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Abu Sayyaf als Trittbrettfahrer des IS

Roxana Isabel Duerr16. Oktober 2014

Die philippinische Erpressergruppe Abu Sayyaf sucht die propagandistische Nähe zum "Islamischen Staat". Sie hat aber laut Experten keine starken ideologischen Gemeinsamkeiten mit dem IS.

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El Kaida-Lager
Bild: picture-alliance/dpa

Seit April hält die islamistische Terrororganisation Abu Sayyaf im Süden der Philippinen ein deutsches Seglerpaar als Geiseln fest und droht mit ihrer Ermordung. Die Extremisten fordern Lösegeld und den Rückzug Deutschlands aus dem Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Manila schickt Soldaten und Suchtrupps auf die Insel Jolo. (Im Artikelbild ist die philippinische Flagge zu sehen, die von Regierungssoldaten in einem eroberten Camp der Rebellen gehisst wurde.) Welche Ziele verfolgt Abu Sayyaf und wie nahe steht die philippinische Terrorgruppe dem IS tatsächlich?

Abu Sayyaf, (zu Deutsch: "Schwertkämpfer", auch ASG, Abu Sayyaf Group, genannt) ist eine radikal-islamische Terrororganisation im muslimischen Süden der Philippinen. Seit Anfang der 1990er sind die ASG-Kämpfer auf der südlichen Insel Mindanao aktiv und dort für zahlreiche Entführungen und Terroranschläge verantwortlich. Den Kern der Gruppe bilden rund 200 Mitglieder, landesweit soll es insgesamt rund 2000 Unterstützer geben.

Die Abu Sayyaf Terrorgruppe ging aus der "Nationalen Befreiungsfront der Moro" (MNLF) hervor, eine Rebellengruppe, die seit den 1970er Jahren für einen eigenständigen islamischen Staat auf den Südinseln der Philippinen kämpft. Die Mitglieder der Abu Sayyaf lehnten die gemäßigte Linie der MNLF ab. "Seit dem Tod ihres Anführers Abdurajak Janjalani im Jahr 1998 fehlt der Abu Sayyaf allerdings eine ideologische Ausrichtung", sagt Joseph Franco, Sicherheitsexperte an der S. Rajaratnam School of International Studies (RSIS) in Singapur. Die ASG sei mittlerweile tief gespalten und eher eine "Ansammlung bewaffneter Gruppierungen als eine organisierte terroristische oder sezessionistische Bewegung", so Franco weiter. Für Tony La Viña, Dekan der Ateneo School of Government in Manila, ist Abu Sayyaf lediglich "eine Banditengruppe, die sich durch kriminelle Aktivitäten, vor allem durch erpresserische Entführungen, finanziert."

Karte Philippinen deutsche Geiseln (Infografik: DW)
Abu Sayyaf hält ihre Geiseln auf der Insel Jolo fest

Ausschluss von Friedenspakt

Im März diesen Jahres hatte die philippinische Regierung einen Friedensvertrag mit der "Islamischen Befreiungsfront der Moros" (MILF), der größten muslimischen Rebellenfront der Philippinen, unterzeichnet. Die MILF hatte sich Ende der 1970er von der "Nationalen Befreiungsfront der Moros" (MNLF) abgespaltet. Andere islamistisch geprägte Organisationen, wie MILF-Splittergruppen, die Terrorgruppe "Bangsamoro Islamic Freedom Fighters" (BIFF) und Abu Sayyaf selbst waren an dem Abkommen im Frühjahr allerdings nicht beteiligt. "Abu Sayyaf hat keinerlei politische Forderungen, deshalb ist die Gruppe auch nicht Teil Friedensverhandlungen", so der Jurist La Viña.

Unterzeichnung des Friedenspakts in den Philippinen 27. März (Foto: Getty Images)
Friedenspakt mit muslimischen Separatisten in Manila im März 2014Bild: NOEL CELIS/AFP/Getty Images

Das Friedensabkommen gilt als das bisher vielversprechendste, um den jahrzehntelangen Konflikt zwischen der Regierung des mehrheitlich christlichen Landes und seiner muslimischen Minderheit zu beenden. Vorgesehen ist eine größere autonome muslimische Region im Süden, genannt Bangsamoro (“Nation der Muslime”), die rund zehn Prozent der Landesfläche ausmachen soll. Die Lokalregierung des autonomen Gebietes soll zudem über ein eigenes Budget und Polizeikräfte verfügen. Abu Sayyaf und andere Terrorgruppen könnten den Friedensprozess in Mindanao und auf den Inseln des Sulu-Archipels allerdings nach wie vor gefährden.

Manila setzt auf militärische Antwort

Die philippinische Regierung in Manila hat wiederholt deutlich gemacht, dass sie auf keinerlei Verhandlungen mit Abu Sayyaf setzt und stattdessen eine verstärkte militärische Antwort bevorzugt. Die Aquino-Regierung hat deshalb im vergangenen Monat ihr Militäraufgebot in der Region deutlich verstärkt. "Wir verhandeln nicht mit Terroristen", ließ der philippinische Verteidigungsminister Voltaire Gazmin kürzlich verlauten. "Abu Sayyaf macht nur Propaganda und unsere Regierung wird nicht auf die Forderungen dieser Terroristen eingehen; wir werden uns von derartigen Gesten und Aktionen nicht einschüchtern lassen", so Gazmin weiter. Rund tausend Einsatztruppen sollen in den nächsten Wochen eine gemeinsame Militäroperation von Armee und Marine im südlichen Teil der Philippinen gegen Abu Sayyaf durchführen.

Marine-Boot vor der Küste Sulus (Foto: Picture alliance/dpa)
Marine-Einheiten können die Kidnapping-Branche auf den Philippinen nicht austrocknenBild: picture-alliance/dpa

Tendenz zur Verbrüderung mit IS bislang gering

Bekannt ist, dass Abu Sayyaf seit langem intensiven Kontakt zu anderen islamistischen Terrororganisationen wie Al Kaida pflegt. So war der mittlerweile verstorbene Gründer der Abu Sayyaf, Abdurajik Janjalani, ehemals Kämpfer im afghanischen Bürgerkrieg mit der Sowjetunion. Viele Mitglieder der Abu Sayyaf wurden auch in Lagern in Pakistan, Afghanistan und Saudi-Arabien ausgebildet.

Werner und Renate Wallert vor ihrem Haus in Göttingen
Die deutschen Renate und Werner Wallert waren im Jahr 2000 nach viermonatiger Gefangenschaft von Abu Sayyaf freigelassen wordenBild: picture-alliance/dpa

Zwar haben einige Persönlichkeiten der ASG, wie zum Beispiel der Kommandeur Isnilon Hapilon, dem IS ihre Loyalität geschworen. Terrorismus-Experte Franco relativiert diese Geste allerdings: "Ich sehe darin mehr das Bedürfnis der Abu Sayyaf, an den Bekanntheitsgrad der IS-Miliz anknüpfen zu wollen, als eine formelle organisatorische Verknüpfung zwischen ASG und IS."

Abu Sayyaf wolle mit ihren Loyalitätsbekundungen zum IS lediglich ihren Drohungen mehr Gewicht geben, um bei Entführungen mehr Lösegeld fordern zu können. Diese Ansicht vertritt auch die philippinische Regierung. Für Jurist La Viña stellt Abu Sayyaf weiterhin eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Er bezweifelt allerdings auch, dass es zu einem Schulterschluss zwischen ASG und IS kommt: "Der IS wird andere Verbündete in den Philippinen finden und ich nehme an, dass es sich dabei nicht um Abu Sayyaf handeln wird."