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Norm als Chance

Henrik Böhme8. Februar 2007

Die Pläne der EU-Kommission zum Abbau des Kohlendioxid-Ausstoßes von Autos sind eine Chance - für das Klima und für die Autobauer, meint Henrik Böhme.

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Normalerweise sind sie Konkurrenten. Aber wenn es gegen die Politik geht, dann schreiben sie gemeinsam Briefe. So geschehen dieser Tage, als in Brüssel laut über künftige Abgas-Grenzwerte für Autos nachgedacht wurde. Sollte die Norm so kommen wie vorgesehen, so schrieben die Chefs fünf großer deutscher Autokonzerne, würde das schwerste Verwerfungen in der europäischen Auto- und Zulieferindustrie nach sich ziehen. Fabriken müssten geschlossen werden, Zehntausende Jobs gingen verloren.

Deutschland Autoland

Spätestens da hatten die Autobosse die deutsche Bundeskanzlerin auf ihrer Seite - Frau Merkel trat nahtlos in die Fußstapfen ihres Vorgängers Gerhard Schröder, der nichts dagegen hatte, als Autokanzler bezeichnet zu werden. In der Tat: Deutschland ist ein Autoland. Jeder siebte Arbeitsplatz hierzulande hängt an der Auto-Industrie. Mercedes, BMW und Co erfreuen sich weltweit größter Beliebtheit. Sie setzen Standards in Sachen Sicherheit und Antriebstechnik. Das Problem nur: Sie bauen immer stärkere Motoren, weil genau das sich am besten verkauft - und weil man damit das meiste Geld verdienen kann.

Im Streit um die Autoabgase stoßen Welten aufeinander. Hier die oft regulierungswütige EU-Kommission - da die Autokonzerne, die nichts schlimmer finden als Normen und Gesetze, jedenfalls wenn sie von der Politik gesetzt werden. Aber da die Hersteller ihre freiwillige Verpflichtung nicht einhalten, den Kohlendioxid-Anteil zu reduzieren, musste die EU handeln. Das ist richtig so. Gleichzeitig aber ist eine pauschale Obergrenze - wie sie zunächst gefordert war, falsch: Denn ein Porsche wird niemals zum Drei-Liter-Auto.

Gewisse Sturheit

Nun ist es nicht so, dass die deutschen Autobauer in der Vergangenheit nichts für den Umweltschutz getan hätten. Ein modernes Auto "Made in Germany" holt heute aus einem Liter Kraftstoff 60 Prozent mehr Leistung heraus als vor 15 Jahren. Aber eine gewisse Sturheit ist schon zu verzeichnen. Der erfolgreicher Hybrid-Antrieb der Japaner wurde als Nischenprodukt abgetan - nur um ihn jetzt mit großen Aufwand neu zu erfinden. Und auch in der Debatte um Russfilter bei Diesel-Autos stellten die Automanager sich taub, weil sie auf eine andere technologische Lösung gesetzt hatten. Doch jetzt sollten sie die aktuelle Debatte als Chance sehen: Nämlich die technologische Führung zu übernehmen bei sauberen Autos.

Freilich wird in den Forschungslabors zwischen Wolfsburg und Stuttgart längst nach Antriebsquellen für das Auto der Zukunft geforscht. Nur: Bis das bezahlbare Null-Emissions-Auto kommt, wird es eben noch ein bisschen dauern.

Läppischer Vorgeschmack

Doch eben diese Zeit haben wir nicht. Der Klimawandel findet bereits statt - und er fordert schnelle Maßnahmen. Das ist eine echte Herausforderung für die Autobauer. Jetzt aber nur auf der deutschen Autoindustrie herumzuhacken, bringt nichts. Denn der Verkehr ist nur ein Teil des Umweltproblems. Mindestens genauso groß ist der Anteil von Haushalten. Und der dickste Brocken sind die Energieerzeuger. An die traut sich die EU-Kommission im Moment noch nicht heran. Aber es bräuchte schon einen umfassenden, geradezu genialen Plan, um dem Klimawandel zu begegnen. Der Streit um die Autoabgase war nur ein läppischer Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.