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Butterberg ade

Stefan Dietrich30. Juli 2007

Jahrelang klagte die Milchwirtschaft über niedrige Preise - jetzt hat sich der Markt grundlegend gewandelt. Der Milchpreis ist bereits gestiegen, nun werden auch Butter, Käse und Quark teurer.

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Eine Hand hält ein Glas, in das aus einem Tetra-Pak Milch fließt, Quelle: AP
Milch ist teurer gewordenBild: AP

Milchprodukte werden in der nächsten Woche um bis zu 50 Prozent teurer – diese Nachricht erschreckte am Samstag (28.07.) die Verbraucher. "Es wird einen Preisruck geben, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat", zitierten die "Ruhr Nachrichten" Erhard Richarts von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst und Ernährungswirtschaft (ZMP).

Am Montag konnte sich Milchexperte Richarts vor Telefonanrufen dann kaum retten. Dabei ist der Preisanstieg für die Verbraucher weniger dramatisch, als die Nachricht vermuten lässt. "Die Preiserhöhung bei Milch ist schon Anfang Juni gelaufen", stellt Richarts gegenüber DW-WORLD.DE klar. Kostete der Liter Vollmilch im Discounter lange Zeit 55 Cent, müssten Kunden momentan etwa 63 Cent bezahlen. Vielen ist das wohl gar nicht aufgefallen – "die Verbraucher sind stärker davon betroffen, was an den Tankstellen passiert", sagt Richarts.

Butter und Quark werden teurer

Bei Butter, Quark oder Käse stehen aber tatsächlich kräftige Preiserhöhungen ins Haus. Anfang August würden zwischen Herstellern und Einzelhandel die Verträge neu ausgehandelt, erläutert der Milchpreis-Experte. Angesichts der bereits gestiegenen Preise für Milch, Joghurt und lose Butter erwarte er, dass ein halbes Pfund Butter künftig 1,19 Euro kostet statt 79 Cent. "Quark wird etwa 40 Prozent teurer, Käse etwa 50 Cent bis einen Euro pro Kilo."

Tisch mit Geldbörse, Milch, Käse und Butter, Quelle: dpa
Käse und Butter kosten demnächst bis zu 50 Prozent mehrBild: picture-alliance/ dpa

Der Preisanstieg sei ein Ergebnis grundlegender Veränderungen im Markt. "Der Milchmarkt war bis Mitte 2006 ein Käufermarkt, jetzt ist er ein Verkäufermarkt, weil das Angebot begrenzt ist", diagnostiziert Richarts. Jahrelang hatten Bauern vergebens gegen niedrige Milchpreise demonstriert. Grund der niedrigen Preise war das Überangebot, erklärt Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes: "Wir hatten traditionell in Europa Milchseen und Butterberge. Diese Bestände sind abgebaut."

Weltweiter Durst auf Milch

Zwei Ursachen nennen Experten für die veränderte Marktsituation: Erstens steige durch höhere Einkommen die Nachfrage nach Milch etwa in China, Südostasien, Nordafrika und dem Mittleren Osten. "Jeder dritte Liter Milch aus Deutschland wird exportiert", erläutert Verbands-Geschäftsführer Heuser. Zweitens leiden australische und neuseeländische Milchbauern unter der Dürre – dadurch werde das Milchangebot kleiner. "Andere Länder wie Indien oder Argentinien wollen ihre Märkte schützen, indem sie weniger Milchprodukte exportieren", fügt Heuser hinzu.

"Die Milchpreise sind weltweit gestiegen, ob in Singapur, England, Amerika oder der Dritten Welt", stellt Richarts fest. Bisher habe der Einzelhandel die Hersteller zu Zugeständnissen drängen können – nun könnten die Hersteller ihre Produkte auf anderen Märkten anbieten, wenn der Einzelhandel keine höheren Preise zahle.

"In allen Bereichen höhere Preise"

Unternehmen der milchverarbeitenden Industrie bestätigen Richarts' Einschätzung. Deutschlands größtes milchverarbeitendes Unternehmen Nordmilch ("Milram") habe in den zurückliegenden Preisrunden "in allen Bereichen höhere Preise" durchsetzen können, sagt Nordmilch-Sprecher Herrmann Cordes.

Bauern-Demonstration im Mai 2007, Quelle: dpa
Jahrelang waren Demonstrationen für höhere Milchpreise erfolglosBild: picture-alliance/ dpa

Auch das zweitgrößte deutsche milchverarbeitende Unternehmen, die Humana Milchunion, kündigt drastische Preiserhöhungen für Milch und Milchprodukte an. "Wir rechnen nicht damit, dass sich die Situation auf dem Weltmarkt und damit die Preise in Kürze entspannen werden", betont Albert Große Frie, geschäftsführender Vorstand von Humana.

Politiker sprechen von Abzocke

Politiker kritisierten die Preiserhöhungen als "Abzocke". "Die derzeitigen Steigerungen der Erzeugerpreise rechtfertigen keinesfalls eine solche Belastung der Verbraucher durch die Lebensmittelketten", sagte Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU). Auch Politiker von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei forderten eine maßvolle Preispolitik. Eine Sprecherin des Bundeskartellamtes kündigte im Radio an, den Milchmarkt genauer zu beleuchten.

Dagegen betonte der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Eberhard Hetzner, die Preissteigerungen kämen in erster Linie den Bauern zugute. Nordmilch-Sprecher Cordes sagte, sein Unternehmen garantiere den Landwirten für das zweite Halbjahr 2007 einen Preis von 32 Cent pro Liter, sechs Cent mehr als im ersten Halbjahr.

Milchproduzent Europa

Milchkühe in Frankreich, Quelle: AP
Europas Kühe liefern etwa ein Viertel der weltweiten MilchproduktionBild: AP

Die Situation auf dem Weltmarkt hat deshalb so großen Einfluss auf den Milchpreis in Deutschland, weil Europa einen sehr großen Anteil an der weltweiten Milchproduktion hat. Viele außereuropäische Länder – in denen beispielsweise das Klima ungünstig für die Milchwirtschaft ist – kaufen dagegen Milchprodukte wie Butteröl, tiefgefrorene Butter oder Trockenmilch auf dem Weltmarkt ein. Von weltweit etwa 650 Millionen Tonnen Milchproduktion pro Jahr entfielen etwa 150 Millionen Tonnen auf Europa, so Richarts. Deutschland ist mit 27,3 Millionen Tonnen der größte Milchproduzent in der EU, gefolgt von Frankreich mit 23,3 Millionen Tonnen.

Die Milchindustrie befürchte nun, dass durch die gestiegenen Preise der Milchverbrauch sinken könnte, sagt Verbands-Geschäftsführer Heuser. Deshalb müsse politisch gegengesteuert werden – etwa über die Abschaffung der Mengenbegrenzung bei der Milchproduktion: "Ich denke, das ist ein richtiger Zeitpunkt, um in liberalisierten Märkten die Milchquote abzuschaffen", sagt Heuser.