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Abstrakte Legende

Nina Funke-Kaiser31. Oktober 2008

Selten wurde ein lebender Künstler in Deutschland so gefeiert wie der Maler Gerhard Richter. Kunsthändler reißen sich um seine Werke. Die Besucher strömen in die zahlreichen Richter-Ausstellungen - wie derzeit in Köln.

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Richter (Quelle: dpa)
Der Künstler Gerhard Richter vor seinem Bild "Gelbgrün"Bild: picture-alliance/ dpa

"Über Malerei zu reden ist nicht nur sehr schwierig, sondern vielleicht sogar sinnlos“, sagte Gerhard Richter einst. Weil man immer nur das in Worte fassen könne, was in Worte zu fassen geht. Damit habe die Malerei eigentlich nichts zu tun, erklärte er.

Trotzdem ein Versuch: Man sieht einen Düsenjet, der mit rasanter Geschwindigkeit durch die Luft schießt. Die Erde unter ihm – nichts als eine undeutliche Kontur. Auch der silberne Jet ist unscharf, als würde man das Bild durch eine Brille der falschen Stärke betrachten. Verwischt, unruhig. Der Himmel ist apricotfarben, das Licht verschwommen. Der Tag geht zu Ende.

Zu den Interpretationen gehört auch die stereotype Frage: "Was haben Sie sich dabei gedacht?" Richter nervt das:"Das wäre genauso wenn man Einstein fragt: Was denken Sie sich, wenn Sie Gleichungen machen? Der denkt sich nichts dabei, der rechnet.“ Richter hat das Bild „Düsenjäger“ im Jahr 1963 also ohne viel Kopfzerbrechen gemalt - und dabei eines seiner berühmtesten Werke geschaffen.

Gewichtige Kunst

Düsenjäger 1963 (Quelle: dpa)
Gerhard Richters Gemälde "Düsenjäger"Bild: picture-alliance /dpa

"Ich habe Richter schon immer für den bedeutendsten lebenden deutschen Maler gehalten“, sagt der Kunstsammler Bernd Lunkewitz. Und er hat in Bezug auf Gerhard Richter ein gutes Gespür bewiesen. Seit mehr als 40 Jahren ist Richter national wie international in der Kunstwelt präsent. Doch gerade jetzt, mit 76 Jahren, ist er gefragt wie nie zuvor. Dr. Ulrich Wilmes, Kurator der Richter-Ausstellung in Köln: "Ich glaube mit Sicherheit, dass Richter seinen Platz in der Kunstgeschichte erobert hat. Heutzutage ist das durch die Medienlandschaft und vor allen Dingen auch durch den verrückten Kunstmarkt alles in eine andere Dimension gerückt.“

Der internationale Kunstmarkt spielt tatsächlich verrückt, wenn es um Richters Werke geht. Er gilt als teuerster Künstler der Gegenwart. Sein Gemälde „Kerze“ wurde im Februar für den Rekordpreis von 10,57 Millionen Euro versteigert. "Der Hype wird hauptsächlich auf dem Sekundärmarkt entwickelt, also auf den Auktionen, wo Kunst wie eine Aktie gehandelt wird", sagt Wilmes. Für den Künstler selbst sei das wohl nur marginal. Richter stehe mit Sicherheit nicht vor der Leinwand in dem Bewusstsein, dass er gerade wieder ein Bild für 500.000 oder eine Million Euro malt, vermutet Wilmes.

Museum Ludwig. Quelle: dpa
Museum Ludwig in Köln - dort sind die Abstrakten Werke von Richter ausgestelltBild: Museum Ludwig

Bereits zum fünften Mal in Folge wurde Richter vom Kunstkompass zum berühmtesten lebenden Künstler der Gegenwart gewählt. Der Kunstkompass misst weltweit Rang und Namen von rund 16.000 Kunstschaffenden. Abstrakte Gemälde, abgemalte oder mit dicken Farbstrichen bepinselte Fotografien oder das berühmte Fenster im Kölner Dom: Richter hat sich nie gescheut, über seinen künstlerischen Tellerrand hinaus zu schauen. "Es ist einerseits die Kontinuität, anderseits die ständige Erneuerung, die ständige Veränderung, Dynamik, die eigentlich keinen Stillstand kennt, und auch immer wieder die Überraschungsmomente, die in seinen Bildern enthalten sind. Ich glaube, das alles zusammen macht die Faszination um Gerhard Richter aus“, meint Ulrich Wilmes.

Weniger ist mehr

Aber es sind nicht nur die verrückten Kunsthändler oder die elitäre Kunstszene, die Gerhard Richter Annerkennung zollen.

40 abstrakte Bilder Richters werden gerade im Kölner Museum Ludwig gezeigt. Erstmals wird dieser Werkgruppe Richters eine eigene, umfassende Ausstellung gewidmet. Und ins Kölner Museum strömen derzeit die unterschiedlichsten Besucher: Von der Familie mit dem Kleinkind auf dem Arm über die kunstinteressierte Gruppe Mitvierziger bis hin zu Richters Altersgenossen.

Richter-Fenster im Kölner Dom (Quelle:dpa)
Das von Gerhard Richter gestaltete 113 Quadratmeter große Domfenster im Kölner DomBild: picture-alliance/dpa

"Jeder bringt seine eigenen Erfahrungen in die Bilder mit ein", sagt Wilmes. Von daher könne man den Besuchern auch keine allgemein gültige Interpretation der Bilder an die Hand geben. Die müsse jeder für sich selbst entwickeln, so Wilmes. Und genau das sei letztlich der Sinn der Bilder.

Vielleicht ist es auch gar nicht notwendig, Richters Kunst bis ins kleinste Detail zu interpretieren. Schließlich verliert ja sogar der Künstler selbst kein Wort zuviel - wie bei der Einweihung des Domfensters im vergangenen Jahr. Dazu kommentierte Gerhard Richter nur: "Es sieht am besten aus, so wie es ist.“