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"Muslimischer Gandhi"

29. September 2011

Khan Abdul Ghaffar Khan war ein Weggefährte Mahatma Gandhis. Beide einte der Kampf gegen die Briten. Viele bezeichneten Khan gar als "muslimischen Gandhi". Als Khan 1988 im heutigen Pakistan starb, trauerte ganz Indien.

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Portrait Khan Abdul Ghaffar Khan (Foto: DW)
Khan Abdul Ghaffar Khan war Gandhis treuester VerbündeterBild: public domain

Es war ein Bild der Gegensätze, wenn der 1,90 Meter große und mehr als 100 Kilogramm schwere Khan Abdul Ghaffar Khan und der kleine, schmächtige Mahatma Gandhi nebeneinander standen. Khan konnte laut poltern, wenn er sich für etwas einsetzte. Gandhi war seit jeher schüchtern. Doch Mahatma Gandhi und Khan Abdul Ghaffar Khan einte eine ungewöhnliche Freundschaft. Gandhi war Hindu und Khan gläubiger Moslem. Khan machte Gandhis Lehre auch unter den Muslimen populär. Bis zu 100 000 Muslime mobilisierte er in seiner Bewegung der so genannten "Diener Gottes", die er nach und nach auf Gandhis Philosophie einschwor.

Der Gesellschaft dienen

Khan Abdul Ghaffar Khan und Mahatma Gandhi vor einem Mikrofon (Foto:DW)
Khan Abdul Ghaffar Khan und Mahatma Gandhi um 1940 bei einer öffentlichen VeranstaltungBild: public domain

Der Paschtune Khan Abdul Ghaffar Khan wurde um 1890 im Nordwesten des heutigen Pakistan in eine wohlhabende Familie von Grundbesitzern geboren. Früh verschrieb er sich dem Kampf gegen die Armut und erkannte die Bedeutung von Bildung für die Gesellschaft. Bereits mit 20 Jahren gründete er die erste Schule und reiste quer durch das damalige Britisch-Indien, um seine Philosophien zu verkünden. Khan glaubte, dass man sich Respekt nicht durch seine Herkunft, sondern nur durch seine Taten verschaffen könne. Er verachtete Privilegien und zeichnete sich stattdessen - wie viele seiner Anhänger sagen - durch Bescheidenheit, Ehrlichkeit und großen Mut aus.

1928 traf Khan zum ersten Mal den rund 20 Jahre älteren Gandhi und begann, sich in der indischen Kongresspartei zu engagieren. Schnell wurde er Gandhis engster Vertrauter. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft - Gandhi war in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, hatte aber im Gegensatz zu Khan studiert - verbrachten sie viele Stunden miteinander, um in intensiven Gesprächen über Themen wie Politik, Religion und Kultur zu diskutieren. Beide hatten ein Gelübde abgelegt: Khan wollte nach dem Tod seiner zweiten Frau aus Trauer nicht noch einmal heiraten und Gandhi hatte sich trotz seiner Ehe für sexuelle Enthaltsamkeit entschieden, um sich auf seine politischen Ziele konzentrieren zu können. Gandhi und Khan teilten eine Vision, die stärker war als alles andere: die Vision eines unabhängigen, ungeteilten, säkularen Indiens, in dem Hindus und Muslime friedlich miteinander leben.

Indien: eine muslimische Delegation mit orangen Bändern um den Hals überreicht ein Geschenk(Foto:AP/dapd)
Geste der guten Willens: Eine muslimische Delegation überreicht einem Hindu- Priester ein GeschenkBild: AP

Gandhis Lehren für Muslime

Khan betonte immer wieder, dass das Konzept der Gewaltlosigkeit schon im Koran verankert ist und auch als Waffe im Dschihad, dem Heiligen Krieg, eingesetzt werden könne: "Es ist die Waffe des Propheten, doch noch seid ihr euch dessen nicht bewusst. Es ist die Waffe der Geduld und der Rechtschaffenheit. Keine Macht auf dieser Erde kann sich ihr widersetzen." Damit und mit seiner Forderung, dass Indien nach dem Abzug der Briten nicht geteilt werden dürfe, machte er sich unter den Muslimen viele Feinde. Denn viele seiner muslimischen Kritiker favorisierten die Teilung Britisch-Indiens in ein mehrheitlich hinduistisches, unabhängiges Indien und ein mehrheitlich muslimisches Pakistan.

Khans größter Verdienst war, dass er Gandhis Konzepte den Muslimen zugänglich machte, so der indische Friedensaktivist Faisal Khan: "Er blieb immer dem Islam sehr eng verbunden. Er war der erste, der unter seinem eigenen muslimischen Volksstamm der Paschtunen verkündete, dass alle Menschen zu Allah gehören und der es geschafft hat, die Religionen zu vereinen. Das war natürlich eine Tat mit großem Weitblick. Aber vor allem war er der Sache auch wahrhaftig verpflichtet." Faisal Khan ließ das Andenken an Khan Abdul Ghaffar Khan wieder aufleben, als er vor einigen Monaten zusammen mit 50 Freiwilligen in Indien die Bewegung der "Diener Gottes" neu gründete.

Nach Gandhis Tod

Khan sitzt in einer Reihe mit Indira Gandhi und dem Dalai Lama bei der Gedenkfeier zu Gandhis 100. Geburtstag(Foto:AP)
Khan mit der indischen Premierministerin Indira Gandhi (ganz links) und dem Dalai Lama (ganz rechts) bei der Gedenkfeier anlässlich des 100. Geburtstages von Mahatma Gandhi 1969Bild: AP

1947 wurde Britisch-Indien unabhängig und geteilt, in Indien und das heutige Pakistan, zu dem damals noch Bangladesch gehörte. Zusammen mit Gandhi sah Khan seinen Lebenstraum zerstört. Nach der Teilung und Gandhis Tod 1948 lebte Khan in Pakistan und wurde immer wieder wegen angeblicher pro-indischer Aktivitäten ins Gefängnis gesteckt.

1969 sprach er vor dem indischen Parlament anlässlich des 100. Geburtstages von Gandhi. Faisal Khan erinnert sich: "Als er vor dem Parlament stand, sagte er: 'Ich bin gekommen, um das Land Gandhis zu sehen. Ich möchte sehen, was aus Idealen wie Gerechtigkeit und Sozialismus geworden ist'." Er wollte sich mit eigenen Augen von den Fortschritten überzeugen, so Faisal Khan: "Es war wirklich eine bemerkenswerte, sehr emotionale Rede."

Für seine Verdienste im Gedenken an Gandhi erhielt Khan 1987 den "Bharat Ratna" Preis, die höchste zivile Auszeichnung Indiens: als bisher einziger Nicht-Inder. 1988 starb Khan Abdul Ghaffar Khan im pakistanischen Peshawar. Getreu seinem Wunsch wurde er in Jalalabad, im heutigen Afghanistan, beigesetzt. Welche Bedeutung der muslimische Gandhi für die gesamte Region hat, zeigt sich daran, dass aus Respekt für Khan bei seinem Begräbnis die Kampfhandlungen in Afghanistan unterbrochen wurden.

Autor: Vivek Kumar

Redaktion: Priya Esselborn /al