle möglichen menschlichen Schwächen.

Humor und Philosophie

Das ist die Quintessenz von Woody Allens Werk. Vielfach variiert, erweitert, kombiniert, mal weniger humoristisch, mal mehr. Der Kosmos der Filme des Amerikaners, der am 1.12.2015 seinen 80. Geburtstag feiert, erweist sich gleichzeitig als begrenzt und überschaubar, andererseits aber auch als unendlich weit und tiefschürfend. So wie Woody Allen hat wohl kein Filmkünstler in der Geschichte des Kinos quälende philosophische Tiefe und humoristische Leichtigkeit zusammengebracht.

Filmstill Was gibt's Neues Pussy von Regisseur Woody Allen (Foto: picture-alliance/akg-images")
Verspielt und anarchistisch zu Beginn der Karriere: Allen in "Was gibt's Neues Pussy"Bild: picture-alliance/akg-images

Einen Woody-Allen-Film sehen, heißt für den Zuschauer: 90 Minuten hellwach sein zu müssen, dem oft maschinengewehrartigen Geplauder auf der Leinwand zu folgen, all die Witze und Gags, die Anspielungen und Handlungsstränge zu verfolgen. Man kann einen Woody-Allen-Film natürlich auch zurückgelehnt im Kinosessel genießen und sich nur schief lachen über die Albernheiten und Zoten.

Woody Allen kommt von der Bühne. Da hat er sein Handwerk gelernt. Der 1935 in Brooklyn geborene Sohn jüdischer Eltern arbeitete früh als Gag-Schreiber, als Theaterautor und Stand-up-Comedian. Bevor Woody Allen zum ersten Mal als Schauspieler vor die Kamera trat, bevor er zum ersten Mal Regie führte, schrieb er vornehmlich Witze. Die müssen damals pausenlos aus ihm rausgesprudelt sein.

Woody Allens anarchistisches Frühwerk

Das merkt man vor allem seinem Frühwerk an, Titel wie "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten" oder "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko" sind in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeflossen. Es sind herrlich überdrehte Komödien, albern und voller Zoten, verspielt und ohne dramaturgische Pausen inszeniert. 1977 folgte dann das Jahr, das mit dem Film "Der Stadtneurotiker" eine Wende im Schaffen des Amerikaners einleiten sollte.

Filmstill Harry außer sich von und mit Woody Allen (Foto: imago/United Archives)
Ein Stadtneurotiker denkt nach: Woody Allen in "Harry außer sich"Bild: Imago/United Archives

Seine Filme wurden nun tiefschürfender, neben die witzigen Passagen schoben sich zunehmend nachdenkliche Sequenzen, Dialoge, die den Sinn des Lebens zum Thema hatten. Die Dekade nach dem "Stadtneurotiker" wurde für Allen zur fruchtbarsten, filmkünstlerisch aufregendsten Schaffensperiode. Fast ein Dutzend Meisterwerke hat Woody Allen in diesen Jahren gedreht. Für andere Filmemacher hätte diese Ausbeute für ein ganzes Leben gereicht. "Manhattan", "Stardust Memories" oder "Zelig" entstanden in dieser Phase.

In den 1990er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends drehte Allen weiter fleißig einen Film nach dem anderen. Es waren ein paar sehr gute dabei ("Bullets over Broadway", "Harry außer sich"), doch manchen Filmen des Meisters merkte man an, dass ihm nicht mehr viel Neues einfiel, dass er seine große Geschichte vom sinnsuchenden Intellektuellen immer nur variierte. Das war oft amüsant und unterhaltsam, hatte aber nichts mehr vom umwerfendem Esprit früherer Filme.

Mit "Match Point" ist Allen noch einmal durchgestartet

Vor zehn Jahren hat sich Woody Allen dann noch einmal neu erfunden, mit dem Kriminalfilm "Match Point", der in London entstand und sein europäisches Jahrzehnt einläutete. Allen war in seiner Heimat zuvor kommerziell nicht immer erfolgreich, hatte in Europa und manch anderen Teilen der Welt fast mehr Fans als im eigenen Land. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Woody Allen zur europäischen Kultur mehr hingezogen fühlte als zu der seines Geburtslandes, ganz zu schweigen von der in Hollywood angesiedelten.

2015 Cannes Film Festival - Roter Teppich "Irrational Man", Allen mit Darstellerinnen (Foto: REUTERS/Benoit Tessier TPX)
Zeigt sich nur selten auf den großen Festivals der Welt: Allen zwischen Emma Stone und Parker Posey in Cannes 2015 bei der Welturaufführung von "Irrational Man"Bild: Reuters/B. Tessier

Seine Schwärmerei für den schwedischen Meisterregisseur Ingmar Bergman ist legendär. Vermutlich hat Allen deshalb ein paar Mal versucht ganz ernste Filme im Stile des Schweden zu inszenieren ("Innenleben", "September"). Das gelang nicht ganz so gut. Relativ rasch hat der Regisseur den Versuch, Bergman nachzueifern, wieder aufgegeben. Er hat wohl auch gespürt, dass etwas fehlte. Nämlich genau das, was einen typischen Woody-Allen-Film auszeichnete: umwerfender Humor, große Menschenliebe, charmante Unterhaltung auf höchstem Niveau.

Allens Liebe zu seinen Darstellerinnen

Allens Werk ist auch das seiner Darstellerinnen, die nicht selten auch seine Partnerinnen im Leben waren - zunächst Diane Keaton, später Mia Farrow. Für viele Schauspieler und Schauspielerinnen war und ist es eine Ehre, für Woody Allen zu spielen. Die meisten verzichteten dabei auf ihre übliche Gage. So hat Allen auch in den letzten Jahren, als er schon das Rentenalter erreicht hatte, Darstellerinnen wie Scarlett Johansson an sich binden können. Die Besetzungsliste seiner Filme liest sich wie ein Who is Who des Kinos.

Filmstill Irrational Man (Foto: Imago/Independent Photo Agency)
Der Professor und die Muse (Joaquin Phoenix und Emma Stone) in "Irrational Man".Bild: Imago/Independent Photo Agency

Seine aktuellste Muse ist Emma Stone, die jetzt auch im neuen Film "Irrational Man" den Männern den Kopf verdreht. Hier ist es der Philosophie-Professor Abe Lucas (Joaquin Phoenix), der, desillusioniert und ausgebrannt, in einer Kleinstadt-Universität unterkommt und sich dort einfangen lässt vom Charme der jungen Studentin Jill (Emma Stone). Die verdreht ihm gehörig den Kopf, und so ergeht es Abe Lucas wie so vielen Helden Woody Allens zuvor.

Mit all ihrem im Leben erworbenen Wissen, mit ihrer Kenntnis der Welt, werden sie angesichts des Eros doch wieder zu kleinen, fast hilflosen Jungen. Das ist höchst amüsant anzusehen. Dass Woody Allen uns Zuschauer an seinen komischen, witzigen und meist auch zu Herzen gehenden filmischen Reisen schon so lange teilhaben lässt, ist ein großes Geschenk.