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Abe vor sicherem Wahlsieg

Julian Ryall/gh12. Dezember 2014

Trotz schwacher Konjunktur wird die Liberaldemokratische Partei (LDP) unter Führung von Shinzo Abe die vorgezogenen Parlamentswahlen in Japan wohl haushoch gewinnen. Doch gegen Abes Reformkonzepte gibt es auch Bedenken.

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Japans Premierminister Shinzo Abe (Foto: Reuters)
Japans Premierminister Shinzo AbeBild: Reuters/Y. Shino

Am heutigen Sonntag wird in Japan ein neues Parlament gewählt. Und Japans Premierminister Shinzo Abe hat gute Aussichten, seine Partei dabei zum Sieg zu führen. Im Oktober hatte der japanische Premier das Parlament aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Dabei hatte er diesen Urnengang auch zu einer Vertrauensabstimmung über seinen wirtschaftspolitischen Kurs, die so genannten "Abenomics", deklariert.

Für viele Wähler ist der Wahlsieg von Abes Partei LDP bereits eine ausgemachte Sache. Daher gehen Analysten von einer niedrigen Wahlbeteiligung aus. Dafür sei auch eine gespaltene Opposition mitverantwortlich, die im Wahlkampf keinen schlüssigen politischen Gegenentwurf präsentieren konnte, so die Ergebnisse der letzten Umfrage. Kritiker sehen deswegen in Abes Wiederwahl einen "Sieg zweiter Klasse".

Nach letzten Umfragen könnte Abes LDP rund 34 Prozent der Stimmen bekommen und sich damit gegenüber der letzten Parlamentswahl vor zwei Jahren sogar leicht verbessern. Die größte Oppositionskraft, die Demokratische Partei Japans (DPJ), würde demnach mit rund 12 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz landen.

LDP: 300 von 475 Sitzen?

Geht die Wahl wirklich so aus, wie vorhergesagt, würde die LDP 300 von 475 Sitzen im Shugiin, dem japanischen Abgeordnetenhaus, gewinnen, sechs mehr als bei den letzten Wahlen 2012.

"Die Schwäche der Opposition war eine große Hilfe für Abe", sagt Jun Okumura, Gastwissenschaftler am renommierten Meiji-Institut für Globale Angelegenheiten. "Die Unterstützung für Abe hatte wegen der anhaltend schlechten Wirtschaftszahlen in den letzten Monaten eigentlich abgenommen." Eine schwache Konjunktur, eine schleppende Binnennachfrage sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer im April hätten sich gravierender auf die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ausgewirkt als erwartet. "Aber die Opposition war einfach nicht in der Lage, daraus Unterstützung für sich zu gewinnen", so Okumura gegenüber der Deutschen Welle.

Hinzu kam, dass die größte Oppositionspartei DPJ die Erhöhung der Mehrwertsteuer von fünf auf acht Prozent gar nicht kritisieren konnte, da diese Entscheidung in der letzten Legislaturperiode von ihr selber getroffen worden war. Damals war die DPJ noch stärkste Kraft im Parlament.

Den Oppositionsparteien war es auch nicht gelungen, andere durchaus umstrittene Themen im Wahlkampf zu platzieren - etwa die Rückkehr zur Atomkraft, die Neuinterpretation der japanischen Verfassung in Verteidigungsfragen oder die Kürzungen im Sozialbereich.

"Abenomics" dominierten den Wahlkampf

Das dominierende Thema im Wahlkampf waren die "Abenomics". Der bisherige Amtsinhaber Abe machte von Anfang an klar, dass es im Wahlkampf insbesondere darum gehe, ob die Wähler für oder gegen seine Reformkonzepte sind.

475 Sitze im japanischen Oberhaus werden neu besetzt. (Foto: Reuters)
475 Sitze im japanischen Oberhaus werden neu besetztBild: Reuters

Die Wirtschaftsreformen von Abe waren zu Beginn zunächst sehr erfolgreich. Mit Konjunkturpaketen und einer lockeren Geldpolitik schien der Premier sein Ziel, Japans Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, erreichen zu können. Doch das letzte Instrument, die Strukturreform der Volkswirtschaft, schlug fehl.

"Japan rutschte in die Rezession. Nachdem die japanische Wirtschaftsleistung bereits im zweiten Quartal dieses Jahres um 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen war, folgte im dritten Quartal ein weiteres Minus von 1,6 Prozent. Angesichts dieser schlechten Zahlen hatte Abe die für Herbst nächsten Jahres terminierte zweite Anhebung der Mehrwertsteuer auf zehn Prozent zunächst verschoben und Neuwahlen ausgerufen.

"Die Menschen wissen, dass die 'Abenomics' nicht funktionieren und zum Scheitern verurteilt sind", sagt Makoto Watanabe von der Hokkaido Bunkyo Universität im Interview mit der Deutschen Welle. "Aber Abe wird wiedergewählt werden und seine Reformkonzepte trotzdem fortsetzen", ist der Kommunikationswissenschaftler überzeugt.

Politik für die Großkonzerne?

"Diese Reformen helfen nicht den einfachen Menschen, sondern vor allem den Wohlhabenden und den Großkonzernen", so Watanabe. "Seit Abes Amtsantritt ist die Schere zwischen Arm und Reich in Japan deutlich größer geworden. Etwa zwei Prozent der japanischen Firmen erwirtschaften rund die Hälfte aller Gewinne."

Sollten die Prognosen eintreffen, wäre Abes LDP eine überwältigende Mehrheit in beiden Parlamentshäusern sicher. Der Wahlsieg, fürchten Beobachter, gebe Abe freie Hand, eine Vielzahl umstrittener Entscheidungen zu treffen. "Mit diesen Sitzverhältnissen wäre Abe in der Lage, alles zu tun, was er will, denn die Wähler unterstützen ihn", sagt Watanabe, "und das macht mir Sorgen."

So könnte Abe eine Neuinterpretation der japanischen Verfassung durchsetzen, die Auslandseinsätze japanischer Streitkräfte erlauben könnte. Wahrscheinlich wären dann auch eine Verschärfung des Strafrechts, ein Abbau der Arbeitnehmerrechte oder die Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken.