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Politik

Ade, Freiheit! Zurück in die Diktatur

Fabian Kretschmer
25. Juli 2017

Nach ihrer Flucht nach Seoul 2014 ist der TV-Star Lim Ji-hyun überraschend nach Nordkorea zurückgekehrt, aus bisher ungeklärten Gründen. Ihrem Beispiel wollen andere Flüchtlinge folgen. Fabian Kretschmer aus Seoul.

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Lim Ji-hyun Nordkorea
Bild: Youtube/Uriminzokkiri

Noch vor Kurzem galt Lim Ji-hyun als schillerndes Integrationsvorbild. Nachdem die 26-jährige Nordkoreanerin 2014 aus ihrer totalitären Heimat floh, schien ihr der Neuanfang im kapitalistischen ultrakompetetiven Südkorea schnell gelungen zu sein. Als TV-Sternchen nahm sie an drei Reality-Shows teil, schrieb sich an einer Seouler Universität ein und schmiedete ambitionierte Pläne als Schauspielerin. Seit Sonntag jedoch spielt sie in einer Sendung eine unwürdige Rolle, als Propagandawaffe für Diktator Kim Jong Un.

"Physische und mentale Pein"

"Jeder Tag im Süden war die Hölle. Ich wurde unter falschen Vorstellungen dort hingelockt", sagt sie unter Tränen in einem tribunalartigen Video der nordkoreanischen Webseite Uriminzokkiri. Unter bisher ungeklärten Umständen ist Lim in ihr diktatorisches Heimatland zurückgekehrt, wo sie nun nach Angaben nordkoreanischer Presse mit ihrer Familie in der Stadt Anju wohnt.

China North Korea Youth Tours
Kumsusan-Mausoleum in Pjöngjang Bild: picture-alliance/AP Photo/D. Guttenfelder

Sie habe vom schnellen Geld in Südkorea geträumt, sagt Lim vor laufender Kamera, musste sich aber in Hostess-Bars verdingen, um über die Runden zu kommen. Von ihrem Leben im Süden sei ihr nur "physische und mentale Pein" geblieben. "Jeden Abend habe ich geweint und an mein Vaterland gedacht." 

Der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen lässt sich nicht überprüfen. In dem Video stellte sich Lim als Jon Hye Song vor. Es ist üblich bei den nordkoreanischen Flüchtlingen, dass sie in Südkorea einen anderen Namen annehmen, aus Rücksicht auf ihre zurückgelassene Familie, besonders wenn sie in der Öffentlichkeit stehen. Jon ist vermutlich ihr bürgerlicher Geburtsname. Die Polizei in Seoul schließe eine Entführung durch Nordkorea nicht aus, berichtete Südkoreas Nachrichtenagentur Yonhap. Lim könnte auch unter Androhungen gegen Familienmitglieder zu ihrer Rückkehr erpresst worden sein, so die Spekulationen.

Dafür spricht, dass Lim erst vor kurzem eine große Wohnung in Seoul bezogen hat. Zudem reiste sie im Frühjahr mit dem südkoreanischen Reisepass nach China, möglicherweise um mit der Hilfe von Schleppern ihre Familie in Nordkorea nach Seoul zu holen.

Dunkelziffer von 100 "Rückkehrern" pro Jahr

Tatsächlich jedoch wächst die Anzahl der freiwilligen Rückkehrer unter den insgesamt 30.000 nordkoreanischen Flüchtlingen im Süden. Das südkoreanische Vereinigungsministerium listet zwar nur ein knappes Dutzend Fälle pro Jahr auf, ein Parlamentsmitglied geht jedoch von einer Dunkelziffer von rund hundert aus.

Die Situation der meisten nordkoreanischer Aussiedler ist in ihrer Heimat im Süden schockierend tragisch. Zwar bekommen sie einen südkoreanischen Reisepass, eine Sozialwohnung und monatliche Leistungen. Da sie jedoch oftmals ihre Schlepper zurückzahlen müssen, beginnen sie ihre neue Existenz mit Schulden.

Zudem bekommen aufgrund mangelnder Qualifikationen meist nur Gelegenheitsjobs. Der Großteil von ihnen leidet unter Depressionen, Einsamkeit und posttraumatischen Belastungsstörungen, hieß es. Im OECD-Land mit der höchsten Suizidrate nehmen sich nordkoreanische Flüchtlinge dreimal häufiger das Leben als die Gesamtbevölkerung in Südkorea. 

Nordkorea / Südkorea - Nordkoreanische Soldaten machen ein Foto von Südkoreanischem Soldat
Die koreanisch-koreanische GrenzeBild: picture-alliance/Yonhap

"Sehnsucht nach Freiheit"

Die Nordkorea-Experten Stephen Denney von der kanadischen Universität Toronto und Christopher Green von der holländischen Universität Leiden kommen in einer jüngsten Studie nach Interviews mit 352 nordkoreanischen Flüchtlingen zu einem deprimierenden Ergebnis. Je länger die Nordkoreaner in Südkorea leben, desto negativer ist ihre Einstellung gegenüber ihrer Wahlheimat.

In den vergangenen Jahren kommen immer weniger nordkoreanischer Flüchtlinge in Südkorea an. Das hat mit den verstärkten Grenzkontrollen unter Diktator Kim Jong Un zu tun. Noch 2001 suchten zwei Drittel aller Nordkoreaner "aus finanziellen Gründen und Hunger" um Aufnahme in Südkorea, mittlerweile sind es nur mehr 12 Prozent. Bei gut einem Drittel die "Sehnsucht nach Freiheit" der vornehmliche Grund zur Flucht, stellten die Forscher fest.

Bislang wurden die Rückkehrer vom nordkoreanischen Regime in Umerziehungslager gesteckt. Seit Kim Jong Un an der Macht ist, hat er mindestens 25 von ihnen vor die Kameras des Staatsfernsehens gezerrt. In Propagandavideos müssen sie dort Reue für ihre Entscheidung zeigen, das geliebte Vaterland verlassen zu haben. Dankbar zeigen sie sich, eine zweite Chance in Nordkorea zu erhalten.

Seitdem die nordkoreanische Bevölkerung durch geschmuggelte DVDs und Radios wesentlich besser über die Außenwelt Bescheid weiß als ihre Elterngeneration, braucht Pjöngjang die Rückkehrer aus dem Süden umso dringlicher, um das Narrativ für die eigenen Zwecke umzumünzen. Die südkoreanische Gesellschaft mag zwar reich sein, doch Nordkoreaner landen dort in sozialer Isolation und werden diskriminiert. Für einige Flüchtlinge trifft das auch tatsächlich zu.